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Knidos und Kos – die Rivalen

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Die Handels- und Hafenstadt Knidos liegt an der Spitze einer Halbinsel an der südwestlichen Küste Kleinasiens. Ihr gegenüber, etwa 30 km entfernt, liegt die dorische Insel Kos, die Heimat des Hippokrates. Beide Städte waren im 5. und 4. Jh. v. Chr. medizinische Zentren, zwischen denen eine gewisse Rivalität und Konkurrenz angenommen wird.

Die Knidische Schule hatte sich ganz der Empirie und der detaillierten, streng klinischen Beobachtung von Krankheiten und ihren Symptomen verschrieben. Die knidischen Ärzte versuchten, jedem Krankheitssymptom ein Krankheitsbild zuzuordnen. Listenartig zählten sie in ihren Schriften Krankheiten und ihre Heilmethoden auf. Eine Krankheit war strikt durch ihre Symptome definiert, die individuelle Reaktion des Erkrankten interessierte die knidischen Ärzte nur am Rande. Nicht selten kam es zu einer großen Anzahl von Untergliederungen ein und derselben Krankheit. Galen berichtet, dass die Knidier sieben Gallen-, zwölf Blasen-, vier Nieren-, vier Gelbsucht-, vier Tetanus- und drei Schwindsuchterkrankungen unterschieden. Der lokale Charakter einer Krankheit wurde stark betont. Demzufolge praktizierten die Ärzte auch in erster Linie eine örtliche Therapie. Chirurgische Eingriffe, die Anwendung des Brenneisens und zum Teil recht derbe mechanische Praktiken waren für einen knidischen Arzt das tägliche Brot. Die Behandlung eines Gebärmuttervorfalles wird folgendermaßen beschrieben: Die Patientin wird für vierundzwanzig Stunden mit dem Kopf nach unten aufgehängt, in dieser Zeit gibt man ihr Getreidebrei zu essen, dann lässt man sie mit einem heftigen Ruck nach rücklings fallen. Auch Trepanationen (s. S. 153 ff.), Nieren- und Lungenpunktionen, das Durchtrennen von Rippen, um eine Flüssigkeitsansammlung im Brustraum zu behandeln, und vielerlei andere chirurgische Praktiken waren gang und gäbe. Die knidischen Ärzte waren ausgesprochen kenntnisreich im Abhören des Brustkorbes. Die überlieferten Schriften über gynäkologische Themen zeichnen sich durch großen Sachverstand aus. Die knidische Schule hat hervorragende Ärzte hervorgebracht, die die Medizin ein großes Stück voranbrachten.

Der Name „Kos“ ist eng mit dem Namen des großen Hippokrates verbunden. Die Schule auf Kos ist etwas jünger als das medizinische Zentrum in Knidos. Während die knidischen Ärzte die Lokalität von Krankheiten betonten und eine recht starre Klassifikation vornahmen, sahen die Ärzte in der Tradition von Kos den kranken Menschen in seiner Gesamtheit und in seiner Individualität. Anders als ihre knidischen Kollegen glaubten die koischen Ärzte, dass sich ein Kranker in kein Schema pressen lässt. Sie beobachteten genau und stellten dann aufgrund einer umfangreichen Untersuchung des Kranken und seines Umfeldes eine Prognose. Die Prognostik wiederum setzte sich aus Krankengeschichte, Diagnose und der Voraussage über den Verlauf der Krankheit zusammen. Die Ärzte aus Kos hatten das Prinzip „Auf jeden Fall nicht schaden“. Sie betonten die

Apollonides von Kos – der Liebhaber

Apollonides von Kos lebte etwa in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. Nicht durch besonderes ärztliches Können tritt er aus dem Dunkel der Geschichte, sondern wegen seiner Liebschaft zu der Tochter des persischen Großkönigs Xerxes I. Der koische Arzt genoss einen guten Ruf in der persischen Welt, nicht zuletzt durch die Heilung einer schweren Verletzung des berühmten Feldherrn Megabyzos. So wurde er Hofarzt am persischen Königshof. Eine Zeitlang ging alles gut, aber dann erkrankte Amytis, die Tochter des Königs. Apollonides stellte die Diagnose einer Gebärmuttererkrankung. Als Therapie schlug er regelmäßigen Geschlechtsverkehr vor. Da er selbst Amytis begehrte, wurde er auch gleich selbst der Therapeut und nahm eine sexuelle Beziehung zu der Prinzessin auf, die zunächst geduldet wurde. Damit stellte er sich außerhalb der ethischen Grundsätze des hippokratischen Eides, die eine sexuelle Beziehung mit einer Patientin verboten.

Trotz seines „hingebungsvollen“ Einsatzes wurde die Prinzessin nicht gesund, im Gegenteil, sie wurde immer kränker. Apollonides brach die Beziehung ab. Ob Amytis ihren Arzt und Liebhaber von Anfang an ablehnte oder ihm den Abbruch der Beziehung übel nahm, wissen wir nicht. Doch kurz bevor sie starb, vertraute sie sich ihrer Mutter an und bat sie um Rache. Die Mutter zögerte nicht und machte ihren Einfluss beim König geltend. Xerxes ließ den einst so geschätzten Arzt gefangen nehmen, foltern und schließlich lebendig begraben. So endete die steile Karriere des Apollonides von Kos.

Diätetik in ihrem weitesten Sinn als erstes und bestes Heilmittel, die Chirurgie spielte eine weit untergeordnetere Rolle als in Knidos.

Die Rivalität zwischen den beiden, so nahe beieinanderliegenden medizinischen Schulen, noch vor wenigen Jahren von vielen Wissenschaftlern ausdrücklich betont, wird heute bezweifelt. Beide Zentren brachten hervorragende Ärzte hervor. Im Corpus Hippocraticum finden sich Schriften beider Lehren. Vermutlich haben sich die unterschiedlichen Lehren gegenseitig beeinflusst und beflügelt.

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