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Die Philosophenärzte – Wer bin ich? Wie soll ich leben?

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Durch die Verbindung der Medizin mit der vorsokratischen Naturphilosophie wurde der Heilkunde ein wissenschaftliches Fundament gegeben. Die ionische Naturphilosophie versuchte, die Welt ohne magische oder mythologische Denkmodelle zu erklären. Und auch Krankheiten sahen die Gelehrten nicht mehr als gottgegeben an, sondern deuteten sie rein wissenschaftlich. Diese Zeit ist gekennzeichnet durch das leidenschaftliche Streben nach Erkenntnis. Die meisten Philosophen waren gleichzeitig auch Heilkundige, Biologen, Zoologen, Physiker, Mathematiker und Astronomen. Und sie schrieben gern. Die Schriften der großen Philosophen überdauerten die Zeiten.

Die Philosophie wurde zur Grundlage aller medizinischen Theorien und Methoden. Besonders deutlich wird die wechselseitige Beeinflussung bei den philosophisch-naturwissenschaftlichen Systemen des Platon und Aristoteles. Bei Hippokrates (s. S. 22) wird die wissenschaftlich geprägte Medizin deutlich sichtbar. Auch die Ärzteschulen, die sich in hellenistischer Zeit entwickelten, lehrten Medizin auf der Grundlage verschiedener philosophischer Strömungen. Ein griechischer Arzt war gleichzeitig auch immer ein Philosoph. Das blieb sehr lange so.

Der berühmte Arzt Galen von Pergamon (1. Jh. n. Chr.) (s. S. 61), der sich ganz der hippokratischen Tradition verschrieben hatte, verlangte, dass ein Arzt nur so genannt werden dürfte, wenn er auch eine philosophische Ausbildung besaß. Daraus lässt sich schließen, dass sich in römischer Zeit eine Ärzteschaft entwickelt hatte, die zwar Medizin, aber nicht mehr Philosophie studiert hatte.

Demokedes von Kroton – der Abenteurer

Demokedes wurde um 500 v. Chr. in Kroton, einer achäischen Kolonie in Süditalien, als Sohn eines Arztes geboren. Wie wissen einiges über sein Leben, was wir in erster Linie dem Geschichtsschreiber Herodot verdanken, der über ihn als den besten Arzt seiner Zeit berichtete.

Demokedes kam nicht gut mit seinem jähzornigen Vater aus und verließ, so bald er seine Ausbildung beendet hatte, Kroton und ließ sich in Aigina nieder. Hier machte er rasch Karriere, die Stadt Aigina ernannte ihn zum öffentlichen Arzt und bezahlte ihm das recht stattliche Gehalt von einem Talent Silber. Rasch wurde er jedoch durch Athen abgeworben und konnte alsbald dem großzügigen Angebot des Tyrannen Polykrates von Samos nicht widerstehen. Dort soll er bereits zwei Talente (zwischen 26 und 37 kg Silber) im Jahr verdient haben. Am Hof des Herrschers ging es ihm gut, aber Polykrates wurde unglücklicherweise 522 v. Chr. ermordet, und Demokedes geriet in Gefangenschaft des Perserkönigs Dareios I. Eine Zeit lang lebte er unerkannt als elender Sklave in Sardis. Eines Tages fiel jedoch der Großkönig beim Jagen vom Pferd und verrenkte sich den Fußknöchel. Sofort waren die ägyptischen Ärzte seines Gefolges zur Stelle, versuchten das Fußgelenk des Herrschers wieder einzurenken und legten ihm solch straffe Verbände an, dass Dareios unter unerträglichen Schmerzen litt und sieben Nächte nicht schlafen konnte. Ein Mann seines Gefolges machte ihn auf den gefangenen griechischen Arzt aufmerksam. In Ketten, angetan mit schmutziger, zerrissener Kleidung wurde ihm der Sklave vorgestellt. Demokedes weigerte sich zunächst, den Großkönig zu behandeln, denn er befürchtete, dann niemals wieder in Freiheit entlassen zu werden, aber Dareios drohte ihm mit Folter und Tod, sodass er schließlich notgedrungen zustimmte.

