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4.5.4Internationalisierung von Kapitalverflechtungen durch Direktinvestitionen
ОглавлениеAusländische Direktinvestitionen (ADI) haben im Vergleich zu internationalen Handelsverflechtungen ein noch höheres Wachstum erfahren und dokumentieren die zunehmende Bedeutung internationaler Aktivitäten multinationaler Unternehmen (Hirst und Thompson 1996). Als Direktinvestitionen gelten Investitionen zur Gründung von Zweigbetrieben oder zum Erwerb von bzw. zur Beteiligung (mindestens 10 %) an Unternehmen mit dem Ziel, Unternehmensaktivitäten, -strategien und -führung zu kontrollieren. Hiervon sind Portfolioinvestitionen zu unterscheiden, die nicht aus Gründen der Einflussnahme auf die Unternehmenskontrolle erfolgen, sondern mit dem Ziel kurzfristiger Gewinne durch Minderheitsbeteiligungen. ADI werden sowohl in Form der jährlichen Kapitalströme als auch der kumulierten Kapitalbestände in den jeweiligen Ländern erfasst (Cantwell und Mudambi 2005; Iammarino und McCann 2013; Cantwell 2016).
Der größte Teil der ADI entfällt auf die Übernahme oder Erweiterung bestehender Unternehmen durch sogenannte Brownfield-Investitionen. Nur ein relativ geringer Anteil wird für sogenannte Greenfield-Investitionen aufgewendet, also in den Aufbau neuer Unternehmen oder Zweigwerke in anderen Ländern investiert. Seit den 1990er-Jahren haben sich die Transaktionsvolumina grenzüberschreitender Fusions- und Akquisitionsprozesse (mergers & acquisitions) ständig erhöht, um nach einem Einbruch infolge der globalen Wirtschaftskrise 2001/2002 seit 2003 wieder bis zur Weltfinanzkrise 2007 anzuwachsen (→ Abb. 4.17).
Abb. 4.17 Internationale Fusions- und Akquisitionstransaktionen von Unternehmen in OECD-Staaten: a) ausgehende Investitionen, b) eingehende Investitionen, 1997 bis 2008 (nach OECD 2010)
Direktinvestitionen tendieren zur räumlichen Ballung (Schamp 2000 b, Kap. 3.5). Hirst und Thompson (1996, Kap. 4) untersuchten im Jahr 1987 für 500 und 1992/1993 für über 2000 multinationale Unternehmen aus mehreren Ländern die geographische Verteilung der Direktinvestitionen sowie ihrer Standorte. Trotz geringfügiger Abweichungen zeigte sich ein eindeutiger Trend im Investitionsverhalten der Unternehmen der großen Industrienationen USA, Großbritannien, Deutschland und Japan. Umsätze, ADI und Gewinne der Unternehmen waren in allen Ländern stark auf das Herkunftsland (home base) konzentriert. Die Konzentration der Geschäftstätigkeit auf die home base traf gleichermaßen auf Industrie- wie auf Dienstleistungsunternehmen zu. Trotz erschwerter Vergleichbarkeit der Datenbanken decken sich die Ergebnisse von 1987 weitgehend mit denen von 1992/1993. Ruigrok und van Tulder (1995, Kap. 7) untersuchten in einer Studie die 100 größten multinationalen Unternehmen und kamen dabei ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Unternehmen trotz zum Teil weltweiter Aktivitäten immer noch stark in Richtung ihres Stammlands orientiert waren. Hirst und Thompson (1996, Kap. 4) schlossen aus ihrer Analyse, dass die großen internationalen Konzerne aufgrund der Konzentration ihrer Aktivitäten auf das jeweilige Herkunftsland bzw. auf den kontinentalen Block eher als multinationale und nicht als transnationale Unternehmen verstanden werden sollten (→ Kap. 11.3). Weiter gelangen sie zu der Überzeugung, dass die Idee eines offenen globalen Markts ohne institutionelle und standörtliche Beschränkungen eine Illusion sei (Hirst und Thompson 1996, Kap. 3).
Kleinknecht und Wengel (1998) wiesen in ihren Studien für niederländische und britische Unternehmen Ende des 20. Jahrhunderts eine Stagnation von ADI nach. Frankreich und Deutschland verzeichnen zwar seit den 1980er-Jahren einen Zuwachs an ADI, dieser geht aber mit einer Verminderung des in die Entwicklungs- und Schwellenländer fließenden Anteils von ADI einher. Der räumliche Konzentrationsprozess von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland untermauert dieses Ergebnis (→ Tab. 4.2). Zwar wachsen ADI in absoluten Werten auch in nicht-europäischen Staaten, aber der Anteil dieser Länder an den gesamten ADI bleibt nahezu konstant. In den Entwicklungs- und Schwellenländern hat sich der Anteil deutscher ADI seit 1980 sogar halbiert. Im Sinne der eingangs erwähnten Globalisierungshypothese müssten demgegenüber gerade Niedrigkosten-Länder aufgrund von Kostenvorteilen attraktive Magneten für Investitionen zur Standortansiedlung sein. Weder die Entwicklung der Außenhandels- noch der Kapitalverflechtungen entspricht in dieser Periode jedoch der Globalisierungshypothese.
Tab. 4.2 Ausländische Direktinvestitionen (ADI) von deutschen Unternehmen nach Zielregionen 1979 bis 1993 (Kleinknecht und Wengel 1998, S. 643) | ||||
Jahr | Ausländische Direktinvestitionenin Mrd. DM | ADI-Anteil in EU-12-Länder | ADI-Anteil in andere Industrieländer | ADI-Anteil in Entwicklungs-/ Schwellenländer |
1979 | 69,5 | 39,6 % | 37,3 % | 23,2 % |
1981 | 101,2 | 36,0 % | 38,5 % | 23,3 % |
1987 | 150,9 | 40,8 % | 46,3 % | 12,9 % |
1989 | 205,6 | 43,7 % | 45,2 % | 11,1 % |
1991 | 262,7 | 51,0 % | 38,3 % | 10,7 % |
1993 | 319,4 | 48,0 % | 39,5 % | 12,6 % |