Читать книгу BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil - Harm Peter Westermann - Страница 248

1. Grundgedanke

Оглавление

364

Manche schuldrechtlichen Pflichten, wie beispielsweise die Kaufpreiszahlungspflicht (§ 433 Abs. 2) und die Pflicht zur Übergabe und Übereignung der Sache (§ 433 Abs. 1 S. 1) stehen in einer besonders engen Verbindung zueinander: Die eine Leistung wird gerade als Gegenleistung für die andere erbracht („do ut des“[34]). Keine der Parteien soll solche Pflichten erfüllen müssen, ohne zugleich ihrerseits Erfüllung verlangen zu können. Derart eng verbundene Pflichten heißen auch gegenseitige oder synallagmatische Pflichten. Synallagma bedeutete im Griechischen eigentlich Tausch oder Handel. Mit Synallagma meint man heute den gegenseitigen Vertrag. Für synallagmatische Pflichten sehen die §§ 320 und 322 ein besonderes Zurückbehaltungsrecht vor, das das allgemeine Zurückbehaltungsrecht aus § 273 verdrängt.[35] Dieses Zurückbehaltungsrecht heißt schon in der amtlichen Überschrift des § 320 „Einrede des nicht erfüllten Vertrags“. Es bewirkt, dass bei synallagmatischen Pflichten die Leistung lediglich Zug um Zug gegen Erbringung der eigenen Gegenleistung verlangt werden kann (§ 322). Die Norm dient einerseits der Sicherung der Gegenforderung und teilt mit § 273 die Durchsetzungsfunktion. Andererseits hat sie eine wichtige Druckfunktion: Indem der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend macht, kann er Druck auf den Gläubiger ausüben, seinerseits zu erfüllen.[36]

365

Diese Funktionen zeigen sich in Fall 33: M ist aufgrund der Mängel nicht bereit, die volle Miete zu entrichten. Normaler Weise mindert sich der Mietzins gem. § 536 Abs. 1 S. 1, 2 bei Vorliegen eines Mangels automatisch um einen in Ansehung des Mangels angemessenen Betrag, ohne dass es dafür einer Erklärung der Mieterin bedarf. Die Ermittlung der korrekten Höhe ist oft schwierig, da weder die Mieterin, noch die Vermieterin benachteiligt werden soll. Damit M aber auch vor einer endgültigen, im Zweifel gerichtlichen Klärung der Summe nicht schutzlos dasteht, gewährt ihr der BGH neben der ipso iure-Minderung ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320.[37] Ihre Rechtsposition soll auf diesem Wege gesichert werden, zusätzlich wird V dazu angehalten, auf eine Beseitigung des Mangels hinzuwirken. Jüngst haben die Richterinnen jedoch zu Recht betont, dass auch § 320 nicht dazu führen darf, dass Mieter auf Dauer mietfrei wohnen können; daher ist das Recht zur Zurückbehaltung zeitlich und höhenmäßig begrenzt.[38]

366

Die besonders enge Verbindung zeigt sich bei den drei zentralen Unterschieden, die §§ 320, 322 gegenüber § 273 aufweisen: Zunächst kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Das ergibt sich daraus, dass § 273 Abs. 3 gem. § 320 Abs. 1 S. 3 keine Anwendung findet. Zweitens findet sich in § 320 Abs. 2 eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben für den Fall der Teilleistung. Und drittens werden der Schuldnerverzug und auch das Erfordernis einer „durchsetzbaren“ Leistungspflicht bei Anwendung von § 323 und § 281 schon dann verhindert, wenn lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 vorliegen – also auch dann, wenn der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gar nicht geltend macht.[39] Tatbestandlich ist für § 320 das Gegenseitigkeitsverhältnis der jeweiligen Pflichten prägend. Dieses Erfordernis tritt funktionell an die Stelle der Konnexität, die § 273 verlangt.

367

Da § 320 mit dem Gegenseitigkeitsverhältnis eine stärkere Verbindung als § 273 erfordert, ist § 320 gegenüber § 273 lex specialis: Bei Ansprüchen im Gegenseitigkeitsverhältnis findet nur § 320 Anwendung, ein Rückgriff auf § 273 ist ausgeschlossen. Praktisch besteht freilich auch kein Bedürfnis dafür, dass beide Normen parallel zur Anwendung kämen. Nicht § 273, sondern § 320 gibt dem Mieter ein Recht, die Zahlung des Mietzinses zu verweigern, wenn der Vermieter die Mietsache nicht überlässt (Ansprüche im Gegenseitigkeitsverhältnis). § 273 ist dagegen einschlägig, wenn der Vermieter die Mietkaution nicht ordnungsgemäß anlegt. Denn die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anlage der Mietkaution aus § 551 Abs. 3 steht zur Mietzinszahlungspflicht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis, sodass § 320 nicht anwendbar ist.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

Подняться наверх