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Nichts ist unmöglich

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in unserer Zeit. Das hören wir jeden Tag, aber in der unglaublich positiven Form: Alles ist möglich. Und so sind die zwei, der Bert und die Selma zusammengekommen, ob sie wollen oder nicht. Na, fürs Erste wollen sie natürlich nicht, zumindest nicht so. Darum geht der Wortwechsel noch einige Zeit hin und her, hilft aber nicht. Na ja, ein bissel vielleicht schon, denn sie müssen doch erkennen, dass sie so aneinander gekettet sind, ineinander verwickelt, miteinander verklebt, in eins, aber uneins, noch lang nicht einig, aber was soll´s.

Da fällt der Selma wieder ein, was sie eigentlich vorgehabt hat, die Uni, die Vorlesung, und jetzt geht´s bestimmt nicht mehr ohne den großen Auftritt, über den Laufsteg, und bestimmt ist nur in der ersten Reihe ein Platz frei, und hundertfünfzig Streber oder Streberinnen, die alle pünktlich gekommen sind, genießen ihren Spießrutenlauf und den verächtlichen Blick des Professors. (Oder soll es doch StreberInnen heißen? He, hallo, das Binnen-I hat auf einmal für Selma eine völlig neue Bedeutung. Ist das I jetzt sie oder ist er sie und sie ihr Binnen-I? Verrückt.)

Sie muss los, das funktioniert aber nicht, weil der in ihr schon mitmachen muss. Das heißt, mit Ignorieren oder mit Widerstand geht da gar nichts, sie muss sich einigen. Zum Glück hat der eh nichts Entscheidendes vorgehabt, und vielleicht geht´s zu zweit schneller.

Na also, nichts ist mehr wert als eine gute Einteilung. Sie sagt es ja immer wieder, mit Plan fängt alles an. Aber wie wird die Geschichte enden. Welchen Plan hat sie hier zu erfüllen? Und welches Chaos hat diesen Plan geboren.

Sie kommen und kommt natürlich nicht mehr rechtzeitig in den Vorlesungssaal, der offen ist, denn zum Glück ist Pause. Oder es hat noch gar nicht richtig begonnen. So ist das mit Schule. Oder halt Uni. Leute strömen heraus. Locker, lässige Typen, die wissen, was sie sich wert sind und wer sie sind. Nur nicht zusammenstoßen, denkt sie noch, das könnte sie jetzt gar nicht brauchen.

Na siehst du. Wozu die Hetzerei. Bin ganz schön ins Schwitzen gekommen. Hab ich einen Durst.

Keinen Schritt geh ich da jetzt weg.

War ja nur ein Vorschlag. Ich könnt was zu trinken holen für dich.

Sehr witzig. Wo ist da der Unterschied.

Die Selma schaut sich um und hofft, dass sie was aufschnappen kann, was gerade los ist, wie es weitergeht.

Schöne Geschichte, was?, sagt da einer, der sie schon länger gemustert und der beschlossen hat, dass sie in sein Schema passt. Sie reagiert zuerst gar nicht, weil sie glaubt, die Stimme kommt von ihr selber, von dem Binnenmenschen, den sie mit sich herumschleppt. Dann aber wird ihr klar, dass außerhalb von ihr auch Leben existiert, und sie starrt ihn ein bisschen zu lange an, oder lang genug für ihn, dass der Kerl nicht mehr aufgibt. Was sie zu der Vorlesung sagt, will er wissen, und zu der Begründung für die Unterbrechung, und er treibt es so weit, dass sie zugeben muss, erst jetzt gekommen zu sein. Ah!, stößt er genießerisch aus, als hätte er sie ertappt. Er kennt die Tricks, sie jetzt von seinem Informationsvorsprung abhängig zu machen. Und zum Glück ist auch noch ein Platz neben ihm frei, sind nur mehr wenige, denn der Professor ist begehrt und bekannt, vor allem für seine Auftritte. Immer mit Überraschungen.

Selma hat keine Ahnung, worauf sie sich mit ihrer Studienwahl und ihrem Studienplan eingelassen hat. Kunstgeschichte ist ein weites Feld, und bevor sie sich Niederbayrisches Kleinbarock gibt, hat sie gedacht, wählt sie Ästhetik der Magie – Magie der Ästhetik, egal ob das was für Anfängerinnen wie sie wäre. Ästhetisch interessiert war sie schon immer, Mode und so, und sie schaut ja auch ganz appetitlich aus. Das ist aber schon eine oberflächliche Übersetzung für Ästhetik, für die Lehre vom Schönen nämlich. Die kann ja auch das Hässliche mit einschließen, hat sie gelesen, drum bleibt sie lieber an der Oberfläche, weil in ihr drinnen da geht es gerade ziemlich hässlich zu. Das was da ist, möchte sich nämlich bemerkbar machen, die Stimme oder was da sonst noch alles in ihr rumort. Sie nickt zwar immer wieder dem Sprecher neben ihr zu, kriegt aber kaum was mit. Weil sie ganz schön presst und ihren Kessel unter Druck hält. Und der, der neben ihr sitzt, er ist bestimmt ein paar Jahre älter als sie, er wundert sich schon, dass sie so angespannt ist, auf der Uni ist es ja doch anders als in der Schule, da können selbst die Mädchen lockerer werden.

Der hat keine Ahnung, der Mensch. Aber zur Sicherheit und Ablenkung lächelt Selma ein bisschen. Na also. Ich heiß übrigens Selma, sagt sie. Selma? Schön! Passt in die Vorlesung, ist ganz schön ästhetisch. Zergeht fast im Mund.

So.

Auf dem Weg von hinten nach vorn.

Was?

Na stimmhaftes S-, erklärt er, Zunge auf vorderen Gaumen, und er summt für sie ihr Bienen-S, dann –e-: den Mund leicht öffnen, das –l-: Zunge an die Zähne, weiter –m-: Lippen schließen und wieder öffnen zum offensten –a-, ganz vorne…

Bist du Zahnarzt?, fragt sie und der Student fragt irritiert: Wieso? – Sollte ein Scherz sein. Weil du meinen Namen zerkaust, denkt sie noch. Bert muss kichern, aber ziemlich tief in ihr drin. Er hat sich bis jetzt zurückgehalten.


Doppelsolo

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