Читать книгу Als Erinnerung noch Realität war! - Harry H.Clever - Страница 12

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Der Anfang vom Ende!

Das laute, durchdringende lange heulen der Sirenen, genau eine Woche nach meinem fünften Geburtstag deutete auf einen großen Alarm hin, denn dabei gab es deutliche unterschiedliche an Stärken und Längen der Töne.

Die lauten Sirenen vom Nachbarhausdach hatten meine Mutter, meinen drei Jahre älteren Bruder und mich erbarmungslos schlagartig geweckt, etwas anziehen und schon losrennen war fast alles in Einem, wir liefen in Hektik und Eile, zum wer weiß wievielten Male mit etwas Verspätung und mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken zu dem nahen für uns zuständigen Luftschutzbunker.

Der Rucksack war stets mit dem wichtigsten persönlichen und den allernotwendigsten Sachen versehen und immer zu jeder Zeit griffbereit. Nicht immer war das laute unangenehme durchdringende Heulen der Sirenen, die entnervende Luftschutzwarnung ernsthaft gefährlich für uns, aber man wusste es eben erst im nach hinein genau, ob man sich die Aufregung und Eile in der Nacht hätte sparen können.

Wir liefen in dieser Nacht, wie schon einige Male vorher, noch immer schlaftrunken aus dem Haus in Richtung der nicht ganz 200 Meter entfernt gelegenen Schule, zu dem für uns zuständigen Luftschutzbunker einem recht alten Gewölbekeller unter dieser großen Schule.

Eben im Keller der Schule in einem großen wuchtigen Steingebäude direkt an der Wupper und an der Schwebebahn gelegen, auf der anderen Straßenseite gelegen.

Bei der Überquerung dieser für damalige Verhältnisse doch sehr breiten Straße sah ich zum ersten Male am Himmel in westlicher Richtung, zur Tannenberg Kreuzung, dem späteren Robert-Daum-Platz hin, einen im Volksmund so genannten Christbaum am Himmel. Da ja nirgends rundum eine helle Beleuchtung war, außer ein paar abgedunkelten Notlichtern, dadurch war das Schauspiel am nächtlichen Himmel besonders auffällig und in allen Nuancen gut sichtbar.

Dieser so genannte Christbaum war ein von der Flugabwehr mit sehr starken Scheinwerfern erzeugtes, sich hin und her und überkreuzend bewegendes großräumiges Lichterschauspiel am dunklen Nachthimmel. Wie mit mehreren langen weißen zittrigen Fingern wurde der Nachthimmel auf der Suche nach den fremden Flugobjekten abgeleuchtet.

Manches Mal konnten wir aber schon nach kurzer Zeit nach einer Entwarnung den Keller wieder verlassen.

Das ungewohnte Lichtspiel am Himmel war für mich wohl das erste Mal etwas gänzlich Neues und Faszinierendes, es begeisterte mich doch arg und zog mich dermaßen in den Bann, dass ich die ganze Welt um mich herum vergessen habe. Meine kleinen verschlafenen Augen wurden vor lauter Aufregung riesengroß.

Die eindringlichen Ermahnungen meiner Mutter mich zu beeilen und voran zu laufen habe ich vollkommen dabei überhört. Bis mich ein leichter Klaps wieder in die Wirklichkeit zurück holte und mich dann erstmal aus vollen Leibeskräften, ob der harschen Störung meiner Betrachtungen, losbrüllen lies und ich den kurzen Weg nun nur noch laut weinend hinter mich bringen musste.

Durch diese kleine Verzögerung von mir konnten wir auch schon das noch recht entfernte tiefe Brummen des herannahenden Bombergeschwaders hören, wir konnten sie zwar noch nicht direkt sehen da sie ja total unbeleuchtet waren, aber doch schon ganz deutlich hören.

Sie kamen in breiter Formation, erst viel später erfuhren wir, es waren sogar weit über sechshundert Flieger, wie ein übergroßer Mückenschwarm direkt aus der Düsseldorfer Richtung und flogen auf gerader Richtung über das gesamte Wuppertal, über Elberfeld, nach Barmen, in Richtung Schwelm und Hagen, also genau von West nach Ost.

Die Hauptachse aller Verkehrswege von Wuppertal entlang der Wupper war für die verhältnismäßig doch recht tief fliegenden und vollkommen unbeleuchteten Flieger als eine fast schnurgerade Strecke wie eine Autobahn auch bei der Dunkelheit anscheinend gut zu erkennen.

