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2010

Sonntag 8. August

Es wird ihr bewusst, dass diese zweistündige Autofahrt zum Moi International Airport die ersten zwei Stunden seit Monaten sind, in denen sie nichts tun muss. Nichts planen, nichts antizipieren, nichts regeln. Nichts, was sie in diesem Augenblick ändern könnte, nichts was sie ändern müsste. Sie darf sich auf dem Rücksitz von Stanleys Taxi zurücklehnen. Sie darf entspannen. Aber sie kann es nicht.

Wird Farrah mir am Flughafen noch einen Stolperstein vor die Füße werfen? Wird es noch böse Überraschungen geben? Wird er mir am Flughafen mit Polizei aufwarten? Wird er wieder versuchen mich arrestieren zu lassen, mich hindern, dieses Land zu verlassen?

Es wird doch nicht so sein, dass jetzt, im allerletzten Augenblick, noch etwas passiert.

Es wird doch nicht so sein … .

*

Harriette sitzt verkrampft in ihrem Sitz und starrt vor sich hin. Stirnrunzeln. Fußwippen. Beide Hände umklammern die Armlehnen ihres Sitzes. Sie schaut auf die Uhr. Wird sich dieses Flugzeug wirklich in einigen Minuten auf die Startbahn begeben und sie von hier wegbringen? Wird dieses Flugzeug wirklich diesen Boden verlassen? Darf sie es glauben, dass es vorbei ist, ihr kenianisches Drama?

Die Maschine ist bis auf den letzten Sitz belegt. Stewardessen in den Gängen kontrollieren, ob Passagiere angeschnallt, Rückenlehnen nach vorne und Tische nach oben geklappt sind.

Das Geräusch der Turbinen gibt Harriette ein Gefühl von Sicherheit. Aber noch steht die Maschine. Es wird ein Film zum Verhalten bei Notfällen gezeigt, er interessiert sie nicht, zu viele Notfälle liegen hinter ihr.

Und dann, diese kleine kurze Ruckbewegung, die die Maschine langsam rückwärts bewegt. Das Flugzeug dreht sich und rollt gemächlich zur Startbahn.

Sie hat einen Fensterplatz und schaut hinaus. Rote Ziegeldächer des Daniel Arap Moi Flughafengebäudes ziehen im Zeitlupentempo an ihr vorbei. Am Horizont eine lange Reihe von Palmen, die sich leise im Wind wiegen und Harriette daran erinnern, dass sie sie damals auch sah - vor vierzehn Jahren - als sie zum ersten Mal dieses Land besuchte. Ja, das war am Beginn ihres afrikanischen Traums - ein Traum - ein Alptraum. Die Maschine wartet auf das Signal für ‘Take-Off’.

Erlösendes Aufheulen von Motoren. Harriette spürt, wie die Maschine mit steigendem Tempo über die Startbahn rollt und sie gegen ihre Rückenlehne gedrückt wird. Immer schneller ziehen die Palmen an ihr vorüber und dann, endlich, steigt sie auf. Harriette hat kenianischen Boden verlassen. Sie schaut hinunter und sieht Mombasa unter sich verschwinden, diese Stadt, die sie nie in ihr Herz hat schließen können. Sie sieht den Indischen Ozean in seinen schönsten Farben, ein unvergessliches Farbspiel aus Türkis, Dunkelgrün und Nachtblau - unterbrochen von vanillegelben Sandbänken. Wie schön dieses Land doch ist! Und jetzt kann sie sie nicht mehr zurückhalten, Tränen strömen über ihr Gesicht. Tränen der Erleichterung, Tränen der Trauer. Sie verlässt dieses Land, dieses Land, in dem sie anfangs so glücklich war. Dieses Land, so wunderschön - so grausam.

Sie erkennt, das war’s! Sie hat ihren afrikanischen Traum nicht so leben können, wie sie sich das erträumt hatte.

Alles kam anders. Gleichzeitig erkennt sie, dass sie lebt. Sie erkennt, sie ist frei. Ihre Tränen machen es unmöglich, noch deutlich sehen zu können, alles verschwimmt. Und das ist gut so. Die Maschine ändert den Kurs. Ihr geliebter Ozean liegt hinter ihr.

Neuer Kurs in ein neues Leben.

Schwarzer Honig

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