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Ohne Seele

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Der Schrottplatz Reitberger am Kiesgrund in Aschheim hat schon bessere Tage gesehen. Eine postapokalyptische Idylle, ein chaotischer Traum in Rost. Die Brüder Augustin und Franz Reitberger betreiben den Laden, ein altes Familienunternehmen, das ihnen die Eltern hinterlassen haben, die bei einem Autounfall – wie sonst? – ums Leben kamen. Mama hatte im Betrieb immer für Ordnung gesorgt. Jetzt nicht mehr. Vor vielen Jahren gehörte die Kiesgrube auch noch zum Geschäft. Bis ein plötzlicher Wasser-einbruch das Business mit dem Kies unattraktiv machte. Jetzt befindet sich neben dem Schrottplatz ein zwei Quadratkilometer großer Baggersee, der mit seinen alten Förderanlagen die Dorfjugendlichen anlockt, die von den hohen Auslegern der Bagger in die Tiefe springen. Die Schilder am Zaun mit Zutritt streng verboten werden geflissentlich ignoriert, was Franz und Augustin aber ebenfalls ignorieren. Da sind sie tolerant. Gesetze sind schließlich da, um gebrochen zu werden. Was auch daher rührt, dass sie sich nicht nur auf das legale Gewerbe mit dem Schrotthandel konzentrieren. „Breit aufstellen“ ist ihre Devise. Die beiden sind buchbar für jegliche Art von Job. Bis hin zum Auftragsmord. Was sie jedoch niemals so nennen würden. „Unfall mit Fahrerflucht“ ist ihre Spezialität. Doch das machen sie eher selten. Bevorzugt übernehmen sie seriöse Jobs im Sicherheitsbereich. „Fahren & Schützen“ lautet der Slogan für ihre Fahrdienstleistungen plus. Der Schrottplatz ist ihre bürgerliche Fassade und manchmal durchaus ein einträgliches Nebeneinkommen, vor allem, wenn sie für Leute mit zu viel Geld Amischlitten instand setzen und durch den TÜV bringen.

Augustin gähnt, als er zusieht, wie Franz im Schein der Autolichter das große Vorhängeschloss am Torgitter des Schrottplatzes löst. Die Torflügel machen furchterregende Geräusche beim Öffnen. Das tun sie jedes Mal. Wie das Gähnen eines Dinosauriers. ‚Müsste man mal ölen‘, denkt Augustin – wie jedes Mal. Fast lautlos rollt der Hybridwagen auf das Gelände. Mit ungutem Quietschen schließt Franz die Torflügel hinter ihm. Augustin fährt den Wagen in die Halle.

„Muss das wirklich noch heute sein?“, fragt Franz.

„Logisch. Stell dir vor, es gibt doch irgendwelche Zeugen und die Polizei steht morgen Früh bei uns auf der Matte, dann schaut das voll blöd aus, wenn die Karre noch da ist.“

„Aber die Nummernschilder sind doch geklaut. Wie sollen die uns denn finden?“

„Franz, bau einfach den Motor raus und hau den Rest in die Presse. Dann ist das erledigt und wir müssen uns keinen Kopf machen.“

„Findest du nicht, du übertreibst? Die Scheibe ist kaputt. Sonst ist der Wagen doch astrein. Einmal sorgfältig dampfstrahlen und das war’s.“

„Nein, das Zeug ist hartnäckig. Am Ende sind da noch Knochensplitter oder Hirnmatsche in den Kühlrippen. Siehst du ja nicht gleich. Außerdem riecht das ungut, wenn es heiß wird. Jetzt mach schon!“

Franz sieht zu dem silbernen Mustang hinüber und ist froh, dass sie ab morgen wieder in ihrem angetrauten Wagen unterwegs sind. Er öffnet die Motorhaube des Prius und holt den Pressluft-Schrauber. Augustin will ihm helfen, doch Franz winkt ab. „Mach lieber Kaffee. Und Schinkenbrote. Mit Gurke! Ich erledige das hier.“

Als Augustin eine halbe Stunde später wieder in die Halle kommt, ist der Wagen bereits weg. Auf einer Europalette liegt der ausgebaute Motor. Franz bedient gerade die Schrottpresse.

„Hey!“, ruft Augustin über die mahlenden Geräusche der Presse und reicht Franz ein Kaffeehaferl. Der nickt, nimmt einen tiefen Schluck. Prustet den Kaffee wieder raus. „Scheiße, ist das heiß!“

Augustin lacht. „Sollte Kaffee sein, du Warmduscher.“

„Selber Warmduscher.“ Vorsichtig nippt Franz nochmal und nimmt dann einen großen Bissen von seinem Schinkenbrot. „Wow, geil!“, schmatzt er zufrieden.

Sie warten, bis die Presse ihren Job erledigt hat und vom Toyota nur noch ein Kubikmeter Stahl, Blech und Kunststoff übrig ist. Mit dem Hebekran befördert Franz den Block in einen der vielen Schrottcontainer.

„Schade eigentlich“, sagt Augustin, „das sind nicht die schlechtesten Kisten, diese Toyotas.“

„Naja, es bleiben Joghurtbecher.“

„Ich versteh dich nicht, Franz. Du magst die Kisten nicht, hast aber Probleme damit, das Ding plattzumachen?“

„Für die Kiste hätten wir lässig noch zwei bis drei Mille bekommen. Und wenn ich die Mühlen dreimal nicht mag. Die haben keine Seele.“

„Woher willst du das wissen?“

„Das spürt man doch sofort, wenn man drinnen sitzt. Die ganze Plastikscheiße hat keine Seele. Merkst du das nicht?“

„Nein. Außerdem kommt es auf den Inhalt an, nicht die Verpackung. Der Fahrer macht den Unterschied. Boh, ich brauch jetzt unbedingt ein Bier. Für meine Seele.“

Dunkle Seite - Mangfall ermittelt

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