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VI

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Öcetim wurde zu Walober befohlen, der in einem Stollen drei schwer arbeitende Kinder beaufsichtigte. Zwei Buben und ein Mädchen schufteten darin, keines schien älter als zehn Jahre alt zu sein. Ohne Kopfschutz schlugen sie auf die sich nach rechts und nach links verzweigenden Erzadern. Der niedrige Stollen war in seinem Anfangsteil ungefähr so tief in den Berg geschlagen wie ein Mann lang war. Weiter drinnen teilte sich der Stollen in zwei niedrige Gänge, hier mussten die Kinder in Hockstellung arbeiten. Walober wachte streng darüber, dass ihre Steinschlägel ununterbrochen auf das erzhaltige Gestein einhämmerten und pausenlos Erze gebrochen wurden. Die Erzbrocken wurden in einem Holzschlitten gesammelt. Sobald dieser voll war, zog ihn Walober ins Freie und brachte ihn zu einer der Röststellen. Dabei hatte er immer ein Ohr für das Klopfen in der Höhle. Wurde dieses rhythmische Geräusch während seiner Abwesenheit unterbrochen, gab es Hiebe für alle Kinder, denn Walober machte sich nicht die Mühe, den Grund der Unterbrechung herauszufinden.

„Der Junge dort und das Mädchen“, sagte er und deutete auf die beiden Kinder. „Die machen es nicht mehr lange, Du Öcetim kannst an deren Stelle klopfen.“ Walober stieß ihn grob in die Mine hinein. In dem niedrigen Minengang konnte Öcetim nur im Knien auf das Gestein einhauen. Dabei beobachtete er aus dem Augenwinkel den andern Jungen, der Öcetims Blick zu spüren schien, ihn aber nicht erwiderte. Mit grimmigem Gesichtsausdruck schlug er auf den Stein, als wolle er ihn vernichten. So entriss er dem Berg viele schöne und große rotbraune Brocken, viel mehr als Öcetim in derselben Zeit aus dem Gestein heraus schlagen konnte.

„Wie heißt Du“, fragte ihn Öcetim, als Walober gerade mit seinem Holzschlitten die erzhaltigen Stücke zur Röststelle brachte. „Wo kommst Du her? Und wo sind Deine Eltern?“ In diesem Augenblick kam Walober zurück und Horgol antwortete nicht.

Wie von Ferne war ein tiefes Dröhnen zu hören, ein anhaltendes Grollen kam aus der Erde. Was war das? Kündigte sich hier ein Unwetter an? Plötzlich zitterte der Boden unter ihren Füßen, es entstand ein Lärm, als ob alle Götter auf einmal losbrüllten und der Herrscher aller Berggeister sich schütteln würde, ein gewaltiges Steingewitter prasselte von der Decke nieder. Horgol versuchte mit einer schnellen Bewegung nach hinten auszuweichen, doch es gelang ihm nur zum Teil. Öcetim fasste ihn am linken Arm und zog ihn weiter weg vom Höllenlärm des tobenden Gesteins.

Horgol hatte eine blutende Platzwunde am Kopf und der rechten Wange, sein rechter Arm war seltsam gebogen und hing kraftlos nach unten. Öcetim erkannte sofort, dass er gebrochen war. Er lud den jammernden Buben auf seinen Rücken und trug ihn ins Freie, vorsichtig legte er ihn auf den Boden, jemand drückte ein altes Fellstück auf seine Platzwunden. Eine Frau eilte herbei, sie schien eine Heilkundige zu sein, denn sie trug Birkenporlinge bei sich. Sie zog das alte Fellstück wieder weg, schaute sich die blutenden Wunden genau an, entfernte ein paar Gesteinssplitter und presste dann die Birkenporlinge auf die Wunden. Erst als diese zu bluten aufhörten, verband sie die Wunden mit den Blättern eines Nussbaumes, währenddessen sie nach frischen Ästen rief, mit denen sie den gebrochenen Arm schienen konnte.

Abends am Lagerfeuer wurde über den Einsturz des Stollens und den Unfall des Buben gesprochen. So etwas dürfte nicht geschehen, war die überwiegende Meinung der Leute. Was aber konnten sie tun? Sie waren doch alle abhängig von der Mine – und von Marabeo und Wurkaz, die hier allein zu bestimmen hatten. Viele Leute arbeiteten hier schon einige Jahre lang, sie hatten schon mehrere Unfälle erleben müssen: Stürze und Knochenbrüche gab es immer wieder. Daran hatten sie sich gewöhnt und glaubten, dass dies nicht allein durch Unachtsamkeit kam. Sie waren der Auffassung, dass immer die Götter ihre Hand im Spiel hätten und nichts zufällig geschähe, denn bekanntlich bestimmten die Götter das Schicksal der Menschen.

Darüber hinaus wussten alle, dass Marabeo für jeden Arbeiter einen Stab mit den seltsamen Strichen und Zeichen hatte. Sie vermuteten, dass ein Geist in dem Haselnussstab hausen und dieser Geist Marabeo Macht über die Arbeiter verleihen würde. Keiner konnte das verstehen – außer vielleicht Namos, dem dunkelhäutigen Mann aus einem fernen Land. Doch der äußerte sich nicht dazu. Ob es nun der Glaube an ein unabänderliches Schicksal, die Furcht vor den Haselnussstäben mit ihren seltsamen Zeichen oder die nackte Furcht vor dem Pfahl mit den gefräßigen Insekten war, die Männer konnten sich nicht entschließen, gegen Marabeos Herrschaft aufzubegehren.

Tod im ewigen Eis

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