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Die slawische Besiedlung

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Es waren die Hunnen, die im 4. Jahrhundert aus den Steppen Asiens heranpreschten und in die Gebiete der Slawen und Germanen einfielen. Man geht heute davon aus, dass dies eine Kettenreaktion von umfangreichen Wanderungsbewegungen der verschiedensten Völker nach Westen und Süden auslöste, wovon auch die germanischen Stämme unserer Heimat erfasst wurden. Hier gab es allerdings das Problem, dass die germanischen Siedlungsgebiete im Norden durch Nord- und Ostsee und im Westen und Süden durch das Römische Reich begrenzt wurden. Es sollte sich jedoch zeigen, dass das inzwischen stark geschwächte Römische Reich nicht mehr in der Lage war, seine Grenzen gegen diesen Wanderungsdruck zu verteidigen. Zahlreiche germanische Stämme überschritten Rhein und Donau und suchten sich neue Siedlungsgebiete.

Einer der Stämme, die Vandalen (bisheriges Siedlungsgebiet zwischen Oder und Weichsel), zog durch Frankreich und Spanien bis nach Nordafrika, wo er ein Königreich gründete. Der Stamm der Westgoten, der bisher in Gebieten der heutigen Länder Bulgarien und Rumänien siedelte, wanderte nach Gallien und auf die iberische Halbinsel. Auf ihrem Weg nach Westeuropa eroberten sie unter ihrem König Alarich (*um 370-410) im Jahr 410 die Stadt Rom und leiteten damit endgültig den Schlussakkord für das Ende des Weströmischen Reiches ein. Ein anderer germanischer Stamm, die Langobarden, zog die Elbe stromaufwärts, dann weiter südlich über die Alpen. Im Jahr 568 fielen sie in Italien ein und eroberten große Teile Ober- und Mittelitaliens unter der Führung ihres Königs Alboin (*vor 526-573) und gründeten dort ein Königreich. Der zu dieser Zeit dahinsiechende weströmische Sklavenhalterstaat erhielt letztendlich durch den Einfall der Langobarden den Todesstoß. An das Königreich der Langobarden erinnert uns noch heute die italienische Landschaft „Lombardei“ (heißt übertragen „Langbärte“, was wohl an die damals übliche Zier in den Gesichtern der germanischen Männer erinnert). Das Ergebnis dieser heftigen Wanderungsbewegungen war eine nur noch schwache germanische Besiedlung in unserer Region.

Dennoch kam es nun erstmals zur Herausbildung eines germanischen Reiches im Osten des späteren Deutschlands. Um das Jahr 400 gründeten die Thüringer (Hermunduren) ihr eigenes Reich. Es erstreckte sich über das Gebiet von Werra, Saale/Unstrut und Elbe bis nach Meißen und das Dresdner Elbtal. Damit war auch unser Gebiet Teil dieses Reiches.

Zur gleichen Zeit bildete sich im Westen das Frankenreich heraus, während sich im Nordosten, etwa dem jetzigen Niedersachsen, eine Reihe von germanischen Stämmen zum Stammesverband der Sachsen zusammenschlossen.

Im Jahr 531 zerschlugen die Franken und die Sachsen gemeinsam das Thüringer Reich. Die Franken hatten danach das Gebiet der Thüringer bis etwa zur Saale ihrem Territorium einverleibt, während die in unserer Gegend lebenden Stämme sich selbst überlassen wurden. Allerdings war die Siedlungsdichte im Raum von Mulde und Elbe sehr gering.

In die von den Germanen schwach besiedelte Region östlich der Elbe-Saale-Linie kamen im 7. Jahrhundert in mehreren Wellen slawische Einwanderer aus dem Süden über Ungarn und Böhmen, deren Wanderung wiederum durch ein asiatisches Reitervolk (Awaren) ausgelöst wurde. Die Besiedlung durch die Slawen erfolgte zunächst entlang der Flüsse und breitete sich erst danach in der Fläche aus, wobei hier zuerst die waldfreien Gebiete bevorzugt wurden. In späteren Zeiten gab es noch eine slawische Einwanderung vom Osten her über Schlesien.

