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Römische Kaiserzeit
ОглавлениеAlle bisherigen geschichtlichen Aussagen basierten auf archäologischen Funden bzw. Befunden. Nun aber kommen Informationen aus Quellen hinzu, die ein wesentlich vielfältigeres Bild unserer Vorfahren zeichnen. Von nun an berichten auch schriftliche Zeugnisse über das Geschehene in unserer Region. Ab dieser Zeit ist es möglich, über Einzelschicksale oder auch ganz spezifische Ereignisse detaillierte Kenntnis zu erhalten. Damit avancieren diese Quellen zu einem ungleich wichtigeren Teil der Überlieferungen. Natürlich gab es in anderen Zivilisationen (Mesopotamien, Ägypten, Kreta) die Schrift schon Jahrtausende früher. Dass diese schriftlichen Hinterlassenschaften jedoch nichts über unser Gebiet enthalten, liegt aber auf der Hand.
Die Ersten, die schriftliche Zeugnisse über unsere Vorfahren verfassten, waren allerdings auch Schreiber anderer Zivilisationen, vornehmlich aus dem Mittelmeerraum. So stammen die frühesten schriftlichen Hinterlassenschaften über unsere Urahnen fast ausschließlich von griechischen Geschichtsschreibern, welche aber zumeist auch nur vom Hörensagen berichteten. Später, in der Epoche der Zeitenwende, wurden die Berichte von römischen Chronisten wie Tacitus oder Cäsar verfasst, welche aber eher die Sichtweise des Gegners und kulturell überlegenen Eroberers wiedergaben. Sie prägten über viele Jahrhunderte das Bild, wonach hier sehr primitive, zum Teil in einer Urgesellschaft lebende Völker, siedelten. Die Römer bezeichneten das Land zwischen Rhein und Elbe als Germanien. Aber erst Jahrhunderte später kam der Begriff von „den Germanen“ auf. Deshalb soll zunächst an dieser Stelle erst einmal Folgendes vorangestellt werden:
„Die Germanen“ als ein Volk zwischen Rhein und Elbe hat es als solches nie gegeben. Die Bezeichnung „Germanen“, verbunden mit den in Germanien lebenden Völkern, wie wir es im allgemeinen heute verstehen, wurde erst im 19. Jahrhundert üblich. Wer diesen Ausdruck „Germanien“ erstmalig verwendete, ist nach wie vor umstritten. Klar ist nur, dass die Römer dieser Provinz, welche sie zunächst als einen noch unzivilisierten Teil Galliens betrachteten, diesen Namen gaben. Im Siedlungsgebiet Germaniens lebte eine Vielzahl unterschiedlicher Volksstämme, die zumeist ständig gegeneinander Krieg führten. Ein wie auch immer geartetes geeintes Staatswesen hat es zu jener Zeit nie gegeben. Auch die Sprachverwandtschaft der Stämme untereinander brachte keine gemeinsame Identität. Dennoch besaßen diese Stämme und Völkerschaften eine Reihe kultureller Gemeinsamkeiten. Wenn im Folgenden diese Übereinstimmungen beschrieben werden, wird der Begriff Germanen verwendet, auch wenn dies von manchem Historiker als nicht korrekt angesehen wird. An dieser Stelle soll auch gleich noch angefügt werden, dass die Germanen nicht „die ersten Deutschen“ waren. Die Bezeichnung „theodiske“, von dem sich später das Wort „deutsch“ ableitete, taucht erstmals im Jahr 786 in einem Synodalbericht auf. Dieses „theodiske“ hat seinen Ursprung im althochdeutschen „Thiota“ bzw. „Diutisc“, was „zum Volke gehörig bedeutet“. Es gibt aber auch andere Erklärungen zum Ursprung des Wortstammes „Deutsch“, wobei hier verzichtet wird, darauf näher einzugehen.
