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4. Eigenmächtige Durchsetzung der Haftung in Ausnahmefällen

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Wie soeben erörtert[50] ist der Staat für die Ausübung der Gewalt zuständig, die zur Durchsetzung der Haftung erforderlich ist (staatliches Gewaltmonopol). In Ausnahmefällen gestattet das Gesetz dem Gläubiger aber, Ansprüche eigenmächtig durchzusetzen. Das wichtigste Beispiel ist die Selbsthilfe (§§ 229-231). Danach ist die eigenmächtige Durchsetzung von Forderungen in engen Grenzen zulässig. Wenn A seine wertvolle Uhr an B verkauft hat und im Kieler Hafen kurz vor der Ausfahrt auf einem Segelboot steht und B gegenüber freudig ankündigt, sich jetzt sofort mit der Uhr per Segelboot auf eine einsame Insel abzusetzen, kann B die Uhr eventuell gem. § 229 an sich nehmen. Die Grenzen sind aber eng: Staatliche Hilfe darf nicht rechtzeitig zu erlangen sein und die Durchsetzung des Anspruchs muss ohne die eigenmächtige Durchsetzung zumindest wesentlich erschwert werden können (vgl § 229). Auch darf die Selbsthilfe nicht weitergehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist (§ 230 Abs. 1). Die Selbsthilfe soll den jeweiligen Anspruch außerdem nur vorläufig sichern: B muss sofort nach der Selbsthilfehandlung staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, also die Zwangsvollstreckung erwirken oder den dinglichen Arrest (eine Sicherungsmaßnahme) beantragen (§ 230 Abs. 2). Wenn der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt wird, muss B die Uhr sofort zurückgeben (§ 230 Abs. 4). Auch erfolgt die Selbsthilfe insoweit auf eigenes Risiko des Handelnden, als nach § 231 Schadensersatz zu leisten ist, wenn die Selbsthilfe rechtswidrig war – selbst, wenn ein unvermeidbarer Irrtum des Handelnden vorlag.

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Eine elegante Möglichkeit zur eigenmächtigen Durchsetzung von Ansprüchen bietet die Aufrechnung (§ 387). Sie erlaubt es, eine (fällige) Forderung schlicht durch die Erklärung der Aufrechnung durchzusetzen (Durchsetzungsfunktion der Aufrechnung).[51] Dazu muss freilich eine Aufrechnungslage bestehen (§ 387): Man kann eine Forderung nur durch Aufrechnung zum Erlöschen bringen (vgl § 389), wenn der Forderung eine gleichartige Forderung erfüllbar gegenübersteht. Das staatliche Gewaltmonopol wird durch die Aufrechnung nicht gefährdet: Sie erfolgt ja ohne den Einsatz von Gewalt oder Zwang. Wenn der Aufrechnungsgegner sich gegen die Aufrechnung wehren möchte, kann er staatliche Hilfe bei der Durchsetzung seiner Forderung beanspruchen. Dazu muss er lediglich Leistungsklage erheben und sich dabei gegen das Erlöschen seiner Forderung durch die Aufrechnung wenden.

Teil I Grundlagen§ 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen › IV. Naturalobligationen

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