Читать книгу Doppelsolo - Harald Gordon - Страница 8

der Hörsaal füllt sich, die Sitzbänke sind rasch belegt. Eine Assistentin wartet noch, bis die letzte Stecknadel gefallen ist, Ruhe muss sein, dann dimmt sie das Licht, und ob da Musik war oder nicht, das könnte die Selma später nicht mehr sagen, so fasziniert hat sie auf die Beamer-Projektion geschaut und dabei gar nicht bemerkt, wie sich der Professor hereingezaubert oder hereingeschwindelt hat, er war dann auf einmal da, wie selbstverständlich, und anderen ist es bestimmt auch so ergangen, dass sie überrascht waren, so hat sie das Raunen verstanden, das wie eine Welle durch den Saal gegangen ist. Aber viel mehr war sie von der Figur verblüfft, von der weiblichen Gestalt, die andere hat sie nicht gekannt oder nicht richtig wahrgenommen, aber die junge Frau auf dem Bild da, mit einem traumhaft schönen und mindestens so teuren Kleid – die war sie selber.

Wie ist das möglich? Ganz bleich klammert sie sich ans Pult, grad so, als wollte sie verhindern, dass sie drüber steigt. Und ihr neuer Bekannter da neben ihr, der…wie heißt er eigentlich, der schaut zu ihr her und wieder auf die Leinwand und klopft sich auf den Schenkel und gratuliert sich.

Sag, bist das du?, fragt er unnötig. Sie schaut dir zumindest ähnlich. Oder gehörst du zu dem Trick? Der Professor Drexler hat sich wieder was einfallen lassen. Und du hast dich unter die Studenten geschlichen. Ich hab mir gleich gedacht, dass du was Besonderes bist.

Wenn der wüsste. Am liebsten würdest du aufstehen und raus, aber da müsstest du an mindestens zehn Leuten vorbeirutschen, und erst recht würden alle herschauen, die meisten müssten sich umdrehen, und die Publicity kannst du jetzt gar nicht brauchen. Drum ruhig bleiben, abwarten.

Was da am Podium noch passiert und hauptsächlich geredet wird, das kriegt die Selma nicht mehr mit, ein paar Termine notiert sie sich schon, aber ob sie die noch einhalten wird, ist sowas von ungewiss. Bei ihr zählt nur mehr das Ende. Aus. Und raus aus dem Hörsaal. Und auch der, der da in ihr steckt, sie hat ihn immer wieder gespürt, da war einiges, das ihm nicht gepasst hat. Nein, leider keine Einbildung, kein Hirngespinst, nur unerklärlich.

Eigentlich wär sie jetzt lieber mit dem Bus heimgefahren, aber irgendwas war stärker in ihr, und so geht sie zu Fuß, für zwei.