Der Beginn der „Römischen Kaiserzeit“ wird im Allgemeinen auf das Jahr 15 vor der Zeitenwende festgelegt, jenes Jahr, in dem der römische Imperator Augustus den vollen Umfang seiner Machtbefugnisse erhielt, obwohl er im eigentlichen Sinn kein Kaiser war. Wie bereits erwähnt, war dies in etwa der Beginn der Zeit, von der uns auch schriftliche Überlieferungen über unsere Vorfahren zur Verfügung stehen. Dementsprechend gibt es daher auch eine wesentlich größere Fülle an Informationen. Es ist etwas ganz anderes, wenn wir direkt aus Berichten von Zeitgenossen unserer Vorfahren etwas über die Art und Weise ihres Lebens erfahren und dabei eben auch die Schicksale und Namen Einzelner eine Rolle spielen. Dennoch sind die archäologischen Funde aus dieser wie auch aus späteren Zeiten ein wichtiger Bestandteil historischer Forschungen.
Die Epoche der schriftlichen Überlieferungen eröffnet uns ein weiteres Novum bei der Erforschung der Geschichte unserer Vorfahren: die Benennung der Volksgruppen in unserer Region durch deren Zeitgenossen. Allen bis zu diesem Zeitpunkt bei uns lebenden Völkern wurden die entsprechenden Namen zumeist nach archäologischen Funden von Historikern oder Archäologen gegeben. Dabei verwendeten sie in der Regel typische kulturelle Merkmale, wie „Glockenbecherkultur“ oder auch „Bandkeramiker“. Auch eine Benennung nach geografischen Fundorten wie „Billendorfer Kultur“ oder „Elbgermanen“ ist typisch. Das sind natürlich moderne Klassifikationen. Vergangene Lebenswirklichkeit spiegeln sie nicht wieder, auch wenn Keramikscherben Produkte solcher Lebenswirklichkeiten sind. Daher lassen sich rekonstruierte archäologische „Kulturen“ nicht mit realen Völkern gleichsetzen.
Wie aber haben unsere Vorfahren, etwa in der Epoche der Zeitenwende oder in den Jahrhunderten unmittelbar danach, ihr Leben gestaltet?
Die germanischen Stämme in unserer Heimat lebten zu dieser Zeit überwiegend noch in einer Gentilgesellschaft. Das heißt, es war eine Gesellschaft, deren Strukturen auf Sippen bzw. Verwandtschaftsverhältnissen basierte. Hatte eine Reihe von Sippen bzw. Verwandtschaftsgruppen eines bestimmten Gebietes einen ähnlichen bzw. gleichen kulturellen Entwicklungsstand, der auch zu verschiedenen Kooperationen führte – denkbar ist ein kleiner Handel, aber auch der Tausch von Frauen – so spricht man von einem Stamm. Mehrere dieser Stämme bildeten einen Stammesverband. Stämme und Stammesverbände sind es nun, von denen uns erstmalig die Namen durch Zeitgenossen überliefert wurden. Hierbei soll die Herkunft dieser Namen nicht näher erläutert werden. Diese können zum einen Eigennamen sein, aber auch Namen, die ihnen von Angehörigen anderer Kulturen gegeben wurden. Es sind vor allem römische Geschichtsschreiber, welche jetzt erstmalig Namen einzelner Völkerstämme erwähnen, die die Gebiete nördlich der Donau und östlich des Rheins besiedelten.
Aus den Beschreibungen der Römer ergibt sich in etwa folgendes Bild der Siedlungsgebiete der einzelnen germanischen Stämme zwischen Rhein und Weichsel: An der Weser siedelten die Sachsen und zwischen Saale und Mulde die Warnen; die Langobarden lebten an der mittleren Elbe, die Sueben zwischen Elbe und Oder, die Vandalen an der Oder und die Goten an der Weichsel; die Thüringer, auch Hermunduren genannt, siedelten zwischen Werra und Saale, aber vor allem im Thüringer Becken. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich darüber hinaus bis in unser Gebiet um Elbe und Mulde. Damit ist der Siedlungsraum der Germanen lediglich in groben Umrissen gezeichnet. Auch sind bei weitem nicht alle germanischen Stämme genannt. Es handelt sich bei dieser Aufzählung um das uns interessierende Gebiet und die für unsere Geschichte relevanten Stämme und Stammesverbände.