Zunächst befreite er den Herrscher von den straffen Verbänden und legte heilsame, schmerzlindernde Kräuterumschläge an. Dareios konnte wieder schlafen und genas innerhalb kurzer Zeit. Sein Fuß, den er schon fast aufgeben hatte, gewann die volle Funktionsfähigkeit zurück. Zum Dank schenkte der König Demokedes zwei goldene Fußfesseln, eine wenig subtile Art, dem Arzt klarzumachen, dass er noch immer ein Sklave war. Die Frauen des Herrschers waren dem Griechen so dankbar für die Heilung ihres Herrn, dass sie ihm Gefäße randvoll mit Gold schenkten, die Demokedes reich machten und ihm die Möglichkeit gaben, ein prunkvolles Haus in Susa zu kaufen. Noch immer Sklave, wenn auch mit erheblich mehr Freiheiten, wurde er Leibarzt Dareios’ I. Nur seiner beredten Fürsprache war es zu verdanken, dass die unglücklichen ägyptischen Ärzte dem Zorn des Großkönigs entkamen, der bereits ihre Hinrichtung durch Pfählen, oder alternativ durch Kreuzigung, befohlen hatte.

Als Leibarzt war Demokedes Tischgenosse des Herrschers und hatte Zugang zu dessen Harem. Atossa, eine der Lieblingsfrauen des Dareios, erkrankte an einem Geschwür in der Brust und vertraute sich dem griechischen Arzt an. Es gelang ihm, sie zu heilen und er gewann sie zur treuen Freundin. Mit ihrer Hilfe schaffte er es, Dareios zu einem Feldzug gegen Hellas zu überreden und wurde auf Atossas Fürsprache hin mit einigen persischen Kriegern, die auf ihn aufpassen sollten, als Kundschafter ausgewählt. In Tarent in Unteritalien bat er König Aristophiles um Hilfe, der die persischen Spione gefangen setzte.

Endlich frei, reiste Demokedes zurück in seine Heimatstadt Kroton, ließ sich dort als Arzt nieder und heiratete die Tochter des berühmten Olympioniken Milon. Aber die persischen Kundschafter wollten so schnell nicht aufgeben, sie fürchteten den Zorn ihres Herrn. Kaum wieder in Freiheit, reisten sie nach Kroton und ergriffen ihren flüchtigen Gefangenen. Sie hatten nicht mit dem Zorn der Krotoniaten gerechnet, die ihren Arzt befreiten und die Perser aus ihrer Stadt prügelten. Allerdings ließ ihnen Demokedes noch eine Nachricht für den Großkönig ausrichten. Er wusste, dass Dareios ein begeisterter Anhänger des erfolgreichen Ringkämpfers Milon war, und ließ ihm mitteilen, dass er die Tochter des Olympioniken geheiratet habe und ein sehr angesehener Arzt in seiner Heimat sei. Die Zeit der Abenteuer war vorüber. Bis zu seinem Tod lebte Demokedes friedlich in seiner Heimatstadt Kroton.

Leider erfahren wir nichts über die Arzneimittel und Heilmethoden, die Demokedes angewandt hat, weder bei der Fußverletzung des Großkönigs noch bei dem Brustgeschwür seiner Lieblingsfrau. Da er aber ein überaus erfolgreicher und angesehener Arzt gewesen ist, müssen seine Kenntnisse über Krankheiten und Heilmittel umfassend gewesen sein.

Das Erscheinungsbild des Arztes – Vorschrift aus dem Corpus Hippocraticum (Autor unbekannt)

Das Auftreten des Arztes denke ich mir so: Dem Aussehen nach wird er gut von Farbe und wohlgenährt sein, soweit es seine Natur zulässt. Denn beim Volk stehen die Ärzte, die nicht in diesem Sinne in gutem körperlichen Zustand sind, in dem Ansehen, dass sie auch für andere nicht gut sorgen können. Ferner soll seine Aufmachung reinlich sein; er trage anständige Kleidung und brauche wohlriechende Salben. Denn alles dieses empfinden die Kranken angenehm, und darauf muss man achten. Sein Charakter sei besonnen, was sich nicht nur in seiner Verschwiegenheit, sondern auch in seiner durchaus geordneten Lebensführung zeigen soll; denn das ist besonders vorteilhaft für ein gutes Ansehen. Er verhalte sich wie ein Ehrenmann. Als solcher sei er allen Menschen gegenüber zugleich ernst und freundlich; denn allzu beflissenes Entgegenkommen wird verachtet, auch wenn es ganz nützlich ist. Er sei nicht zu freigiebig mit seiner Person; denn dasselbe sieht man an denselben Personen nur dann gern, wenn sie sich rar machen. Seine Miene sei nachdenklich ohne Strenge; denn ein allzu selbstbewusster Mensch erweckt den Eindruck, menschenfeindlich zu sein. Wer aber immer gleich zum Lachen geneigt und allzu vergnügt ist, wird für einen unfeinen Menschen gehalten; davor muss man sich nicht am wenigsten hüten. In jedem Umgang mit Menschen zeigt er sich als ein rechtlicher Mann, denn in vielen Fällen muss ihm Rechtlichkeit zur Seite stehen. Die Kranken haben ja recht enge Beziehungen zum Arzt; denn sie geben sich den Ärzten in die Hand, und diese kommen zu jeder Zeit mit Frauen, Mädchen und dem wertvollsten Besitz in Berührung. All dem gegenüber muss man Selbstbeherrschung üben. So sollen sein Charakter und seine körperliche Beschaffenheit sein.

