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Räucherungen – der Atem der Götter

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Das Räuchern hat gerade im orientalischen Raum eine vieltausendjährige Tradition. Aber auch die griechisch-römische Antike übernahm die Kunst des Räucherns sowohl für religiöse Zwecke als auch für ihre Medizin. Besonders in der Frauenheilkunde hatte das Räuchern einen festen Platz. Gerade bei Gebärmuttererkrankungen empfahlen die griechischen Ärzte eine Beräucherung der Patientin mit wohlriechenden oder auch stinkenden Stoffen von unten, manchmal auch durch die Nase. Bei einigen Erkrankungen sollte der Rauch mittels eines Schlauches in die Vagina geleitet werden. Durch eine Beräucherung des Unterleibes meinten die Ärzte auch feststellen zu können, ob eine Frau schwanger werden konnte oder nicht. Trat der Rauch oder zumindest der Duft des Rauches wieder an der Nase aus, so war ihr Körper durchlässig und zur Empfängnis bereit. Der Gynäkologe Soranos (1. Jh. n. Chr.) (s. S. 120) hielt allerdings eine Beeinflussung der Gebärmutter durch Bedampfung oder Beräucherung für Unsinn. Das Räuchern als Heilmittel scheint in der römischen Medizin von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein. Aber auch in der griechischen Medizin findet man nur selten die Beschreibung der Anwendung bei allgemeinen Erkrankungen wie zum Beispiel Augenleiden oder Halsschmerzen.

Zumindest in der griechischen Antike scheint die Räucherung auch zur Verbesserung der Luft genutzt worden zu sein. Ab und an wandten Ärzte sie bei um sich greifenden Seuchen an. Im Römischen Reich ist dies auch für die „Antoninische Pest“ belegt. Vermutlich war das Räuchern in der Bevölkerung weiter verbreitet als in der wissenschaftlich ausgerichteten Medizin. Magische Räucherrituale waren häufig, aber auch Räucherungen zu wichtigen Begebenheiten des Lebens wie Geburt, Heirat, schwerer Krankheit oder Tod waren durchaus üblich. In Haus, Hof und Stall wurde geräuchert, um die Atmosphäre zu reinigen und Mensch und Tier gesund zu erhalten. Zur Nacht wurde geräuchert, um den Menschen Ruhe und Frieden zu bringen. Aber erst das Mittelalter mit seinen Seuchen und schrecklichen Krankheiten ließ die Tradition des Räucherns wieder mit aller Macht aufleben.

Eine traditionelle Räuchermischung aus dem alten Ägypten war das Kyphi. Es wurde gern am Abend verwandt, um die Menschen zu entspannen und die Sorgen zu vertreiben. Der Geschichtsschreiber und Philosoph Plutarch (1. Jh. n. Chr.) hat uns die Zusammensetzung der Mischung überliefert. Kyphi wurde auch gern, oft in abgewandelter Form, in der griechisch-römischen Antike genutzt.

Kyphi:

 4 Teile Weihrauch

 2 Teile Benzoe

 2 Teile Mastix

 2 Teile Myrrhe

 1 Teil Zeder

 1 Teil Galgant oder Ingwer

 ½ Teil Kalmus oder Eisenkraut

 ½ Teil Kardamon

 7 Rosinen

 ½ Teil Zimtrinde

 ½ Teil Cassia

 ½ Teil Wacholderbeeren

 ½ Teil Iris

 ½ Teil Zypresse

 einige Tropfen Lotossaft

 einige Tropfen Wein

 wenig Honig

Dioskurides (siehe Ärzteporträt S. 79) empfiehlt es Asthmatikern in folgender Zubereitungsart:

Nimm je ½ Xestes (antikes Hohlmaß) Zyperngras, ebenso reife Wacholderbeeren, 12 Minen entkernte saftige Rosinen, 5 Minen gereinigtes Harz, gewürzhaften Kalmus, Aspalathos (Pflanze bisher nicht identifiziert), Schoinos (Binse), von jedem 1 Mine, 12 Drachmen Myrrhe, 9 Xestes alten Wein, 2 Minen Honig. Die Rosinen stoße nach der Entkernung und verarbeite sie mit Wein und Myrrhe, und das andere stoße und siebe und mische es dann diesem zu und lasse es ein Tag aufeinander einwirken. Nachdem du dann den Honig bis zur Leimkonsistenz gekocht hast, mische vorsichtig das geschmolzene Harz zu, darauf das Übrige, nachdem du es sorgfältig zerstoßen hast, und bewahre es in einem Gefäß auf.

