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1. Allgemeine Charakteristiken

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Wenn Kontrahierungszwänge eingreifen, sind die Parteien durch Gesetz dazu verpflichtet, einen Vertrag zu schließen (Einschränkung der Abschlussfreiheit).[9] Auch der Inhalt der jeweiligen Verträge ist häufig weitgehend durch das Gesetz vorgegeben (Einschränkung der Inhaltsfreiheit). Kontrahierungszwänge dienen oft dem Schutz Schwächerer und ermöglichen in Teilbereichen deren materielle Freiheit. So ermöglicht etwa das Basiskonto nach den §§ 31 ff ZKG auch Obdachlosen, ein Girokonto zu erhalten und so am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Oft geht es bei Kontrahierungszwängen um Allgemeinwohlbelange: Sie sichern beispielsweise allen Menschen Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen (wie Wasser oder Energie).

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Kontrahierungszwänge kann man aus einem eher formalen Verständnis der Vertragsfreiheit heraus[10] als Eingriff in die Vertragsfreiheit charakterisieren.[11] Kontrahierungszwänge beschneiden das formale Ablehnungsrecht der verpflichteten Partei und schränken insofern deren Freiheitssphäre ein. Insoweit kann man auch davon sprechen, dass Kontrahierungszwänge die Vertragsfreiheit aufheben. Auf der anderen Seite erweitern Kontrahierungszwänge die rechtlichen Befugnisse der begünstigten Partei und fördern insoweit deren materiell verstandene Freiheit. Insoweit verwirklichen sie materielle Selbstbestimmung: Ohne die Möglichkeit, Verträge über die Versorgung mit Wasser oder Energie abzuschließen, wäre die formale Freiheit, ein Haus zu kaufen, wenig hilfreich. Kontrahierungszwänge sind ein besonders deutlicher Ausdruck der Verteilungsgerechtigkeit im Vertragsrecht.[12] Denn sie berücksichtigen vertragsfremde Aspekte und lassen sich normativ nur mit Blick auf die ökonomischen und sozialen Kontexte erklären.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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