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Die Schlägerei in der Piano-Bar

Am Samstagabend war die Bar überfüllt. Am Tresen saß Sigismund Sankowice. Er besaß eine Bar an der Potsdamer Straße. Offensichtlich konnte er es sich erlauben, stundenlang bei der Konkurrenz herumzuhängen und sich volllaufen zu lassen. Er starrte Lilly an:

”Gehst du mit mir aus?“

„Sie sehen, was hier los ist.“

„Morgen?“

„Morgen ist wieder das Gleiche.“

„Übermorgen?“

„Übermorgen gehe ich zur Schule und dann habe ich Nachtwache im Krankenhaus.“

Herr Sankovice schob ihr schweigend sein Glas zu. Jeden Samstag saß er in der Bar, fragte Lilly, ob sie mit ihm ausgehen wollte, starrte sie schweigend an, trank sich voll und verschwand schweigend, nur dieses Mal nicht. Er trank noch ein paar Bier, dann kam wieder die Frage: „Gehst du mit mir aus?“

„Nein.“

Da flog das erste Glas. Lilly verschwand blitzschnell hinterm Tresen. Die Gäste freuten sich. Endlich wurde hier Stimmung gemacht. Da flog das zweite Glas. Gelächter, aufmunternde Zurufe: „Immer drauf!“

„Dufte.“

Haut’se!“

Der Student am Piano bekam ein Glas an den Kopf. Er verschwand blitzschnell durch die Hintertür. Jemand schrie. „Na warte, hat mich doch …“

Gläser segelten durch die Luft. Ein Mann bekam ein volles Bierglas ins Gesicht. Da schlug er zurück. Er war halb blind vom Alkohol, der in seinen Augen brannte. Danach ging es Schlag auf Schlag. Jeder prügelte sich mit jedem. Die Mädchen hinterm Tresen liefen durch die Hintertür raus. Frauen liefen schreiend auf die Straße.

Die Männer holten hinterm Tresen die vollen Flaschen aus den Glasschränken: „Hipp, hipp, hierher!“

„Rolf, mir auch eine!“

Die jungen Mädchen, die als Aushilfen in der Bar arbeiteten, riefen den Chef an: „Was sollen wir machen?“

„Ihr verschwindet! Ich komme selber. Ich verständige die Polizei und übernehme selber alle Aussagen. Elke bleibt da und wartet auf mich.“

Elke war die festangestellte Superblondine. Die Mädchen verschwanden. Aus der Ferne hörten sie die Sirenen von Einsatzwagen. Die Polizei war in der Potsdamer Straße schnell zur Stelle. Vor der Bar standen heulende und schreiende Frauen. Als die Polizei in die Bar reinstürmte, bekam ein Polizist eine Wodka-Flasche auf den Kopf. Die Polizei telefonierte nach Verstärkung. Mehr und mehr Polizisten kamen in die Bar. Einige der Kampfhähne versuchten, aus der Hintertür heimlich wegzuschleichen. Doch auch hier hatten sich schon Polizisten platziert.

Drei Uhr nachts war es wieder ruhig in der Bar. Der Fußboden war mit Alkohol, zerbrochenen Gläsern und Blut verschmiert. Alle Glasschränke der Bar waren zerbrochen. Stühle und Tische lagen demoliert durcheinander.

Bis die Polizei die Bar von den sich prügelnden und randalierenden Betrunkenen ausgeräumt hatte, war der Chef Herr Sievert selber zur Stelle. Er sprach mit der Polizei. Er war die ganze Nacht hier gewesen, sagte er. Elke, die festangestellte Bardame konnte das bestätigen. Gegen die randalierenden Gäste waren sie einfach machtlos. Gab es außerdem noch Angestellte? Sicher, Aushilfskräfte. Da waren zum Beispiel die Studenten von der Musikakademie. Die spielten immer am Wochenende in der Piano-Bar. Mit ihnen kamen auch einige Studentinnen. Feste Anstellungsverhältnisse oder Personalakten hatte er darüber aber nicht. Alle, die in dieser Nacht in der Bar waren, sollten am nächsten Tag zum Polizeipräsidium vom Bezirk Tiergarten kommen. Alle Aussagen mussten festgehalten werden. Die Bar war in den nächsten vier Wochen geschlossen.