Empedokles von Akragas – Wunderheiler und Seuchenarzt

Empedokles wurde etwa um 500 v. Chr. in der reichen Handelsstadt Agrigent auf Sizilien geboren. Wie alle Ärzte seiner Zeit war er gleichzeitig ein gelehrter Philosoph und Naturforscher. Er stammte aus einer Adelsfamilie, angeblich hatte man ihm sogar die Königswürde angetragen, aber ihm lag das Wohl des Volkes am Herzen. Mit Sendungsbewusstsein, missionarischem Eifer und unter Einsatz seines nicht geringen Vermögens versuchte er, die Gesetze der Stadt zugunsten demokratischer Vorstellungen zu verändern. Sehr erfolgreich war er damit nicht. Den Großen der Stadt wurde es irgendwann zu viel, und sie vertrieben den einflussreichen, leidenschaftlichen Unruhestifter. Empedokles war zu dieser Zeit nicht mehr jung. Die Sage berichtet, dass er sich in den Krater des Ätna gestürzt habe, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Das muss etwa um 430 v. Chr. gewesen sein. Vermutlich ist er aber, weniger spektakulär, auf das griechische Festland ausgewandert.

Für uns besonders interessant ist sein Leben als Wanderarzt. Von Empedokles werden sagenhafte und mystische Begebenheiten berichtet. So soll er Stürme besänftigt, Wassermassen aufgehalten und dem Tod Einhalt geboten haben. Plinius berichtet über den Arzt, dass er während einer verheerenden Seuche Kranke durch magische Ausräucherungen geheilt habe. Überhaupt scheint er sich häufig in Seuchengebieten aufgehalten zu haben. Er ließ Süßwasserkanäle anlegen, verseuchtes, fauliges Wasser ableiten, Sümpfe trockenlegen und schüttete ganze Täler auf, um die Klimabedingungen zu verbessern. In Selinunt wurde er beinahe wie ein Gott verehrt, weil er durch das Umleiten zweier Flüsse die Stadt vor Seuchen und Krankheiten rettete.

Empedokles gilt als Begründer der Vier-Elemente-Lehre. Seiner Theorie nach ist die Welt aus den vier Elementen Wasser, Erde, Luft und Feuer aufgebaut. Diese vier Elemente bestehen wiederum aus kleinsten Teilchen, die in sich gleichartig sind. Alle Dinge bestehen aus verschiedenen Mischungen dieser Teilchen, auch der menschliche Körper. Ein Ungleichgewicht der Elemente im Körper führt zu Krankheit.

Seine Porenlehre besagt, dass alle sichtbaren Objekte Poren verschiedener Größe besitzen. Zudem gehen von allen sichtbaren Körpern unsichtbare „Ausflüsse“ aus, die wiederum in ihnen entsprechende Poren einzudringen vermögen, womit er auch die Sinneswahrnehmungen erklärt. Sitz des Denkens und der sinnlichen Wahrnehmung war für Empedokles das Herz. Er erkannte, dass es sowohl eine Atmung durch die Nase als auch durch die Haut gibt, auch wenn seine Erklärung dazu aus heutiger Sicht falsch ist.

Da er ein Anhänger der Lehre der Seelenwanderung war, lehnte er das Schlachten von Tieren leidenschaftlich ab. Er nannte es ein „scheußliches Morden“. Andererseits sezierte er viele menschliche Embryos und Föten und machte detaillierte Aussagen zur Zeugung und zur Entwicklung des Kindes im Mutterleib .

Empedokles war ein großer Arzt und Naturforscher, aber sein Erfolg stieg ihm zu Kopf. Er hüllte sich in teuerste Purpurgewänder, sah sich selbst als einen Bezwinger der Natur, ja, sogar als unsterblichen Gott bezeichnete er sich. Vielleicht stürzte er sich ja wirklich am Ende seines Lebens in den Vulkan. Welch besseren Abgang konnte ein von den Göttern Geliebter haben?


Abb. 4: Ein Arzt behandelt den verwundeten Aeneas. Wandmalerei aus der Casa de Sirico, Pompeji, 1. Jh. n. Chr. Der Chirurg Iapyx operiert mit der Zange einen Pfeil aus dem Bein des Aeneas. Seine Mutter, die Göttin Venus, und Aeneas’ weinender Sohn Ascanius flankieren ihn. Ascanius wurde der erste Herrscher von Alba Longa in Latium. Museo Nazionale Archeologico, Neapel.

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