Читать книгу Einmal Dresden - nicht zurück - Heike Susanne Rogg - Страница 6
Ankunft im ›Tal der Ahnungslosen‹
ОглавлениеIn Dresden angekommen, erfolgte der Hotelbezug auf die bewährte Art. Susanne ging an die Hotelrezeption, checkte die Gruppe ein und holte die Zimmerschlüssel. Hannes begab sich in der Zwischenzeit in sein persönliches Fitnessstudio und lud das Gepäck aus.
Das Einzige, was sich diesmal von der üblichen Vorgehensweise unterschied, war die Frage des Hotelmitarbeiters, ob die Kurtaxe von den Gästen bereits kassiert wurde. Susanne sah ihn verblüfft an. Sie stand in der sächsischen Hauptstadt, nicht in einer Kurstadt oder einem Seebad. Anstandshalber wäre ›Guten Tag‹ die korrekte Begrüßung gewesen.
»Was bitte soll ich kassieren?«, Susanne glich einem Fragezeichen.
»Die Kurtaxe, ein Euro dreißig pro Tag und Gast. Das sind pro Person für Ihren Aufenthalt sieben Euro achtzig.«
»Seit wann heißt Dresden denn Bad Dresden?«
»Wir sind kein Bad, aber die Kurtaxe wird von den Touristen erhoben, um die kulturellen Einrichtungen der Stadt zu unterhalten.«
Susanne schüttelte unwillig den Kopf. Das würde sie so schnell wie möglich nachprüfen.
Dessen ungeachtet checkte sie die Fahrgäste ein. Bevor sie im Bus die Schlüssel verteilte, klärte sie die Gruppe über die neue Maßnahme auf und sammelte die Beiträge ein. Der Kleingeldbestand ihres Getränkegeldbeutels war dank der krummen Beträge schnell erschöpft, was sie zusätzlich ärgerte.
In der Zwischenzeit hatte Hannes die Koffer ausgeräumt. Ordentlich aufgereiht standen sie auf dem Bürgersteig vor dem Hotel. Während er den Bus endgültig einparkte, kehrte Susanne an die Rezeption zurück. Sie legte dreihundertzwölf Euro auf den Tresen.
»Da fehlen aber noch fünfzehn Euro sechzig.«
»Wieso das? Ich habe vierzig Fahrgäste, und das entspricht diesem Betrag hier.«
»Sie und der Busfahrer fehlen noch.«
»Warum müssen wir das auch bezahlen? Wir sind keine Touristen.«
»Die Kurtaxe muss jeder zahlen, der nicht in Dresden wohnt.«
Susanne fühlte Wut in sich aufsteigen, trotzdem griff sie zu ihrem Geldbeutel und knallte dem Hotelangestellten einen Hunderteuroschein auf den Tisch. Der Mann verzog keine Miene, gab ihr das Wechselgeld raus und reichte ihr eine Quittung über den bezahlten Betrag. Sie blieb abwartend stehen.
»Ja bitte? Kann ich noch etwas für sie tun?«
»Ich warte auf die Kurkarten.«
Der Angestellte lächelte nachsichtig.
»Es gibt keine, sie haben doch eine Quittung.«
Susanne sah ihn fassungslos an.
»Und wie bekomme ich dann die üblichen Ermäßigungen für die Museen und anderen Einrichtungen?«
»Es gibt keine Preisnachlässe.«
Stinksauer verließ die Reiseleiterin die Lobby und informierte Hannes von dieser Unverschämtheit.
»Was heißt, es gibt keine Kurkarten und keine Ermäßigungen? Wo immer ich Kurtaxe zahlen muss, bekomme ich Nachlässe für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen. Mit der Konus Karte kann man sogar kostenfrei die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.«
Als ehemaliger Schwarzwälder kannte er sich auf diesem Gebiet aus.
»Vermutlich denken unsere Fahrgäste, wir wollten uns mit dem Geld einen schönen Abend machen.«
»Davon kannst du ausgehen.«
Auch Hannes war stocksauer. Das würde er so nicht auf sich beruhen lassen.
