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Am Dienstag nach Ostern saß Herr Rathge bei Wilma im Kellerbüro. So schnell hatte sie nicht erwartet, einen Besuchstermin mit dem Spökenkieker zu ergattern. ›Da hat Oma wohl arg gedrängelt.‹

Beim Telefonat hatte er sie mehrfach unterbrochen, wenn sie ihm erklären wollte, wobei er ihr helfen solle: »Telefonisch vereinbare ich nur Termine. Um was es geht, bespreche ich nur persönlich bei Ihnen.«

Das klang für Wilma nach Kundenabwehr. Deshalb war vermutlich auch das kurzfristige Treffen möglich. So würde sie künftig neue Mandantenanfragen abwenden. Ihr Einpersonenanwaltsbüro war fast nur für die Firma und Familie tätig, wenn sie die Fälle interessierten. Das erinnerte sie, die Honorarfrage zu klären.

Er lächelte: »Das eilt nicht. Geben Sie mir nur soviel Bargeld, wie es Ihnen wert ist, aber bitte nur, wenn Sie zufrieden sind. Für meine Dienste gibt es weder eine Gebührenordnung noch Stundensätze. Ich schicke keine Rechnungen.«

Herr Rathges etwas zu langes, grauweißes Haar passte zu seinem zerknitterten Gesicht. Der Blick seiner dunklen, fast schwarzen Augen empfand Wilma als stechend. Selten hatte sie sich von jemand so scharf beobachtet gefühlt. Sie wertete das als aufmerksames Zuhören bei der Schilderung ihrer Enttäuschungen mit Männern. »Fast alle waren nur an meinem Vermögen interessiert oder spielten den Großkotz und verprassten Geld, das sie nicht verdient hatten, was in meiner Familie besonders verachtet wird. Wenn nicht, waren sie zu blöd, untreu, unpünktlich, oder geizig.«

Er unterbrach sie nicht mit Zwischenfragen und fasste mit leiser Stimme zusammen: »Viel Pech trotz Ihres blendend guten Aussehens und mehr als auskömmlichen finanziellen Situation. Glück in der Liebe lässt sich nicht erzwingen. Aber Glück mag hartnäckige Menschen.«

»Wie sollte ich hartnäckiger sein? Was raten Sie mir?«

Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Der untere Rahmen lag nur 30 Zentimeter über dem Rasen des schmalen Vorgartens. »Wohnen Sie in der Etage über uns?«

»Ja, im 1. Stock, im 2. Oma, im 3. meine Eltern, wenn sie in Hamburg sind. Hier im Keller gibt es noch die Wohnung für das Hausmeisterehepaar, die Tiefgarage und Heizung sowie kleine Abstellräume.«

»Können Sie aus Ihrer Wohnung die Parkbänke am Alsterufer beobachten?«

Wilma nickte: »Vor allem aber auch die Sonnenuntergänge. Die Ausrichtung ist perfekt. Die Sonne scheint auf die Terrasse von morgens bis abends.«

»Nicht zu vergessen die Aussicht auf die Alster und die Stadtsilhouette mit den Kirchtürmen.«

Wilma schnaubte: »Das Schicksal hält vermutlich damit meinen Glücksanspruch für erfüllt.«

Herr Rathge setzte sich wieder, schloss die Augen und atmete tief. Nach einer gefühlten Ewigkeit flüsterte er: »Ich rate Ihnen, besorgen Sie sich ein billiges Schlüsseletui mit einem Schlüssel. Schreiben Sie Ihre Handynummer in die Hülle und legen Sie sie auf eine der Bänke, die Sie beobachten können.«

Wilma schüttelte den Kopf: »Und dann warte ich, bis mein Traummann anruft? Bei allem Respekt, es fällt mir schwer, das zu glauben.«

»Das sollten Sie aber. Wer nicht an seinen Köder glaubt, fängt auch nichts.«

»Was soll ich machen, wenn jemand anruft?«

»Wenn Ihnen sein Aussehen aus der Ferne und seine Stimme am Telefon gefallen, treffen Sie sich mit ihm in einem nahe gelegenen Café und bedanken sich. Alles Weitere wird sich dann ergeben.« Er legte wieder beide Hände auf die Oberarme und rieb sie auf dem grauen Sakkostoff, als ob er fror und sich wärmen wollte. Dieses Schaudern war Wilma schon anfangs aufgefallen. Dabei war es draußen mild und das Fenster geschlossen. Der Frostködel zappelte auf seinem Stuhl. Ihr schien, dass er aufbrechen wollte.

»Was soll ich machen, wenn mir der Anrufer nicht gefällt, oder eine Frau ist?«

»Flitzen Sie kurz hin und bedanken sich mit einer Tafel Schokolade oder einem Osterei, falls noch vorhanden. Dann legen Sie den Schlüssel wieder so hin, als ob er Ihnen aus der Tasche gerutscht ist.«

»Meine Handynummer möchte ich aber nicht öffentlich auslegen.«

»Müssen Sie ja auch nicht. Nehmen Sie die Nummer eines ausrangierten Handys und richten Sie automatische Rufumleitung ein.«

»Coole Idee! Wielange wird es dauern, bis ich den Richtigen treffe?«

»Die Zukunft kennt keiner. Aber seien Sie heute schon mal ohne Grund glücklich.«

»Müssen Sie das Schlüsseltäschchen noch mit Weihwasser bespritzen?«

Herr Rathge stand auf und schüttelte den Kopf: »Nur wenn Sie strengkatholisch sind und daran glauben.«

Nur reich, reicht nicht

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