Читать книгу Die Schandmauer - Heide Fritsche - Страница 7

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Im Polizeipräsidium

Am Montag, dem 5. Mai 1960 herrschte der gewohnte Betrieb im Polizeipräsidium. Das lief von links nach rechts und von rechts nach links. Man trabte treppab und treppauf. Es wurde gearbeitet, telefoniert, diskutiert und konferiert. Tür auf und Tür zu. Man hatte Aktenmappen unterm Arm, Aktenmappen lagen auf dem Tisch, Aktenmappen kamen in die Schränke hinein und aus den Schränken heraus. Das elektronische Zeitalter war noch nicht in die Dienststuben eingezogen. Hier lag noch der Staub von tausenden von Akten.

Die Ereignisse vom Wochenende wurden registriert und besprochen. Zwei Vergewaltigungen, dreizehn Schlägereien und eine Leiche in der Reichenberger Straße. Am Montagmorgen um neun Uhr war eine Leiche aus dem Landwehrkanal gefischt worden.

„Könnte die Leiche im Landwehrkanal mit der Leiche in der Reichenberger Straße identisch sein?“

Man muss alle Möglichkeiten offen halten.“

Unmöglich. In der Reichenberger Straße soll ein dreißig bis sechzig Jahre alter Mann gelegen haben. Aus dem Landwehrkanal wurde ein Schuljunge von sechzehn Jahren herausgeholt. Seine Mitschüler sind draußen. Sie sprechen von unglücklicher Liebe, Einzelgänger, Opfer von Spott und schäbigen Späßen. Scheint mehr ein Disziplinarfall für die Schule zu sein.

Kriminalkommissar Herbert Hegmann übernahm die Leiche in der Reichenberger Straße. Er diskutierte die Situation mit seinen Kollegen. Die Schwestern Macher hatten die Leiche zwischen elf und zwölf Uhr am Sonntagmorgen vor ihrer Haustür gesehen. Die Polizei hatte die beiden Damen gegen dreizehn Uhr in die Reichenberger Straße zurückgefahren. Als die Polizei zur Stelle kam, war die Leiche verschwunden. Man hat die „angebliche“ Fundstelle gründlich untersucht und Blutspuren gefunden. Die Blutbefunde waren zur technischen Untersuchung sichergestellt worden. Ein alter Schuh wurde neben der Treppe gefunden. Es war unsicher, woher der stammte. Ansonsten fehlte jeder weitere Befund. Eine Leiche wurde nicht gefunden. Die diensthabenden Polizeibeamten waren im Haus von Tür zu Tür gegangen. Der Aussage nach hatte niemand was gesehen. Die Glaubwürdigkeit einiger Personen wurde aber angezweifelt. Herbert wollte der Sache noch einmal nachgehen.

Man muss die Ergebnisse aus der Reichenberger Straße mit äußerster Vorsicht behandeln.

Eine Meldung fürs Presseamt?“

Wird sich nicht vermeiden lassen. Die Leute klatschen so oder so.“

Wenn die Presse misstrauisch wird, kommt sie mit unbehaglichen Kommentaren.

Ha, ha, ha Presse! Die Ostpresse ist nicht nur zensuriert, die Artikel werden eigenhändig vom Politbüro geschrieben.“

In einem Artikel der Iswestija wird der Bundeskanzler Adenauer beschuldigt, mit zwei Hakenkreuzen im Gästebuch der Nationalgalerie der Künste in Washington signiert zu haben.“

Alle Westdeutschen sind in der Ostpresse Aggressoren, Revanchehetzer und Faschisten, alle Ostdeutschen sind Friedenstauben, die sich im kommunistischen Taubenschlag der Sowjetunion in ihrer europäischen Koexistenz gefährdet fühlen.“

Der Osten will die Entspannung, sagt die Sowjetunion. Der Westen glaubt eh nicht daran, jedenfalls nicht, solange die Sowjetunion versucht, in aller Welt Hass und Feindseligkeit gegen die Bundesrepublik zu schüren.“

Das ist Wasser auf Franz Josef Strauß’ bajuwarische Mühlen. Er will seinen politischen Weizen nur noch mit atomarem Antrieb mahlen. Wenn die Bundesrepublik keine Atomwaffen bekommt, pfeife der Westen aus dem letzten Loch und Moskau lache sich ins Fäustchen, sagt Strauß.“

„Hört! Hört!“

„Klar doch, Pankow liebt solche Töne. Für die ist Franz Josef Strauß der leibhafte Beweis, dass die Bundesrepublik einen Bruderkrieg plant, einen Revanchekrieg. Die rechten Faschisten versuchen, die Sowjetunion mit Atomwaffen zu erpressen.“

Soll es einem da nicht ans Herz greifen, wenn man den gewaltigen Verteidiger der Friedenstauben, Nikita Chruschtschow in Baku in diplomatische Reden eingezwängt sieht?“

Der Kriminalbeamte las aus der Tageszeitung vor:

„Der Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland bedeutet zugleich die Beseitigung des Besatzungsregimes in Westberlin und damit den Abzug der Besatzungstruppen aus Westberlin. Falls die Westmächte keinen Friedensvertrag mit der Bundesrepublik unterzeichnen wollten, würde das ihnen die Rechte nicht wahren, auf deren Wahrung sie bestehen. Sie würden dann natürlich des Rechtes auf Zutritt zu Westberlin verlustig gehen.“

Hast du noch mehr Kalauer auf Lager? Du könntest versuchen, auch mal zu arbeiten.“

Die Schandmauer

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