Nachdem der Bus geparkt, ihr Zimmer bezogen und das eigene Gepäck ausgepackt war, wollten Hannes und Susanne auf der Terrasse einen Kaffee trinken. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl zurück ins Erdgeschoss und begaben sich in Richtung Außenbereich, als einer ihrer Fahrgäste auf sie zutrat.
»Ich habe meinen Geldbeutel im Bus liegen lassen«,sagte der schlanke, etwas unscheinbar wirkende, ältere Mann zu Hannes.
»Kann ich den noch holen?«
Hannes seufzte innerlich, der Busschlüssel lag natürlich oben im Zimmer. Er fuhr also noch einmal hinauf und holte ihn. Zusammen mit dem Fahrgast ging er zum Bus.
Susanne begab sich in der Zwischenzeit auf die Terrasse und bestellte einen Schümli Kaffee für ihren Mann sowie ihren obligatorischen Latte macchiato. Die Getränke standen gerade auf dem Tisch, als die zwei Männer zurückkamen. Der Mitreisende wollte die beiden zum Dank für die Mühe einladen, setzte sich zu ihnen und bestellte sich ein Bier.
Susanne betrachtete staunend sein Outfit. Zu einer hellgrauen Hose trug er ein weißes Hemd mit roten und blauen Blockstreifen. Sie fühlte sich vierzig Jahre zurückversetzt.
»Mein Name ist Rüdiger Berger«, stellte der Fahrgast sich vor. »Leider lasse ich häufiger etwas liegen und weiß dann oft nicht wo.«
›Na‹, dachte Susanne, ›das kann ja heiter werden. Hoffentlich vergisst er nicht eines Tages seinen Kopf.‹
Sie beteiligte sich nicht weiter an dem Gespräch, sondern setzte sich mit der Dresdner Kurtaxe im Internet auseinander.
Eine halbe Stunde später schaffte Herr Berger es, sein Bier auszutrinken und den Weg in sein Zimmer zu finden ohne, dass etwas zurückblieb.
Die beiden Zurückgebliebenen genehmigten sich zwei weitere Kaffees. Die hatten sie nach dem Ärger und den Anstrengungen der Fahrt auch verdient. Hannes nahm eine Zigarette aus der Packung. Dann blickte er über den Tisch:
»Hast du wieder einmal mein persönliches Feuerzeug eingesteckt?«
Susanne schaute ihn an.
»Ich würde mich doch nicht an deinem persönlichen Feuerzeug vergreifen. Bestimmt ist es wieder in einer deiner Taschen.«
Hannes griff in die Hosentasche, zog die Hand aber leer raus.
»Hab‘ ich gar nicht.«
»Hier, nimm solange meins. Es wird schon wieder auftauchen. Vermutlich liegt es oben.«
Endlich brannte die Zigarette.
Susanne klärte Hannes darüber auf, was es mit dieser ominösen neuen ›Kurtaxe‹ auf sich hatte. Laut Internet sollten damit die kulturellen Einrichtungen der Landeshauptstadt mitfinanziert werden. Abgesehen von dieser idiotischen Begründung, denn man bezahlte bereits hohe Eintrittsgelder, verstand sie es nicht als ihre Aufgabe, mit einem Klingelbeutel durch den Bus zu gehen, um eine, in ihren Augen, ungerechtfertigte ›Kurtaxe‹ dieser Nichtkurstadt zu kassieren. Obwohl das Leipziger Bundesverwaltungsgericht längst ein Urteil fällte, das Geschäftsreisende davon ausnahm, hatte der Hotelmitarbeiter die Abzocksteuer auch für sie und ihren Mann verlangt.
Hannes ärgerte sich genauso darüber, und beschloss bei Gelegenheit die zuständige Stelle im Dresdener Rathaus aufzusuchen. Er würde ihnen das Urteil aus Leipzig vorhalten und seine zu Unrecht geforderte Taxe zurückfordern. Zum Glück hatte sich Susanne eine Extraquittung für ihren Beitrag geben lassen.
Sie besprachen noch kurz das Programm der folgenden Tage, tranken ihren Kaffee aus, bezahlten den Rest und brachen auf. In Kürze gab es Abendessen. Dafür wollten sie sich noch ein bisschen frisch machen.