Aus römischen Quellen erfahren wir auch, dass die Germanen noch kein Königtum kannten. In Zeiten des Krieges wählten sie einen Stammesfürsten, der damit auch ihr Heerführer war. In Friedenszeiten standen bei ihnen die Sippen- und Stammesältesten sowie ihre Häuptlinge an der Spitze. Nicht zu vergessen ist der Einfluss der Druiden bzw. Medizinmänner. Es wird aber auch berichtet, dass die einzelnen Sippen und Stämme in ständiger Konkurrenz zueinander lebten, was zu häufigen bewaffneten Konflikten untereinander führte. Hier könnte die diesen Stämmen oft nachgesagte kriegerische Mentalität ihren Ursprung haben. Die Versuche der Römer, die germanischen Siedlungsgebiete östlich des Rheins ihrem Weltreich einzugliedern, endeten bekanntlich in der Varusschlacht im Jahr 9 unserer Zeitrechnung mit einem Desaster. Der Freiheitswille der Germanen unter ihrem Anführer Arminius war stärker als ihre internen Zwistigkeiten, Cherusker und Chatten schlugen gemeinsam das römische Heer. Danach blieb der Rhein die Ostgrenze des Römischen Reiches.
Wovon lebten nun die hiesigen Germanen?
Eine wichtige Quelle für die Versorgung mit Nahrungsmitteln war der Ackerbau. Zeugnisse einer Feldwirtschaft dieser Epoche wurden bisher jedoch nur wenige gefunden. Hinzu kam noch eine umfangreiche Viehhaltung, die aber fast ausschließlich als Weidewirtschaft betrieben wurde. In den immer noch riesigen und dichten Wäldern um die Siedlungen spielte die Jagd für die Versorgung mit Fleisch eine entscheidende Rolle und auch die verschiedensten Früchte des Waldes trugen zum Unterhalt bei. Für die an den Flüssen gelegenen Siedlungen hat sicher auch der Fischfang eine Rolle gespielt.
Aus Funden wie auch aus schriftlichen Überlieferungen erfahren wir, dass die hier lebenden germanischen Stämme schon Handel betrieben. Es wurde mit tierischen Produkten – Häuten, Pelzen – und auch mit Bernstein gehandelt. Verbreitet war vor allem der Handel mit Kriegsgefangenen.
Über die Handelsbeziehungen mit den Mittelmeerländern wurde auch praktisches Wissen importiert. So führte die Verarbeitung des Eisens recht bald zu einer Blüte des Schmiedehandwerks in unserer Heimat. Im Gegensatz zur Bronzeherstellung, die nur von wenigen Spezialisten an ausgewählten Orten durchgeführt wurde, fand die Eisenherstellung eine wesentlich größere Verbreitung. Das belegen Funde an zahlreichen Orten. Die benötigten Rohstoffe dafür konnte und kann man auch heute noch überall in den Talniederungen als Raseneisenerz an der Oberfläche finden. Die Versorgung der für die Produktion benötigten Holzkohle war beim Waldreichtum unserer Region sicher auch kein Problem. So fand man in unserer Nähe Plätze, wo man Eisen produziert hat. An der Döllnitz bei Leuben (in der Nähe von Oschatz) wurden mehrere sogenannte Rennöfen, in denen Eisen geschmolzen wurde, nachgewiesen. Gleichzeitig mit der Technologie der Eisenherstellung entwickelte sich das Schmiedehandwerk. So schmiedeten unsere Vorfahren zum Beispiel hochwertige Schwerter, deren Knäufe oft mit Elfenbein, Gold oder Bernstein verziert waren.