Nur das näherkommende kräftige Motorenbrummen der unzähligen feindlichen Flieger verriet zuerst ungefähr aus welcher Richtung, überwiegend aus dem Westen die drohende Gefahr im Moment kam und war. Die Konzentration bezog sich auf die enge Talsohle von Wuppertal, sie war selbst an der breitesten Stelle in Barmen gerade mal etwas über einen Kilometer, die schmalste Stelle in Sonnborn keine Hundert Meter breit.

Aber doch wiederum einige Kilometer lang, alleine die Schwebebahnstrecke zieht sich ja auch dreizehn Kilometer leicht schlängelnd über die Wupper und einen ganz kleinen Teil nach Westen hin über eine Straßenführung durch den Ortsteil Sonnborn hin.

Einer der uniformierten Helfer, oder Ordner an der Türe zum Luftschutzkeller wollte bereits schon die Türe schließen, als er uns über die Straße laufen sah, er ermahnte uns zu noch mehr Eile. Er schnappte mich gänzlich ohne Kommentar, immer noch heulend einfach unter seinen Arm und trug mich in den tiefen Keller hinunter.

Im gleichen Moment flog auch schon die schwere eiserne Türe hinter uns ins Schloss und das auch keinen Moment zu früh, denn es bumste dann doch schon gewaltig als einige Bomben wahrscheinlich nicht weit entfernt von uns einschlugen.

Die unmittelbar dann darauffolgenden heftigen Erschütterungen konnten wir selbst in dem tiefen Keller des Schulgebäudes deutlich wahrnehmen und vom kräftig bebenden Boden her spüren. Der Mann mit mir unter dem Arm stolperte sodann noch die letzten Stufen der langen steinernen Treppe hinab, aber wir kamen beide Gott sei Dank doch noch ohne Sturz unbeschadet unten an.

Nach diesem, meinem letzten Luftschutzkeller Besuch war das Haus und unsere Wohnung besser gesagt die gesamte Straße und das gesamte Häuserviertel, war durch mehrere Volltreffer getroffen dann nur noch ein unendlich großer rauchender Berg aus Schutt und Asche.

Außer den stellenweise aufsteigenden Rauch aus den Schuttbergen war nichts mehr zu sehen und nichts erinnerte mehr an unsere Wohnung, wir hatten nun nichts mehr, außer das was wir am Leibe trugen und das was wir wie immer bei dem Kellergang im Rucksack mitgenommen hatten, was aber nicht für eine längere Zeit ausreichend war.

Alles was einem irgendwie lieb, wert und vertraut war, ob wertvoll oder auch nicht, es war auf einmal nicht mehr da, das schmerzt wohl Jedem, aber besonders einem kleinen Kindergemüt auf das Schwerste, dass dann irgendwie zu verstehen ist und war kaum möglich. Meine Mutter hatte wirklich die größte Mühe mich davon abzuhalten in den rauchenden Trümmerhaufen nach meinen wenigen Spielsachen und vor allem nach meinem einzigen Teddybär den ich in meiner ganzen Kindheit hatte, zu suchen, ich habe auch später nie wieder einen bekommen und besessen.

Ein solcher plötzlicher unbegreiflicher Verlust, belastet ein kleines Kindergemüt auf das heftigste, mein kleiner persönlicher, seelischer alles verstehender Ruhepol und Ansprechpartner, mein Teddy war mir nun unwiederbringlich verloren gegangen.

Wir sind dann in der aller ersten Not durch die zerbombten Straßen, an zum Teil noch hell und lichterloh brennenden Trümmern vorbeigelaufen. Es brannte fast überall an der Strecke entlang die wir laufen mussten, wo auch die Eine oder andere Straße durch herum liegende Trümmer total unpassierbar für uns war. Da die meisten Häuser in dieser Wohngegend, vor allem in den kleineren Nebenstraßen ja überwiegend altes Fachwerk waren und das darin befindliche Holz eine gewaltige Menge an Brennmaterial darstellte, war überall recht viel Feuer und Rauch zusehen.

Wir sind dann auf gut Glück, da wir ja nicht wussten wo überall Bomben nieder gegangen waren, durch ein überall herrschendes großes Chaos zu der Wohnung der Großeltern mütterlicherseits, in die obere Nordstadt zum Mirker Bahnhof gelaufen. Denn die offene Frage wo überall diese Bomben niedergegangen waren und ob die Großeltern auch Bomben abbekommen hatten konnte uns auch keiner der vielen Helfer vorab beantworten.