Hippokrates – der Wissenschaftler

„Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt, und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und Göttinnen ...“ Es gibt kaum jemanden, der noch nie etwas vom Eid des Hippokrates (Abb. 5) gehört hat. Aber wer war dieser Hippokrates? Es gibt kaum gesicherte Informationen über diesen berühmten Arzt. Zahlreiche Legenden und Geschichten ranken sich um seinen Namen. Auch weiß man nicht, wie er ausgesehen hat. Porträts oder Statuen, die man ihm sicher zuweisen könnte, gibt es nicht.

Man weiß: Er wurde um 460 v. Chr. auf der Insel Kos als Sohn des Arztes Herakleides und seiner Frau Phainarete geboren. Er stammte aus der Ärztesippe der Asklepiaden, die ihren Stammbaum bis zum Heilgott Asklepios zurückführten. Er ging bei seinem Vater in die Schule, wie es für angehende Ärzte üblich war, und arbeitete nach seiner Lehre eine Weile auf Kos als Arzt und Lehrer. Später reiste er als Wanderarzt durch Griechenland und die östlichen Nachbarländer. Er war Zeitgenosse Platons, in dessen Dialogen er zweimal Erwähnung findet, und des Aristoteles, von dem wir wissen, dass Hippokrates zwar ein großer Arzt, aber klein von Gestalt war. Es war die Zeit des Sokrates, des Perikles, des Sophokles. Die Zeit des Sieges von Salamis, der die persische Gefahr abwendete und die Zeit des peloponnesischen Krieges, der Griechenland schwächte und von dem es sich nie wieder richtig erholte. Hochbetagt starb Hippokrates in Larissa in Thessalien. Den Quellen nach wurde er zwischen 85 und 109 Jahre alt.

Eine Sammlung von rund 60 Schriften, das sog. Corpus Hippocraticum, wurde ihm lange Zeit zugeschrieben. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die meisten Schriften von anderen Autoren aus verschiedenen Zeiten stammen. Die Verfasser der Schriften gehörten überwiegend der von Hippokrates gegründeten (?) Ärzteschule auf Kos an, deren Lehren sich von anderen Schulen unterschied.

Was ist das Besondere der hippokratischen Medizin? Die Ablehnung übernatürlicher Einflüsse oder magischer Behandlungsweisen und die Betonung des naturalistischen Standpunktes. Krankheit ist ein rational erklärbarer Prozess. Grundlage aller Krankheiten ist das Ungleichgewicht der vier Säfte – Blut, Schleim, schwarze Galle, gelbe Galle. Gesundheit ist der Zustand der harmonischen Mischung der Säfte (eukrasia).

Diese sog. Viersäftelehre hat die Medizin des Abendlandes bis in die Neuzeit hinein bestimmt. Der Arzt sah seine Hauptaufgabe in der Unterstützung der Selbstheilungskräfte. Hilfreich erschien das Ableiten krankhafter Säfte durch Aderlass, Schröpfen, schweißtreibende und Erbrechen hervorrufende Mittel. Dabei achtete der verantwortungsvolle Arzt darauf, mit dem mildesten Mittel zu beginnen nach dem Motto „Nützen oder doch nicht schaden“. Es gab Umschläge, Massagen, Bäder. Wunden, Knochenbrüche und Verrenkungen wurden behandelt. Blutige Eingriffe sollten möglichst vermieden werden. Die Pflanzenheilkunde spielte keine große Rolle. Kräutertees wurden fast gar nicht genutzt. Dagegen fanden medizinische Tränke häufige Anwendung. Gern wurden Drogen in Suppen oder Getreidebreie eingerührt. Verbreitet waren auch Anal- und Vaginalzäpfchen, bei denen die Drogen in Harz oder Fett verknetet wurden. Meist wurden Heilpflanzen jedoch in Form von Heilpflastern oder Kataplasmen, heißen Breiumschlägen, äußerlich angewendet. Erst in nachhippokratischer Zeit machte die Medizin in Bezug auf die Phytotherapie große Fortschritte. In Folge der Alexanderzüge wurden neue Drogen bekannt, und die Heilpflanzenkunde gewann zunehmend an Beachtung.