Rekonstruktion der Arbeitsweise mit einem Rennfeuerofen; vom Rösten des herausgebrochenen Raseneisenerzes (2) bis zum Verdicken des Eisens (10) (n. Jöns 1993)
Eisenschlacke von Leuben: ein Überbleibsel der vorgeschichtlichen Eisenverhüttung
Cäsar (100–44 v.u.Z.), der römische Feldherr und Eroberer, welcher sich auch als Geschichtsschreiber hervortat, berichtete um 50 v.u.Z., dass die Germanen nicht vollkommen sesshaft gewesen wären. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu Cäsars weiteren Angaben, denn er schreibt weiter: „Der Ackerbau sei bei ihnen nur primitiv entwickelt. Sie lockern den Boden nur etwas auf und bebauen ihn nur zwei Jahre hintereinander. Danach lassen sie das Land brach liegen und bebauen neuen Boden. Die Germanen kennen kein Privateigentum von Grund und Boden. Der Boden ist Eigentum der ganzen Sippe, und dementsprechend werden die Felder gemeinsam bestellt und abgeerntet. Ebenso werden die Felderträge auch gleichmäßig verteilt.“ Wer Ackerbau betreibt, muss aber zwangsläufig sesshaft sein. Cäsar berichtet weiter, dass die Grundnahrungsmittel nur zu einem geringen Teil vom Ackerbau kämen. Das Sammeln, die Jagd und eine entwickelte Viehzucht (Weidewirtschaft) bildeten die Basis für die Ernährung. Die Tierhaltung ermöglichte bereits eine kontinuierliche Versorgung mit Milch, Käse und Fleisch.
Dass die hoch entwickelte römische Lebensart aber doch einen Einfluss auf die eher einfache Lebensweise der Germanen ausübte, zeigt sich, wenn man die Berichte des römischen Schriftstellers Tacitus, der 100 Jahre nach der Zeitenwende lebte, liest. Er berichtet, dass die Germanen sesshaft seien und ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Ackerbau bestreiten. Damit wird die Sesshaftigkeit der Germanen noch einmal bestätigt, wobei wir jedoch registrieren, dass in den 150 Jahren von Cäsar bis zu Tacitus, der Feldbau die Weidewirtschaft als Haupternährungsquelle abgelöst hat. Das ist historisch gesehen eine kurze Zeitspanne für eine derartige Veränderung. Es gab aber weiterhin kein Privateigentum an Grund und Boden. Das Land war immer noch Gemeineigentum der Sippen und Stämme, und ebenso wurde es gemeinsam bearbeitet. Aber auch Cäsar berichtete schon, dass die Erträge nicht grundsätzlich gleichmäßig verteilt wurden. Einige „Würdenträger“ bekamen ganz offensichtlich größere Anteile zugesprochen. Es hatte sich also schon ein Stammes- oder Sippenadel herausgebildet. Ein Teil der germanischen Adeligen ließ die mühsame Feldarbeit von Kriegsgefangenen bzw. von Sklaven durchführen.
Tacitus berichtet weiter, dass die Germanen ihre Felder mit Mergel1 oder kalkhaltigem Boden düngten. Auch der eiserne Pflug hatte schon Eingang in die Landwirtschaft gefunden. Angebaut wurden vor allem unsere heutigen Getreidesorten, aber auch Erbsen, Linsen, Bohnen, Möhren, Flachs, Hanf und Mohn. Das einzige Obst, das die Germanen kannten, waren Wildäpfel. Das Anpflanzen von Steinobst wurde erst nach und nach von den Römern übernommen, ebenso der Anbau von Weinstöcken, der sich sehr rasch im jetzigen Deutschland ausbreitete. Was wiederum einen Hinweis auf den kulturellen Austausch zwischen Germanen und den westlich des Rheins herrschenden Römern gibt. Von Tacitus erfahren wir zudem, dass die Hauptnahrungsmittel der Germanen nun neben Milch, Käse und Fleisch auch Hafergrütze und Butter sind sowie ungesäuerte Brotfladen, die auf heißen Steinen gebacken wurden. Ihren Durst löschten die Germanen hauptsächlich mit einem aus Gerste, Weizen oder Hafer gebrauten bierähnlichen Getränk. Der viel besungene Met wurde aus Honig und Wasser bereitet. Andererseits aber lernten die Römer Butter erst durch die Germanen kennen.
Die Germanen, die aus der bereits hier lebenden bronzezeitlichen Bevölkerung hervorgegangen sind, waren ebenfalls sesshaft. Sie errichteten viereckige Holzhäuser, deren Ritzen sie mit Lehm ausfüllten, bzw. eine Art Fachwerkbau, deren Gefache mit einem meist lehmverschmierten Weidengeflecht ausgefüllt waren. Städte bildeten sich jedoch noch nicht heraus. Die Siedlungen waren einzelne Höfe oder Dörfer, die oft zum Schutz vor wilden Tieren umzäunt wurden. Als Sicherung gegen Überfälle feindlicher Stämme errichtete man auch Pfahlbauten auf dem Wasser.
