Читать книгу Einmal Dresden - nicht zurück - Heike Susanne Rogg - Страница 11
Bergers Verschwinden
ОглавлениеBeim Aufwachen am nächsten Morgen fiel Susanne siedend heiß ein, dass der vergessene Hotelschlüssel noch in ihrer Jackentasche steckte. Ob derjenige, welcher ihn im Bus gelassen hatte, in sein Zimmer gekommen war? Sie hatte jedenfalls nicht gehört, dass es bei ihnen geklopft hätte. Wahrscheinlich gab es Ersatzschlüssel an der Rezeption.
Nachdem die Morgentoilette beendet war, gingen Hannes und seine Frau zum Frühstück. Das Buffet sah wie immer verlockend aus und Susanne bedauerte, ein Frühstücksmuffel zu sein. Als sie sich, mit einem Marmeladenbrötchen auf dem Teller, zu ihrem Mann setzte, bestellte dieser gerade ihren morgendlichen Latte macchiato und beide begannen zu frühstücken. Hannes erging es, was das frühe Essen betraf, besser. Eier mit Speck, Brötchen und Müsli gehörten für ihn zu einem ausreichenden Frühstück dazu. Erst danach wurde er langsam munter. Nach dem dritten Kaffee durfte man ihn sogar ansprechen.
Susanne erzählte ihm von dem Schlüssel, der noch oben lag. Er meinte, sie solle ihn nachher holen und die Gruppe fragen, wer ihn vergessen habe. Nachdem Susanne fertig gefrühstückt hatte, schweiften ihre Blicke durch den Speisesaal. Da die Busgruppe gemeinsam frühstückte, fiel ihr sofort auf, dass Rüdiger Berger nicht anwesend war. Ob ihm der Schlüssel gehörte? Sie erhob sich und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. In ihrem Zimmer ergriff sie die Zimmerliste und holte den Schlüssel. Nummer 216, auf der Liste stand hinter dieser Zahl der Name Berger.
Zurück im Erdgeschoss setzte sie sich zu Hannes:
»Du Hannes, der Schlüssel gehört dem Berger. Der ist aber nicht beim Frühstück. Ob der woanders schlafen musste, weil er nicht in sein Zimmer kam?«
»Blödsinn«, meinte Hannes, »der hätte die Tür doch vom Nachtportier aufschließen lassen können. Er wird verschlafen haben.«
Damit konnte er seine Frau nicht beruhigen. Sie ging an die Rezeption und ließ sich mit Zimmer 216 verbinden.
Es klingelte. Einmal, zweimal, dreimal, aber niemand meldete sich. In der Zwischenzeit kam auch Hannes aus dem Speisesaal in die Lobby.
»Er meldet sich nicht«, benachrichtigte Susanne ihn, »was machen wir jetzt?«
Hannes überlegte einen Moment, dann bat er die Rezeptionistin nachzusehen, ob in Zimmer 216 alles in Ordnung sei. Diese informierte die Hausdame des Hotels. Gemeinsam begaben sich die drei in den zweiten Stock.
Die Hotelangestellte öffnete mit einem Generalschlüssel die Zimmertür und schaut vorsichtig hinein.
»Hier hat niemand geschlafen«, stellte sie fest, »das Bett ist unbenutzt.«
Ratlosigkeit breitete sich aus. Wo war Rüdiger Berger abgeblieben? War seine Tütteligkeit so ausgeprägt, dass er vergessen hatte, in welchem Hotel er wohnte? Wer hatte ihn wann und wo zuletzt gesehen. Susanne meinte, sich erinnern zu können, dass er am Anleger vom Schiff gegangen war. Aber sicher war sie sich nicht.
»Was machen wir denn jetzt?«, ratlos sah sie ihren Mann an. Der überlegte kurz und erklärte:
»Wir gehen jetzt erst mal zu Kurt. Als Chef der Gruppe weiß er vielleicht mehr.«
Gemeinsam betraten die beiden den Speisesaal, wo die Mehrheit der Fahrgäste noch saß.
»Kurt, weißt du, was mit Herrn Berger ist?«, fragte Hannes sogleich.
»Nein, was soll denn sein?«
»Er ist nicht im Hotel und hat heute Nacht auch nicht hier übernachtet. Hat er sich bei dir abgemeldet?«
Der Gruppenchef blickte den Busfahrer erstaunt an.
»Nein, der ist mit uns vom Schiff gekommen und dann in Richtung Altstadt gegangen. Im Bus habe ich ihn später nicht mehr gesehen. Deshalb dachte ich, er will den Abend in Dresden verbringen. Es war ja verabredet, dass alle, die ins Hotel zurück wollten, um achtzehn Uhr am Taschenbergpalais stehen. Da habe ich ihn schon nicht mehr bemerkt.«
Jetzt mischte sich Susanne ein:
»Wisst ihr, ob Berger jemanden in Dresden kennt, den er besuchen wollte? Oder hatte er vielleicht Karten für die Oper?«
Kurt überlegte: »Nein, er erzählte mir nur, dass er viel über Dresden gehört hätte und es jetzt endlich mal sehen wollte. Deshalb ja auch die Reisebuchung bei uns. Aber von Theaterkarten weiß ich nichts.«
»Vielleicht hat er sich verlaufen.« Susanne war wirklich beunruhigt. »Oder ihm ist etwas passiert. Möglicherweise hatte er einen Unfall.«
»Reg dich nicht auf«, versuchte Hannes seine Frau zu beruhigen. »Wir fahren gleich in die Stadt und fragen bei der Polizei nach, ob die etwas wissen. Sollte er vergessen haben, wo er wohnt, konnte er auch kein Taxi nehmen. Und als normaler Mensch geht man dann am besten zur Polizei.«
»Stimmt«, nickte Kurt Altmann, »und wenn ihm was passiert sein sollte, erfahrt ihr das auch bei der Polizei. Ich telefoniere in der Zwischenzeit die Krankenhäuser ab.«
Während Hannes auf dem Netzplan nachsah, wie sie am einfachsten mit der Straßenbahn zur Polizeidirektion in Dresden kamen, besorgte Susanne an der Rezeption Tagestickets für den öffentlichen Nahverkehr.
Kurt fragte derweil bei den Gruppenmitgliedern nach, ob Rüdiger Berger sich bei jemandem gemeldet hatte. Allerdings wussten die anderen genauso wenig von ihm. Mit den wenigsten von ihnen hatte der Sonderling in den vergangenen Tagen ein Wort gewechselt. Irgendwie war er ständig unauffällig mitgelaufen. Deshalb war seine Abwesenheit bisher kaum aufgefallen.