Sie wohnten ja in direkter Nähe zu einer Eisenbahn Nebenlinie, der sogenannten Märkischen Linie und gegenüber einem kleinen Teilortbahnhof dieser Linie, solche markanten und in den Krieg dienlichen Plänen kartierten Wohngegenden waren bekanntlich damals bei den immer wieder dann stattfindenden Fliegerangriffen immer am höchsten gefährdet.

Man war froh, wenn ein Angriff ohne einen direkten Schaden vorbei gegangen war, wir konnten es erst positiv bewerten und beantworten als wir vor dem unbeschadeten und noch heilen Haus der Großeltern standen.

Dazu mussten wir aber erst einmal, wie schon erwähnt quasi mitten durch die zerbombte Innenstadt laufen, einige Personen mit Armbinden oder auch teils in Uniformen, die soweit als es möglich war erste Hilfe leisteten, suchten zwischen den Trümmern nach vermeintlichen Opfern.

Vor so manchem Trümmerhaus stapelten sich vorübergehend die gefundenen Toten. Die Uniformierten wollten uns stellenweise gar nicht passieren lassen und uns auch wieder zurückschicken, aber irgendwie mussten wir ja weiterkommen, denn hinter uns gab es nichts mehr, was man Heimatlich hätte bezeichnen können.

Auf verschiedenen Umwegen sind wir dann aber nach geraumer Zeit doch noch bei meinen Großeltern mitten in der Nacht dann angekommen. Meine Oma war zu Tode erschrocken als wir mitten in der Nacht auf einmal vor ihr standen, aber trotzdem glücklich das uns persönlich nichts passiert war. Sie meinte dann pragmatisch nur, dann müssen wir eben eine Weile etwas zusammenrücken, irgendwie wird es schon gehen, denn auf der Straße könnt ihr ja wohl nicht bleiben.

Meine Uroma, eine kleine schmale, zierliche Person, wohnte auch noch bei ihnen, leider war die Gesundheit meiner Uroma nicht sonderlich stabil und sie war zudem auch schon recht betagt. Die damaligen unruhigen Vorgänge taten auch ein Übriges, denn auch bei den Fliegeralarmen war es ihr nicht mehr möglich schnell in einen Keller oder Bunker zu flüchten.

Der Weg dorthin war immerhin fast dreihundert Meter weit und schnell waren für sie in ihrem hohen Alter die drei Etagen auch nicht mehr zu bewältigen.

Somit blieben sie alle zusammen immer auf gut Glück und Gott vertrauend in der Wohnung im dritten Stockwerk ihres Hauses, bei den Fliegerangriffen wurden dann eben alle Gardinen geschlossen und maximal brannte auch nur eine kleine Kerze in der ganzen Wohnung.

Denn Licht war ja auch immer ein Gefahrenpunkt bei den Fliegerangriffen und um auch etwaige Stromschläge bei einem zufälligen Treffer zu vermeiden wurde die Hauptsicherung auch herausgedreht.

Die Uroma trug als einzige im Haus stets ein schwarzes fingerbreites Samtband mit einem kleinen Emblem und einer Perle auf der Vorderseite eng am Hals. Was zur damaligen Zeit vor allem bei vielen älteren Damen scheinbar Mode war und natürlich meine kindliche Neugierde immer wieder aufs Neue erweckte.

Aber eine für mich verständliche Erklärung über den Sinn habe ich nie von Ihr oder jemand anderem erhalten, ich habe daher immer gedacht sie sei irgendwie erkältet, für mich die einzige logische Deutung.

Darum habe ich sie stets bedauert wegen ihrer vermeintlichen Erkältung, denn nach meiner Logik konnte es ja keinen anderen Grund geben, ich bekam ja auch stets einen warmen Halswickel bei Anzeichen von Erkältungen. Ich nannte sie einfach meine tick-tack Oma, wohl auch, da sie ja immer direkt unter einer großen alten Wanduhr mit diesem eindeutigem Uhrwerksgeräusch und einem recht lautem Schlagwerk auf dem Ledersofa gesessen hatte.

Nur durch sie durfte ich auch einen kleinen grauen, nickenden Esel, der hinter der Glastüre in der Wanduhr stand in die Hand nehmen. Alleine durfte ich die Uhr nicht anfassen, dagegen opponierte mein Opa gewaltig mit einem strikten nein.

Diesen Esel konnte man durch eine ganz leichte Berührung in eine nickende Bewegung versetzen, aber das Öffnen des Uhrgehäuses wollte meinem Großvater eigentlich gar nicht so recht gefallen, denn diese altgediente Uhr hegte und pflegte er als ein Erbteil seiner Eltern schon seit langer Zeit.