Für hippokratische Ärzte hatte die Diätetik die größte Bedeutung, die in diesem Fall nicht nur die Ernährung, sondern auch die Regelung der gesamten Lebensführung umfasste. Dabei wurde betont, dass ein Mensch behandelt wurde, nicht eine Krankheit; dass der ganze Körper der Behandlung bedurfte und nicht nur ein Teil. Der Patient musste sorgfältig beobachtet werden, seine Körperhaltung, die Körpertemperatur, die Atmung, die Beschaffenheit der Haut, die Gerüche, die Geräusche; alle Symptome, so unbedeutend sie auch erscheinen mochten. Welchen Umwelteinflüssen war der Mensch ausgesetzt, wie war die vorherrschende Windrichtung, wie die Beschaffenheit von Boden und Trinkwasser, welche allgemeine Wetterlage herrschte vor? Die Verordnungen waren diesen speziellen Bedingungen, der Konstitution des Patienten, seinem Allgemeinzustand und seinen Lebensgewohnheiten anzupassen. Auch die seelische Situation des Patienten spielte eine große Rolle.

Der Arzt zur Zeit des Hippokrates war an der Diagnose kaum interessiert. Für ihn waren in erster Linie die Prognose und die Behandlung wichtig. Dies erklärt sich durch die übliche Tätigkeit als Wanderarzt.

„Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt ...“ – Dieser Eid stammt wahrscheinlich aus dem 4. Jh. v. Chr., aber nicht von Hippokrates. Die fortschrittliche medizinische Ethik, die in ihm beschrieben wird, lässt ihn zeitlos gültig erscheinen.


Abb. 5: Hellenistische Marmorbüste des Hippokrates. Griechenland, um 280 v. Chr. Hippokrates als der berühmteste aller Ärzte wurde zu allen Zeiten vielfach dargestellt. Wie er wirklich ausgesehen hat, wissen wir leider nicht. Florenz, Uffizien.

Der Eid des Hippokrates

Ich schwöre bei Apollon dem Arzt und bei Asklepios, Hygieia und Panakeia sowie unter Anrufung aller Götter und Göttinnen als Zeugen, dass ich nach Kräften und gemäß meinem Urteil diesen Eid und diesen Vertrag erfüllen werde: Denjenigen, der mich diese Kunst gelehrt hat, werde ich meinen Eltern gleichstellen und das Leben mit ihm teilen; falls es nötig ist, werde ich ihn mitversorgen. Seine männlichen Nachkommen werde ich wie meine Brüder achten und sie ohne Honorar und ohne Vertrag diese Kunst lehren, wenn sie sie erlernen wollen. Mit Unterricht, Vorlesungen und allen übrigen Aspekten der Ausbildung werde ich meine eigenen Söhne, die Söhne meines Lehrers und diejenigen Schüler versorgen, die nach ärztlichem Brauch den Vertrag unterschrieben und den Eid abgelegt haben, aber sonst niemanden. Die diätetischen Maßnahmen werde ich nach Kräften und gemäß meinem Urteil zum Nutzen der Kranken einsetzen, Schädigung und Unrecht aber ausschließen. Ich werde niemandem, nicht einmal auf ausdrückliches Verlangen, ein tödliches Medikament geben, und ich werde auch keinen entsprechenden Rat erteilen; ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel aushändigen. Lauter und gewissenhaft werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Auf keinen Fall werde ich Blasensteinkranke operieren, sondern ich werde hier den Handwerkschirurgen Platz machen, die darin erfahren sind. In wie viele Häuser ich auch kommen werde, zum Nutzen der Kranken will ich eintreten und mich von jedem vorsätzlichen Unrecht und jeder anderen Sittenlosigkeit fernhalten, auch von sexuellen Handlungen mit Frauen und Männern, sowohl Freien als auch Sklaven. Über alles, was ich während oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen sehe oder höre und das man nicht nach draußen tragen darf, werde ich schweigen und es geheim halten. Wenn ich diesen meinen Eid erfülle und ihn nicht antaste, so möge ich mein Leben und meine Kunst genießen, gerühmt bei allen Menschen für alle Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, dann soll das Gegenteil davon geschehen.

Facies Hippocratica

Der aufmerksame Beobachter Hippokrates beschreibt im Corpus Hippocraticum genau den Gesichtsausdruck des Sterbenden, der nach dem griechischen Arzt noch heute Facies Hippocratica genannt wird:

In akuten Krankheiten muss man auf Folgendes achten: zuerst auf das Gesicht des Kranken, ob es demjenigen gesunder Menschen gleicht, vor allem aber, ob es sich selbst gleichsieht. So wäre es am günstigsten; am schlimmsten aber wäre die größte Unähnlichkeit. Dann sieht es so aus: spitze Nase, hohle Augen, eingesunkene Schläfen, die Ohren kalt und zusammengezogen, die Ohrläppchen abstehend; die Haut im Gesicht hart, gespannt und trocken. Die Farbe des ganzen Gesichts grünlich oder grau.

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