Im Allgemeinen wird immer noch an dem Irrglaube festgehalten, dass zwischen Rhein und Elbe nur undurchdringlicher Urwald vorherrschte. In vielen Regionen dominierten zum Beispiel Buchenwälder, die aber kaum dichten Bewuchs unter ihren Baumkronen zulassen. Zudem gab es auch zahlreiche offene Landschaften. Gerade durch diese Gegenden in den germanischen Siedlungsgebieten zogen sich schon in vorrömischer Zeit Handelswege. Diese waren allerdings nicht befestigt. So gab es zum Beispiel die „Bernsteinstraße“, die von der Ostsee zur Adria führte oder auch den „Hellweg“, der vom Niederrhein zur Elbe lief. Auch die zahlreichen Flüsse wurden als Transportwege genutzt. So ist es kein Wunder, dass, nachdem die Römer bis zum Rhein vorgedrungen waren, sich auch ein reger Handel mit den östlich des Rheins lebenden Völkern entwickelte. Römische Kaufleute drangen weit in germanisches Gebiet vor und kamen die Elbe und Saale aufwärts auch in unsere Heimat. Die Germanen bezogen von den Römern vornehmlich Metallgegenstände, Wein, Glasgefäße, Schmuck, Stoffe sowie Waffen. Dafür lieferten sie vor allem Kriegsgefangene, Felle, blondes Frauenhaar und Gänsefedern neben Honig und Bernstein. Durch den Handel kamen aber auch verbesserte Technologien wie zum Beispiel in der Eisenverarbeitung nach Germanien.
Bei der nun eingeleiteten gesellschaftlichen Arbeitsteilung war es insbesondere das Schmiedehandwerk, das bei den Germanen in hohem Ansehen stand. Einen Hinweis darauf geben noch heute die Sagen von „Wieland dem Schmied“ und die „Siegfriedsage“, in denen das Schmiedehandwerk eine besondere Geltung erfährt2. Bei Ausgrabungen sind vor allem Hämmer, Ambosse, Feilen und Zangen gefunden worden. Diese Gegenstände lassen erkennen, dass die germanischen Schmiede umfangreiche Fertigkeiten beim Gießen, Schmieden, Nieten, Stanzen, aber auch beim Löten und Gravieren, hatten. Das Schmiedehandwerk war zu jener Zeit „die Hochtechnologie“, wie wir das heute bezeichnen würden.
Auch das Handwerk der Töpferei war, wenn zunächst noch ohne Töpferscheibe, bei den Germanen weit verbreitet. Privateigentum gab es, wenn man einmal von Waffen, Schilden und persönlichem Schmuck absieht, nach wie vor nicht. Die Kleidung der Germanen bestand, wie in den letzten Jahren Ausgrabungen von Moorleichen zeigten, hauptsächlich aus gewebten und oftmals auch bunt gemusterten Stoffen. Felle und Leder wurden ebenso weiterhin verwendet.
Kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, so traten die Germanen in Sippen- oder Stammesverbänden auf. Diese hatten sogar Bestand, wenn sie für die Römer in einer Auxiliareinheit (Hilfstruppe) kämpften. Bei wichtigen Ereignissen, wie zum Beispiel Eheschließungen oder auch Gerichtsverhandlungen, waren alle Sippenangehörigen anwesend. Die Frauen der Germanen nahmen eine geachtete Stellung ein. Die Angehörigen einer germanischen Sippe verfügten alle über die gleichen Rechte. Das wenige Eigentum was die Germanen besaßen, wurde, wenn es nicht als Grabbeigabe Verwendung fand, vom Vater auf den Sohn vererbt. Das änderte sich auch nicht, als privates Eigentum mehr und mehr zur Regel wurde.
