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vor ihrer Haustür. So richtig Herbst war heute noch nicht, aber die Sonne ist weg, es fröstelt die Selma, auch bei dem Gedanken, dass da ein Bert nicht abzuschütteln ist. Aber andererseits: Sie ist immer als willensstark bezeichnet worden, manchmal sogar beschimpft, wenn sie ihren Dickschädel durchgesetzt hat. Sie wird sich zu wehren wissen.

Er soll jetzt nicht, weil er mit ins Zimmer kommt, glauben, dass sie so eine ist, aber sie sieht keine andere Lösung, und bis morgen da heraußen herumstehen – nicht mit ihr, sagt sie, und da sind sich Selma und Bert zum ersten Mal einig.

Zum Glück wohnt die Selma allein. So eine Dreier-WG, wo nur zwei zu sehen sind, das wäre nichts. Leider aber räumt keiner auf außer ihr. Und heute schaut´s ein bisserl sehr aus. Sie merkt es auf den ersten Blick. Bert dagegen fällt gar nichts auf, hübsch hat sie´s hier. Selma dreht sich um, greift hinter sich, der Slip vom Vortag, ein BH, na danke, kann Selma rot werden.

Bert ist schon auch ein wenig schüchtern, er ist auch zu aufgeregt, um ihr zu sagen, dass sie ganz beruhigt sein kann. Er würde sogar lügen und sagen, dass er eine Schwester hat. Zumindest schaut er weg, das geht, wenn er will.

Na also, Schuhe aus, Jacke weg, da ist ein Haken, also auf den Haken. Da ist aber auch ein Spiegel, und im ersten Moment sieht Selma eine Fremde oder einen Fremden, so genau lässt sich das gar nicht sagen. Je länger sie hinschaut, desto mehr Unterschiede fallen ihr auf, und dem Bert geht´s gar nicht anders. So schaut´s aus, sagt er und schüttelt ihren Kopf, das ist Mehrzahl, den gemeinsamen Kopf, ihren und seinen, heißt ihren.

Und weil die Situation gar so außergewöhnlich ist, sind auch die Tränen, die über ihre Wangen rollen, bestimmt vermischt. Bert schnieft, Selma wischt. Die Töne sind seine. Das Taschentuch stammt von ihr, aus dem Koffer. Es riecht angenehm.

Was sollen wir tun?

Ruhe bewahren, denke ich. Da muss ein Irrtum vorliegen. Kann gar nicht anders sein.

Irrtum? Von wem?

Ich glaub, der Professor trickst. Sonst hätte er nicht ein Foto von mir projiziert.

Von dir? Von mir wohl. Ich war das da links.

Und ich daneben, rechts.

Was, wirklich? Ich war so beschäftigt mit mir…

Ich hab mich auch nur über mich gewundert. Wie komm ich in eine Vorlesung.

Da Selma Gastgeberin ist, zwar unfreiwillig, fragt sie, ob Bert Hunger hat. Der ist ihm aber vergangen. Wasser reicht, das ist ihr recht. Denn die Salami für die Woche ist rationiert, und heute ist erst Dienstag.

Zwei Gläser oder eins? Zwei, aber hintereinander. Das ist jetzt zum Lachen, und sie lachen, fast zweistimmig.

Schade, dass man sich nicht anschauen kann, denkt Selma, zumindest nicht ohne Spiegel. Aber in den Spiegel hineinreden, wär doch zu blöd. So bekommt die weitere Unterhaltung etwas Informatives, wie gutes Radio. Woher sie stammen, welche Schule sie absolviert haben, welche Ziele, welche Vorlieben, Musik (da wird der Bertl munter) und Bücher (da lebt die Selma auf).


Doppelsolo

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