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1.2Marxismus

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Marx hat den Anbruch der modernen Gesellschaft besonders präzise wahrgenommen und beschrieben, und zwar als ein Phänomen, das zirkuläre Speziallogiken des Sozialen ausdifferenziert und auf Dauer stellt. Diesbezüglich beschreibt er insbesondere die Wirtschaft als kapitalistische Ökonomie, die sich von den menschlichen Akteuren abhebt und nach einem internen systemischen Expansionsgetriebe läuft: der Vermehrung von Profit, der ständigen Akkumulation von Kapital durch Arbeit. Marx hat den radikalen dynamischen Charakter der kapitalistischen Gesellschaft herausgearbeitet und besonders klar gesehen, dass der Kapitalismus die Gesellschaft in einer nie da gewesenen Weise verändert, alle festen Strukturen auflöst und den permanenten Wandel etabliert (etwa Marx u. Engels 1848).

Für den Marxismus ist die Ökonomie als materielle Basis der Gesellschaft deren Triebkraft, deren Motor. Marx hat die gesellschaftliche Evolution als einen permanenten Kampf beschrieben, in dem gegensätzliche und unversöhnliche (antagonistische) Kräfte um diese materielle Basis ringen. Im Kapitalismus wird dieser unversöhnliche Konflikt als derjenige zwischen Arbeit(ern) und Kapital(isten) beschrieben, zwischen den Ausgebeuteten und den Eigentümern an Produktionsmitteln. Jene müssen ihre Arbeitskraft zu einem Preis verkaufen, der gerade so hoch ist, dass sie ihre materielle, ihre physisch-biologische Reproduktion sichern können, der aber hinter dem »realen« Wert der Ware zurückbleibt, der durch ihre Arbeit allererst geschaffen wird. Diesen Mehrwert, mithin die Differenz zwischen dem Preis, den Kapitaleigentümer für den Kauf der Arbeitskraft zahlen, und demjenigen Wert, den die Arbeit tatsächlich schafft, streiche der Kapitalist als Profit ein.

Hier liegt nach marxistischer Perspektive die große Ungerechtigkeit der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Soziallogik des permanenten Profitstrebens. Für den radikalen Marxismus kann dieser Antagonismus, diese unversöhnliche Gegensätzlichkeit, nur durch eine revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems aufgelöst werden, durch welche die Arbeiter selbst zu Eigentümern des Kapitals, der Unternehmen, mithin der Produktionsmittel werden. In der marxistischen Geschichtsphilosophie, dem historischen Materialismus, wird diese revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems als eine soziale Gesetzmäßigkeit beschrieben, die sich mit dem Blick auf die gesamte Menschheitsgeschichte erschließen lasse. Demnach ist die menschliche Geschichte seit dem Ausgang der Urgesellschaft eine Geschichte von Klassenkämpfen und revolutionären Umwälzungen von Gesellschaften und der Entstehung neuer sozialer Formationen, die als Sklavenhalterordnung, Feudalismus und Kapitalismus als eine Kette der Klassengesellschaften mit ihren einander gegenüberstehenden Gruppen (Klassen) beschrieben werden. Am revolutionären Ende dieser Geschichte stünden der Sozialismus und insbesondere der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft, in der Menschen in freier Assoziation zusammen leben und arbeiten sowie sich die Früchte ihrer Produktion gerecht teilen.

Heute gilt die Idee der gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft, die der historische Materialismus geprägt hat, gemeinhin als eine »große Erzählung« im Sinne der postmodernen Philosophie von Jean-François Lyotard (1979), die ihre Glaubwürdigkeit verloren habe. Allerdings wird mithilfe des Marxismus die ungerechte Verteilung innerhalb der Gesellschaft beklagt (siehe aktuell Piketty 2014), die sich letztlich auf die oben beschriebene Akkumulation des Kapitals zurückführen lasse. Eine Lösung des Problems sei die staatliche Lenkung der Wirtschaft, die sich durch entsprechend hohe Besteuerung der Kapitaleigentümer und ihrer Profite, Regelungen zu Mindestlöhnen, Arbeitnehmerschutzgesetze welcher Art auch immer derart steuern lasse, dass es zu mehr Gleichheit in der Gesellschaft kommen könne.

Der ausgebaute Wohlfahrtsstaat kann als sozialdemokratische Variante einer Gesellschaft gelten, die die Kritik des Marxismus aufgenommen hat, die jedoch letztlich die kapitalistische Ökonomie nicht mehr grundsätzlich infrage stellt. Denn dieser Wohlfahrtsstaat ruht auf der kapitalistischen Entwicklungsdynamik und ihrer Wohlstandsproduktion sowie dem Geld, das diese Ökonomie über staatlich regulierte Steuerzahlungen und Transferleistungen denen zukommen lässt, die aus welchen Gründen immer von der Dynamik dieser Ökonomie nicht, nicht mehr oder noch nicht direkt profitieren können.

Was außerdem, ausgehend vom Marxismus, anhaltend wirkt und die politischen Gestaltungsversuche der gesellschaftlichen, etwa der wirtschaftlichen, Entwicklung prägt, ist die Idee, dass die materielle Basis der Gesellschaft, die Wirtschaft, zu domestizieren, zu bändigen und planvoll zu regeln sei. Die Aufgabe für diese planvolle Gestaltung wird dem politischen System, insbesondere dem Staat, zugeschrieben.

Freiheit, Verantwortung, Selbsthilfe

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