Am nächsten Tag versammelte Herr Sievert alle Angestellten, die in der Nacht in der Bar gewesen waren, in seinen Privaträumen. Er wollte genau wissen, was passiert war. Danach musste eine offizielle Version abgefasst werden, was die Angestellten der Polizei erzählen sollten. Elke, die festangestellte Bardame, sprach für die Mädchen: „Ja, da kam wieder dieser Sankovice von der Bar an der Ecke Potsdamer Straße und Bülow Straße hierher.“

Wat heißt ‚wieder‘?“

Der war öfters hier und starrte immer Lilly an.“

Was heißt ‚anstarren‘?“

Ja, nu, er wollte anbändeln. Sie wissen schon … ausgehen, sacht er.“

Und dann sacht die Lilly nein und wieder nein … na, dann hatta ihr det Glas ins Jesicht jeschmissen.“

Wissen Se, ich habe ihm jesacht …“‘

Wie? Was hab’n Se jesacht?“

Na ja, ich wollt’n zur Vernunft bringen, wollt ich, war aber nix zu machen, da prügelten se schon alle drauf los.“

Was sollte Herr Sievert jetzt machen? Sollte er Herrn Sankovice der Polizei melden oder sollte er ihn nicht melden? Geprügelt haben sich alle. Randaliert haben alle. Er musste mit dem Mann sprechen.

Herr Sankovice war wie alle anderen Gäste, die sich in der Nacht in der Bar geprügelt hatten, festgenommen worden. Sein Vorteil war, dass ihn keiner kannte. Alle waren mit ihrem eigenen Geschwafel beschäftigt. Alle hatten erst draufgehauen, als sie sahen, dass sich alle anderen prügelten. Wer angefangen hatte? Dumme Frage! Man kriegt eine Flasche auf den Kopf und schlägt zurück.

Mich hat einer von hinten angegriffen! Lass ich mir doch nicht gefallen.“

Nimmt der doch den Stuhl und prügelt drauf los…“

Die Gläser kamen durch die Luft gesegelt. Da war gar nichts zu machen.“

Meine Frau hat geschrien, geschrien hat die, sach ich Ihnen.“

Nix wie weg, sach ich. Konnten wir aber nicht. Die ham uns zusammengeschlagen, ham die.“

Anführer? Hörn Se mal, wir sind hier nicht uff de Reperbahn. Gibt’s keine Anführer. Waren doch alle besoffen.“

Die Protokolle der Polizei waren eindeutig, das war eine wilde Schlägerei von Betrunkenen. Motiv unbekannt. Außer Alkohol gab es wahrscheinlich kein anderes Motiv. Es gab keine ernsthaften Personenverletzungen. Der Schadenersatz wurde den Versicherungsgesellschaften gemeldet. Die konnten herausfinden, wer von den Kampfhähnen für die Kosten verantwortlich war. Die Einforderung der Gelder war eine zivile Klagesache. Damit war die Polizei mit ihrem Job fertig.

Herr Sievert war aber noch lange nicht mit seinem Job fertig. Er ging zur Bar an der Ecke Bülow Straße und bat Herrn Sankovice um eine private Aussprache.

„Wie kommen Sie dazu, meine Mädchen anzumachen?“

„Bei mir sagt kein Mädchen nein.“

„Dann werde ich das bei der Polizei aussagen und darum bitten, dass Ihre Bar ein bisschen genauer unter die Lupe genommen wird.“

Jetzt waren sich die Männer sehr schnell einig. Herr Sievert bekam eine hübsche Summe diskret unterm Tisch zugeschoben. Man schüttelte sich die Hände im freundschaftlichen Übereinkommen und damit war die Angelegenheit stillschweigend erledigt.

Die Versicherungen bezahlten die Renovierung der Bar und forderten das Geld von den Gästen ein, die hier festgenommen worden waren. Das waren einige Dutzend Gäste. Der Schaden war darum für den Einzelnen nicht allzu groß.

Herr Sankovice verschwand wieder in seiner eigenen Unterwelt. Herr Sievert rieb sich vergnügt die Hände. Alle waren glücklich und zufrieden.

Die Schandmauer

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