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Ende der Revolution, Ergebnisse

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Für das Ende eines Krieges wird meistens ein präzises Datum anzugeben sein, das des Waffenstillstands oder der Unterzeichnung des Friedensvertrags. Das Ende einer Revolution läßt sich oft schwieriger ermitteln. Es ist manchmal günstiger, statt vom Ende von einer Endphase zu sprechen, gerade auch in Bezug auf die Novemberrevolution. Hier befindet sich die historische Wissenschaft in einer gewissen Verlegenheit, wenn sie einen Endpunkt auffinden soll. Resolut entscheiden sich die Verfasser der Geschichte der Arbeiterbewegung für den 19. Januar 1919.75 Wer so entscheidet, hat er das zweifellose „Enddatum“ ermittelt? Er durchschneidet einmal schon die Entwicklung in Berlin von den Januar- bis zu den Märzkämpfen, er zertrennt die Entwicklung in München von der Ausrufung der Republik über die Ermordung Eisners bis hin zur Räterepublik, er zerlegt die Geschichte der Räterepublik Bremen in zwei ungleiche Abschnitte.

Andere Autoren anders. Graf Kessler notiert sich am 2. September 1919: „Mein Eindruck ist jetzt auch, daß die Revolution vorläufig zu Ende ist. Was gegenwärtig marschiert, ist die Gegenrevolution, hinter der die Monarchie schon deutlich wiederauftaucht. … da nichts dauernd stillstehen kann, so kommt jetzt die rückläufige Bewegung, die Gegenrevolution.“ Den vollen Ernst in Kesslers Fazit wird man nicht verkennen: „Das wird Deutschlands wirkliche Niederlage.“76 Im vorliegenden Buch wird die Novemberrevolution vom 29. September 1918 bis zum Anfang Mai 1919 gerechnet, also vom Beginn der Revolution von oben bis zur Niederwerfung der einstweilig letzten Aktion der Revolution von unten, dem Ende der Bayerischen Räterepublik … womit doch nicht ein Scheitern des Gesamtvorgangs, des Konglomerats, des so schwer entwirrbaren „Knäuls“ in eins fällt.

Es kommt auf die jeweilige Perspektive an. Aus welcher wird geurteilt? „Gescheitert“: aus Sicht der Räte? Aus Sicht der Räte, gewiß. Indessen die Vorstellungen der Räte waren ebenso wenig wie die der Massen – die man alles in allem heutzutage doch nicht mehr rekonstruieren kann – mit „den“ Zielen „der“ Revolution identisch. Fragwürdig ist daher eine ältere Erläuterung von Karl Korsch (1920): „Der konterrevolutionäre Charakter der gesamten politischen Entwicklung in Deutschland seit dem 9. November 1918 zeigt sich am deutlichsten in der Geschichte der politischen Arbeiterräte.“77 Wenn es wirklich darum ging, die Entwicklung als ganze zu bewerten, mußte dies auch anhand der ganzen Entwicklung geschehen. Hier wurde aber ein Urteil aus einer vereinzelten Perspektive abgegeben, derjenigen der politischen Arbeiterräte.

Als 1919 am 10. Januar Mitglieder der USPD und KPD in Bremen die Räterepublik schufen, war dies, so Engel, ein „Akt der Solidarität mit den Berliner Januarkämpfern“ und „zugleich Ausdruck der Illusion der Linksradikalen wie der Linkssozialisten in der Bremer USPD, man müsse und könne die Revolution noch über den erreichten bürgerlichdemokratischen Fortschritt bis zu einer sozialistischen Umwälzung vorantreiben.“78 Der bürgerlich-demokratische „Fortschritt“ – ein Ergebnis der Revolution, ein positives, wenn auch partielles, neben den erwähnten negativen, wiederum partiellen. Erforderlich bleibt die differenzierende Untersuchung unter der Fragestellung: In welcher Hinsicht endete die Revolution negativ, mit einem unglücklichen Ergebnis, in welcher anderen Hinsicht erzielte sie ein positives? Verfährt man so, gelangt man vielleicht sogar dahin, der Revolution zu attestieren: erfolgreich – in Maßen oder mehr –. So konnte zum 90. Jahrestag der Revolution ausgesprochen werden: „Mit der Annahme der Verfassung in Weimar im August 1919 wurde die bürgerlich-demokratische Staatsordnung in Deutschland etabliert, und sie bedeutete auch den Durchbruch zur Anerkennung wesentlicher Rechte der Lohnarbeitenden. Insofern war die Revolution 1918/19 die erste erfolgreiche Revolution in Deutschland – und das wurde maßgeblich von der Arbeiterbewegung erreicht.“79

1928 stellte Hermann Müller einen Katalog dessen zusammen, was sich „durch die Revolution grundlegend geändert hat“: nicht allein „die Verfassungsverhältnisse“, sondern es gebe auch „die Verbesserungen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens“. Außer der Veränderung der „Verfassungsverhältnisse“ was? – Die Revolution habe die Gesindeordnung und die ausnahmegesetzlichen Bestimmungen für die Landarbeiter beseitigt und diesen das Koalitionsrecht gegeben; den Kreis der Sozialversicherten bedeutend erweitert; die Beamten zu freien Staatsbürgern gemacht; die Grundlage für ein deutsches Tarifrecht geschaffen; den Achtstundentag verankert; sie gab „den Betriebsräten ihre Stellung im Gesetz. Das war ein erster kleiner Versuch zu dem großen Ziel: neben die politische Demokratie die Wirtschaftsdemokratie zu setzen.“80 Gerhard A. Ritter und Susanne Miller zogen den Schluß: „Dennoch entsprach es der Realität …, wenn die Führer der Arbeiterbewegung die ‚Errungenschaften der Revolution‘ priesen und ihre eigene Politik mit dem Hinweis auf die Aufgabe, sie zu bewahren, rechtfertigten. Denn in der Sozialpolitik, im Arbeitsrecht, in der Stellung der Gewerkschaften und vor allem in der demokratischen Gleichstellung aller Staatsbürger und -bürgerinnen sind Forderungen mit einem Schlag erfüllt worden, um die jahrzehntelang gekämpft worden war. Auf diesen Gebieten liegen die bleibenden innenpolitischen Verdienste der Revolution. Ihre staatspolitische Leistung war die Abwehr des drohenden Zerfalls des Reiches.“81

Ulla Plener begründete die Notwendigkeit, der Revolution in der deutschen Geschichte einen herausragenden Platz zuzuschreiben, mit Hinweis auf das wichtigste Resultat: Beendigung des Kriegs, Sturz des Kaisertums und Errichtung der Republik. Sie betonte auch die spontanen Massenaktionen, die in erster Linie von der Arbeiterbewegung getragen wurden, und stellte fest: Es war ihr „ein ausgeprägter sozialer und basisdemokratischer Grundzug eigen, was sich besonders in der Bildung und dem anfänglichen Wirken der Arbeiter- und Soldatenräte und in der Forderung nach Sozialisierung niedergeschlagen hatte.“ Sie folgerte: „Insgesamt ging es also um Frieden, demokratische Republik, individuelle staatsbürgerliche Freiheiten – und um die Lösung der sozialen Frage, um kollektive soziale Rechte aller, die Eigentumsfrage eingeschlossen.“82

Fanfaren einer neuen Freiheit

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