Diese Uhr in ihrem Nussbaumholz Gehäuse, mit der unterteilten Glasfront und dem Perpendikel habe ich von meiner Mutter später geerbt und übrigens heute noch im täglichen Betrieb, doch ohne den hellen durchdringenden Klang vom Schlagwerk.

Von meiner Uroma habe ich auch noch die Erinnerung, dass sie regelrecht die Augen verdrehte, wenn es Kaffeebohnen, eine damalige scheinbare große kostbare Rarität im Hause gab. Sie hat dann mit wahrer Inbrunst und sichtlichem Wohlbehagen die Mühle zwischen ihren Knien haltend ganz bedächtig, wie Gedankenverloren die Kurbel gedreht und den Duft des Mahlguts dabei sichtlich genossen hat.

Es gab auch noch eine andere eine zweite etwas größere Mühle in der immer wieder alles Mögliche, wie Korn und Maiskörner und alles was zerkleinert werden musste mit viel Kraft und Ausdauer gemahlen wurde.

Die meisten Sachen wurden aber überwiegend erst in einer Pfanne auf dem Kohleherd, dem einzigen Wärmegeber in der drei Zimmer Wohnung getrocknet oder geröstet worden. Und dann wie Korn und Mais zum Beispiel dann mit etwas Bohnenkaffeemehl gemischt das dann einen eigenen Ersatzkaffe, einen gewissen Muckefuck wie meine Oma dieses Gemisch nannte, ergab.

Oder aber auch luftgetrocknete Steckrübenschnitzel die zu Mehlersatz gemacht wurden, diese Mühle durfte ich dann auch gelegentlich, wenn meine Kraft dazu reichte drehen, das war ja doch recht mühsam und anstrengend aber dann auch jedes Mal eine große Ehre für mich.

Von dem Tod der Urgroßmutter und alle den dazu gehörigen Sachen und Aufregungen, in der Zeit damals nicht gerade unerheblich, habe ich nicht besonders viel mitbekommen. Man hatte mir auf meine Nachfrage nach ihr erklärt das sie in einem Krankenhaus sei, sie ist von dort dann aber nicht wieder Heim gekommen ist.

Unsere doch sehr beengten Wohnverhältnisse, immerhin wohnten die beiden Schwestern meiner Mutter, um einiges Jünger als sie auch noch dort, wurden durch ihren Tod nur ein klein wenig verbessert. Durch die Enge bedingt blieben natürlich kleinere Reibereien der drei Schwestern untereinander auch nicht aus, es war schon eine extrem angespannte Situation aber eine andere Lösung war kurzzeitig auch nicht in Sicht.

Doch genau genommen hatten wir noch sehr viel Glück im Unglück. Denn viele Personen in der Stadt hatten eben nicht die Möglichkeit wie wir, stellenweise hausten die vielen Menschen noch in den ausgebombten Häusern oder Kellern in den Ruinen unter unglaublichen Verhältnissen.

Es standen für uns alle zusammen aber eben nur drei Räume für sechs Erwachsene und zwei Kinder, insgesamt also acht Personen zur Verfügung auf im Moment unbestimmte lange Zeit, das war aber nicht auf lange Dauer machbar und somit eben doch nur von vorübergehender Zeit.

Da in der direkten langgezogenen Talsohle unserer Stadt kaum noch ein zum Wohnen brauchbares Gebäude zu finden war, wurde stellenweise auf äußerst beengtem Raum in manchen der noch vorhandenen Wohnungen vorüber gehend gelebt. Das Ausmaß war so beachtlich, dass selbst Goebbels eine Gedenkrede am 19.6.43 für die Bombenopfer von Wuppertal im Radio hielt.

Somit hatte die Stadtverwaltung alle Hände voll zu tun den Überlebenden in irgendeiner Weise zu helfen und ihnen ein Dach über den Köpfen zu beschaffen.

Die Infrastruktur und auch der Handel war fast komplett in der gesamten Innenstadt und spezielleren Gewerbegebieten zerstört worden. Da musste man schon Dankbar sein, wenn man in dieser übergroßen Notsituation noch eine öffentliche Hilfe irgendwelcher Art überhaupt bekam. Man musste auch einen Nachweis erbringen wie und wo noch Verwandtschaft in intakten Wohnbereichen zu finden waren, um eine eventuelle, vielleicht auch nur vorübergehende Umsiedlung zu bewerkstelligen.

Als Erinnerung noch Realität war!

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