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2. Unbeschränkte Vermögenshaftung des Schuldners als Regelfall

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Im Grundsatz gilt: Wer schuldet, haftet mit seinem gesamten Vermögen (Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung). Das ist insofern human, als der Schuldner nicht mit seiner Person haftet: Zumindest wird er nicht versklavt oder getötet, wenn er nicht leistet. Das war nicht immer so. Aber auch heute noch muss der Schuldner dulden, dass der Gläubiger seinen Anspruch zwangsweise durchsetzt. Allerdings darf der Gläubiger grundsätzlich nicht selbst Zwang anwenden, sondern muss sich der Hilfe staatlicher Organe bedienen. Darin zeigt sich das Gewaltmonopol des Staates, das eine zentrale rechtsstaatliche Errungenschaft ist. Wenn ich beispielsweise ein Fahrrad kaufe, schulde ich dem Verkäufer Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2). Leiste ich nicht, kann sich der Verkäufer im Wege der Leistungsklage ein Urteil gegen mich beschaffen. Dabei wird das Urteil im Tenor aussprechen, dass ich dazu verurteilt werde, den Kaufpreis an den Verkäufer zu zahlen und dass das Urteil (vorläufig) vollstreckbar ist. Wenn ich immer noch nicht zahle, kann der Käufer mit Hilfe des Urteils die Zwangsvollstreckung in mein Vermögen betreiben. Er kann beispielsweise Gegenstände pfänden lassen, die in meinem Gewahrsam sind (§ 808 ZPO), sie versteigern lassen (§ 814 ZPO) und den Erlös zu seiner Befriedigung verwenden.

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In der Zwangsvollstreckung zeigt sich besonders deutlich: Das Privatrecht ist strukturell in gleicher Weise vom Wirken öffentlicher (staatlicher) Gewalt geprägt wie das öffentliche Recht.[47] Die Zwangsvollstreckung, in der staatliche Organe mit Gewalt die Erfüllung schuldrechtlicher Pflichten durchsetzen, prägt auch das Schuldrecht elementar. Wenn es zur Zwangsvollstreckung kommt, liegt das offen zu Tage – man sieht und spürt, wenn der Gerichtsvollzieher einem das Fahrrad wegnimmt. Aber auch wenn es gar nicht erst zur Zwangsvollstreckung kommt, weil der Schuldner ohnehin leistet, spielt die staatliche Gewalt eine entscheidende Rolle für das Verhalten von Schuldner und Gläubiger: Beide wissen um die Möglichkeit, dass Ansprüche gegebenenfalls zwangsweise durchsetzbar sind. Gerade um das zu vermeiden, werden Ansprüche häufig erfüllt. Ohne die Möglichkeit zwangsweiser Durchsetzung wären das Vertrauen und die Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs gefährdet. Zugleich prägt die staatliche Vollstreckungsgewalt entscheidend die durch Verträge und auf Märkten permanent erfolgende Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Vermögens.[48]

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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