Der sich herausbildende Sippen- und Stammesadel beanspruchte die besten Ackerflächen für sich. Da sie diese von Kriegsgefangenen oder Knechten bearbeiten ließen, konnten sie sich verstärkt dem Kriegshandwerk widmen, was schließlich ihre Hauptbeschäftigung ausmachte. Die reicheren Erträge ihrer Böden versetzten sie in die Lage, sich mit Gefolgsleuten zu umgeben, wodurch sie wiederum ihre Macht vergrößern konnten. Später ging aus der Mitte dieses Kriegsadels ein Stammesfürst hervor. Alle wichtigen Angelegenheiten wurden aber weiterhin in der Vollversammlung des Stammes, dem „Thing“, besprochen. Auch die Entscheidung über Krieg und Frieden wurde hier gefällt. Beim „Thing“ verkündeten die militärischen Führer oder die Adligen ihre Meinung, während die einfachen Stammesangehörigen ihre Zustimmung oder Ablehnung mittels Zuruf oder dem Aneinanderschlagen der Waffen zum Ausdruck brachten.
Der „Thing“ galt auch als oberstes Gericht. Hier konnte man Klage erheben. Hier wurde Recht gesprochen und wurden Entscheidungen über Leben und Tod gefällt. Das größte Verbrechen, was ein Germane begehen konnte, war Feigheit vor dem Feind und Verrat durch Überlauf. Während Überläufer kurzerhand aufgehängt wurden, bestrafte man Feiglinge durch Versenken im Sumpf. Diese beiden Vergehen waren aber die einzigen, auf welchen die Todesstrafe stand. Alle anderen Sünden, Mord und Totschlag eingeschlossen, konnten durch Bußzahlungen, vor allem durch Abgabe von Pferden und anderem Vieh, gesühnt werden.
Auch die Germanen glaubten, so wie alle Völker, die nicht einem Monotheismus huldigten, an vielerlei Götter. So gab es für Naturgewalten, denen sie sich ausgeliefert sahen, einen „zuständigen“ Verantwortlichen = Gott. Freya oder Frigga (Freitag) war die Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin. Wotan (Odin) war der Gott des Sturmes und Donar der Gott des Donners (Donnerstag). Die zuständige Göttin des Feuers hieß Loki, während Baldur als Sommergott angebetet wurde. Besondere Zuwendung dürfte auch die Göttin des Frühlings und der Liebe, Ostara (Ostern), erfahren haben. So könnten wir die Namen der germanischen Gottheiten noch weiter fortsetzen. Ihren Göttern opferten sie vor allem Nahrungsmittel, die sie ihnen zumeist in Sümpfen oder Seen, aber auch heiligen Hainen darbrachten.
Der Zerfall der Gentilgesellschaft und die Herausbildung eines Adelsstandes brachte aber auch im Glauben der Germanen Änderungen. Wenn die Menschen jetzt einen Herren hatten, mussten die Götter ebenso einen Übergott haben. So bildete sich zum Beispiel der Wotanskult heraus.
Der Totenkult der Germanen ähnelte in gewisser Weise dem der Römer. Sie verbrannten ihre Toten auf dem Scheiterhaufen. Gehörte der Verstorbene zu den Privilegierten, der zu Lebzeiten sogar ein Pferd besaß, so wurde dieses mit begraben. Die Asche des Verblichenen kam in eine Urne, die man zusammen mit den Waffen, dem Schmuck und anderen Gegenständen aus dem Besitz des Toten beisetzte.
Diese Zeit, in der sich die germanischen Stämme im jetzigen Deutschland gewissermaßen eingerichtet hatten, sollte jedoch ein jähes Ende finden. Es sollte sogar soweit kommen, dass faktisch beinahe alle Völker Ost-, Mittel- und Westeuropas in Bewegung gerieten. Hervorgerufen durch ein Volk, das bis dahin keiner auf der Rechnung hatte, ja welches bis dahin noch nicht einmal dem Namen nach bekannt war. Diese Eindringlinge kamen auf ihren Pferden so schnell, dass sie ihrem Ruf vorauseilten. Die im Jahr 375 durch sie ausgelöste Wanderungsbewegung führte letztendlich auch zum Ende des Römischen Reiches3 Dieses war zu dieser Zeit auf Grund seiner inneren Widersprüche sehr stark geschwächt und dadurch kaum noch wehrfähig.