Die Besiedlung unserer Landschaft durch die Slawen war keine Eroberung. Sie glich eher einer friedlichen Landnahme, da hier bei deren Einzug nur noch wenige germanische Einwohner lebten. Nur im Raum Riesa wurde beiderseits der Elbe für diese Zeit eine stärkere Besiedlung von Germanen nachgewiesen. Die wenigen hier verbliebenen Angehörigen germanischer Völker sind offensichtlich in der zahlreicheren slawischen Bevölkerung aufgegangen. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass sich viele germanische Begriffe im slawischen Sprachgebrauch wiederfinden. Die Lebensformen der Slawen waren denen der germanischen Stämme ähnlich. Aus den Slawen, welche an Elbe und Mulde mit dem Kerngebiet „Lommatzscher Pflege“ siedelten, bildete sich später der Stamm der Daleminzier heraus. Unser Gebiet um die Dahlener Heide blieb aber zunächst unbesiedelt.

Der Geschichtsschreiber Fredegar berichtete im 7. Jahrhundert, dass die Landnahme zwischen Saale/Elbe und Oder anfangs in Abhängigkeit vom fränkischen Reich erfolgte. Diese Abhängigkeit ging erst mit der Gründung des Reiches des Fürsten Samo (um 600/623–658) verloren. Die slawischen Stammesverbände gliederten sich in zahlreiche Supanien (Sippen). An der Spitze einer Supanie stand der Sippenälteste, Supan oder Starort genannt.

In jener Zeit fand der Siedlungsraum zwischen Saale/Elbe und Oder erstmals durch Erwähnungen in überwiegend fränkischen Urkunden und Verträgen Eingang in die Geschichte. In ihnen wird dieses Territorium als von Slawen bewohntes Gebiet bezeichnet. In den fränkischen Reichsannalen jener Zeit werden alle Slawenstämme von der Saale ostwärts bis zur Elbe als „Sorben“ benannt. Das slawische Wort Sorbe bedeutet „Verwandter“ bzw. „Verbündeter“. Schon bald aber taucht daneben der Stammes- bzw. Völkerschaftsname „Dalamince“ auf.

Wenngleich die Slawenstämme allgemein als Sorben bezeichnet wurden, so bildeten diese doch keine völkische Einheit. Die westlichsten und zugleich dominierenden Stämme bei der Besiedlung unseres Gebietes sind die sorbischen Stämme Daleminzier, Nisani (Dresdner Elbtal), Milzani (Oberlausitz), Luzizer (Niederlausitz) und Nelletizi (Wurzener Gegend).


Nach Reinhard Spehr ist die Dahlener Heide kein Siedlungsgebiet der Daleminzier, wie man hier deutlich sieht.

Die in unser Gebiet eingewanderten Slawen waren Bauern mit reichen Erfahrungen im Ackerbau, in der Viehhaltung, in Jagd und Fischfang. Sie führten praktische Tätigkeiten aus wie die Eisengewinnung, das Schmiedehandwerk, die Töpferei oder Herstellung von Textilien. Besonders entwickelt war die Verarbeitung von Holz, was durch den hiesigen Waldreichtum gefördert wurde. So gab es Holzfäller, Böttcher, Wagenbauer, Zimmerleute, Stellmacher, Tischler oder auch Drechsler. Die slawische Kultur war eine regelrechte „Holzkultur“.

Die Slawen wohnten in kleinen Dörfern, die nur eine geringe Zahl von Gehöften aufwiesen und keine regelmäßige Anlage zeigten. Zu diesen Dörfern gehörte eine kleine Feldflur, die nur in geringem Maße dem Anbau von Feldfrüchten diente und in ältesten Zeiten vor allem als Viehweide diente. Genau so unregelmäßig wie die Siedlung angelegt war – eine Dorfform, die wir als Bauernweiler bezeichnen – so unregelmäßig war auch die Feldform.

