Читать книгу Doppelsolo - Harald Gordon - Страница 11
So vergeht die Zeit,
Оглавлениеund Selma holt Wasser nach, und dem Bert fällt ein, dass er kurz vor dem Clash&Crash, na wie sie ineinander oder aufeinander gekracht sind oder irgendwie verschmolzen halt, ein Weckerl gekauft hat, das müsst sich ja finden lassen, und da kauen sie dann Stück für Stück darauf herum, ganz süß wird die Pampe, da staunst, und insgesamt werden sie müder, weil der Tag schon aufregend gewesen ist, und schweigsamer, jeder mehr mit sich beschäftigt und mit dem, was da noch kommt.
Und dann steht die Selma auf, ziemlich gedankenverloren, gähnt, streckt sich ein bisschen. Zeit fürs Bad, denkt sie sich und denkt sich nichts dabei, schlüpft aus dem Leiberl, wie immer am Abend, lässt es fallen, öffnet den Jeansknopf noch im Gehen, schiebt die engen Röhren nach unten, steigt heraus, greift nach dem Lichtschalter, öffnet auf dem Weg noch den BH-Verschluss, das Licht geht an, sie schaut in den Spiegel, sieht ihre müden Gesichtszüge, aber ganz wache Augen, die noch ein bisschen größer werden, das passt nicht wirklich zusammen. Und dann wird ihr klar, was sie da tut und was nicht stimmt. Zuerst fällt sie in Schreckstarre, dann reißt sie schützend die Hände hoch, vor die Brust. Dann merkt sie erst, dass das nicht die sinnvollste Handbewegung ist.
Hände weg!, schreit sie. Sofort! Und dem Bert, der sowas auch noch nicht erlebt hat und der auch erst aus Erfahrung klüger werden muss, zuckt es in den Fingern, er will die Hände weg, aber dort war er ja schon vorher. Daher fragt er zur Sicherheit: Bist du dir ganz sicher?
Na sicher ist jetzt gar nichts mehr, weil sie sich noch nie so nackt und bloß gefühlt hat, drum stürmt die Selma hinaus, verkriecht sich im hintersten und finstersten Winkel ihrer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung und brüllt einmal los, schreit alles raus aus sich, dass selbst der Bert nicht bleiben würde, wenn er wüsste wohin und vor allem wie. Und auch die Tränen, in die Selmas Schluchzen mündet, sind ihm nicht gleichgültig. Aber er hält sich zurück. Jetzt nur nicht auffallen.
Es dauert einige Zeit, bis das Schluchzen leiser wird, die Atemzüge weniger heftig und seltener, nur da und dort ein Nachbeben, das durch den Körper rollt. Er würde ihr gern voll Trost seine Hand auf die Schulter legen, sie sanft klopfen, wie der große Bruder, denkt sich aber alles nur, und trotzdem kommt ihm vor, das hilft. Selma beruhigt sich. Mit Nachdenken geht vielleicht was.
Lass mich!
Ich mach ja nix.
Doch!
Was denn?
Deine Hand auf meiner Schulter.
Das spürst du?
Warum nicht?
Weil ich mir das nur denk. Ich tät dich gern beruhigen.
Danke. Aber dafür gibt´s nur einen Weg.
Kann ich mir schon denken.
Na vielleicht hilft denken da auch.
Ich will ja, aber irgendwas ist stärker.
Und was? Die Fantasie, die schmutzige Fantasie? Ein Zauber? Oder die Hormone?
Da kenn ich meine Hormone viel zu wenig. Und außerdem bist du in mich hineingerannt.
Was kann ich dafür, dass ich es eiliger gehabt hab.
War aber gar nicht notwendig, wie du gesehen hast.
Notwendig, notwendig. Was geschieht jetzt? Das ist notwendig.
Nichts geschieht. Es ist, wie es ist. Ihnen bleibt wohl im Moment nichts, als den Zustand hinzunehmen. Der Bert verspricht ja, dass er wegschaut und sich wegdenkt. Und wie ist es umgekehrt? Da fällt der Selma erst ein, dass sie ja auch einen Kopf zum Denken hat und Augen zum Schauen, und vielleicht sieht sie was, das der Bert auch nicht herzeigen will, auch wenn sie nicht mehr wildfremd sind. Wildbekannt vielleicht, aber Abstand ist besser. Das versteht sie. Gut, Waffenstillstand. Schaupause.