Die slawischen Sippen selbst gliederten sich wiederum in Großfamilien. In einzelnen Gebieten gab es in Nähe ihrer Ansiedlungen Fluchtburgen. Im 9. Jahrhundert begannen die Sippen mit der Errichtung von Adelsburgen, wie sich die slawische Landesorganisation überhaupt auf Burgen gründete, die uns zum Teil heute noch als alte Wallanlagen erhalten sind und fälschlicherweise im Volksmund oft als Schweden-, Hussiten- oder Heidenschanzen bezeichnet werden. Diese Burgen waren als Sumpf- oder Höhenburgen angelegt und von einem Erdwall umgeben, der meist durch einen Palisadenzaun zusätzlich befestigt war. Oft wurden diese Burgen durch einen Wassergraben von 4 bis 5 Metern Breite geschützt. Diese Befestigungen wurden zur Abwehr von Feinden erbaut und dienten der Bevölkerung in Kriegszeiten als Zufluchtsort. Sie waren ursprünglich kein Sitz von Feudalherren oder Adeligen.


Slawische Spinnwirtel aus Keramik

(Heimatmuseum Dahlen)


Handspindel

(Heimatmuseum Dahlen)

Im Mittelpunkt des Daleminzierlandes lag vor rund 1000 Jahren die Stammesfeste „Gana“. Diese wird gegenwärtig von den meisten Historikern südlich von Oschatz, in der Nähe der Gemeinde Hof, lokalisiert, nachdem dort umfangreiche Ausgrabungen stattgefunden haben. Untermauert wird diese Annahme noch durch einen Bericht des arabischen Kaufmanns Ibrahim ibn Jaqub, der 963 mit einer Gesandtschaft aus dem muslimischen Spanien in Merseburg am Hofe Kaiser Otto I. (912-973) geweilt haben soll4 und von hier aus durch die Slawengaue nach Prag unterwegs war. In seinem Reisebericht gab er uns ein ziemlich genaues Bild über die slawischen Burgen. Er schreibt wörtlich: „Sie, (d. h. die Slawen) graben ringsherum und schütten die ausgehobene Erde auf, wobei sie mit Planken und Pfählen nach Art der Bastionen gefertigt wird, bis die Mauer die beabsichtigte Höhe erreicht.“

Die Daleminzier selbst nannten sich „Glomacii“. Dieser Name leitet sich vermutlich vom Namen „Glomuzi“ ab, einem „Wunder wirkender Weiher“ in der Nähe von Lommatzsch bei Dörschwitz und Lautschen, dem ehemaligen Paltzschener See (jetzt verlandet). Hier soll sich der Kultmittelpunkt der Daleminzier befunden haben. Im Begriff „Glomacii“ hat mit hoher Wahrscheinlichkeit der Name des Ortes Lommatzsch seinen Ursprung. Lässt man bei Glomacii den Anfangsbuchstaben weg, haben wir fast schon den Namen Lommatzsch.

Soweit sie noch nicht zum Christentum bekehrt waren, verehrten die Slawen – und damit die Daleminzier – weiterhin ihre Naturgottheiten. Sie opferten ebenso wie die Germanen ihren Göttern in heiligen Hainen, meist Linden- oder Birkenhainen. Einer der Slawengötter heißt Swantewit. Der sehr ähnlich klingende Ortsnamen Schmannewitz als Nachbarort von Dahlen hat allerdings mit dieser Gottheit nichts zu tun.5

Der erste Bericht über die Daleminzier ist uns aus der Zeit Karls des Großen (747-814) überliefert. Hier fanden sie Erwähnung, als Karl der Große einen breitangelegten Feldzug gegen die slawischen Völker vorbereitete. Dazu entsandte er seinen Sohn Karl zu einer militärischen Expedition in das Land der Daleminzier. Deren Fürst Semila unterlag dem Angreifer und wurde zur Überstellung von Geiseln gezwungen. Im Jahr 805 erfolgte ein weiterer Feldzug. Dieser galt vor allem der Sicherung des Handels in Magdeburg. Dabei drangen die Heere der Karolinger6 über die Elbe vor, errichteten am Ostufer der Saale einige feste Burgen und zwangen einen Teil der Sorben, tributpflichtig zu werden. Es gelang den Franken jedoch nicht, die Unterworfenen in ihr Reich einzugliedern.

Slawische Stämme erhoben sich immer wieder gegen die Vorherrschaft der Franken. So kommt es im 9. Jahrhundert vor allem unter Führung mährischer Stämme zur Herausbildung eines „Großmährischen Reiches“. Zahlreiche Fehden innerhalb dieses Reiches führten aber bald zu dessen Zerfall.

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