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1.3Neoliberalismus

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Der Begriff »Neoliberalismus« ist in Kreisen der Sozialen Arbeit zu einem abwertenden Begriff degeneriert, mit dem all das bewertet wird, was dem sozialen Ausgleich, der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft zuwiderlaufe. So wird mit dieser Bewertung eine besondere »Regierung des Sozialen« (im Sinne von Michel Foucault) bezeichnet, die die Opfer von ökonomischen Strukturdynamiken (etwa arbeitslose Menschen) in die Verantwortung nimmt für ihre Probleme, obwohl diese Probleme nicht individuell, sondern gesellschaftlich verursacht seien. In Deutschland stehen die sogenannten Hartz-Reformen der Beschäftigungsförderung, die durch die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang der 2000er-Jahre implementiert wurden, als Paradebeispiel für eine neoliberale Sozialpolitik.

Der Kern der liberalen Idee, die im Zuge der Aufklärung des 18. Jahrhunderts (etwa von Adam Smith) geprägt wurde, ist in der Tat der einzelne Mensch, der als Erwachsener für sein Leben die volle Verantwortung trage und in der Lage sein solle, sein Leben so frei wie möglich zu gestalten. Die Freiheit des Einzelnen gerate erst dort an ihre Grenzen, wo sie die Freiheit der anderen einschränke. Dieses moralische Postulat der individuellen Freiheit ist Kern des Liberalismus und wird als Voraussetzung gesehen für die Etablierung einer reichtumschaffenden Wirtschaft innerhalb der Gesellschaft. Genauso wie sich der Einzelne in einer liberalen Sozialordnung so frei wie möglich entfalten könne, solle sich die Wirtschaft frei von staatlichen Reglementierungen dynamisch entwickeln können.

Denn in der Wirtschaft wirke, wie eine bekannte These von Adam Smith (1776) lautet, eine »unsichtbare Hand«, die als Garant für wirtschaftliche Selbstorganisation gilt. Diese Selbstorganisation fuße u. a. auf zwei Prinzipien: zum einen darauf, dass die Individuen nach Nutzenmaximierung streben, und zum anderen darauf, dass die Unternehmen nach Gewinnmaximierung trachten. Durch diese jeweils eigensinnigen, um nicht zu sagen: egoistischen Interessen im Kapitalismus werde schließlich das geschaffen, was die Gesellschaft zum Erblühen bringe: Reichtum und Wohlstand für alle. Im systemischen Gefüge des kapitalistischen Marktes schaffe der Eigennutz der Unternehmen und Individuen Gemeinnutz für alle (siehe für eine aktuelle Lesart dieses Prinzips im Kontext der internetbasierten Netzwerkgesellschaft Bolz 2009).

Demnach sei die Wirtschaft, wie auch der Marxismus festhält, das zentrale und dominierende gesellschaftliche System mit einer eigendynamischen Bewegung. Im Gegensatz zum Marxismus wird jedoch die Möglichkeit dementiert, dass dieses System planvoll und zielgerichtet gesteuert werden könne. Diese Steuerung nach äußeren Vorgaben sei unmöglich, bzw., sollte sie versucht werden, pervertiere die innere Logik und destruiere die konstruktive und kreative Kraft der unsichtbaren Hand des Wirtschaftssystems (grundsätzlich dazu etwa von Hayek 1944). Wichtig sei demgegenüber, dass Individuen und Unternehmen den evolutionären Charakter des wirtschaftlichen Marktes erfahren, dass sie, mit anderen Worten, die Effekte ihrer Handlungen spüren, also diesbezüglich entweder positiv oder negativ sanktioniert werden. Und so treten die klassischen und neuen Liberalen dafür ein, dass der Zusammenhang von Handeln und den Effekten des Handelns nicht durch staatliche Regulierungen außer Kraft gesetzt wird. Wer risikoreich handelt, der muss auch die Folgen dieses Handelns verantworten. Dies generiere Lernen am Markt und stärke die Verantwortung der Akteure.

Somit wird von neoliberaler Seite beispielsweise auch die staatliche Bankenrettung oder die Griechenlandhilfe grundsätzlich kritisiert und als staatliche Pervertierung der Marktwirtschaft angeprangert. Begrüßt wird dementsprechend andererseits, wenn der Sozialstaat diejenigen stärker in die Verantwortung nimmt, die von staatlichen Transferleistungen leben; denn das Ziel müsse darin bestehen, diese Menschen wieder in die autonome Position eigener Produktivität zu führen. Demnach teilen die Neoliberalen einen sozialpolitischen Leitsatz, den auch die etablierten Parteien vor sich hertragen: »Sozial ist das, was Arbeit schafft.«

Die benannte unsichtbare Hand des Marktes, die Eigennutz in Gemeinnutz transformiere, habe schließlich mit der Marktsituation grundsätzlich zu tun: Denn die Unternehmen sind dadurch aufgefordert, das zu produzieren und anzubieten, was durch die unzähligen Kaufakte der Kunden tatsächlich nachgefragt wird; genau dies drückt sich bei Erfolg in den unternehmerischen Gewinnen aus und bei Misserfolg eben nicht. Für die individuellen Kunden heißt das, dass sie die Angebote dort nachfragen, wo am ehesten die angestrebte Nutzenmaximierung mit dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen zu realisieren ist – beim gleichzeitigen Versuch, dies so preisgünstig wie möglich zu erreichen. Und der Preis wiederum wird im Liberalismus nicht (wie im Marxismus) objektiv zu bestimmen versucht (etwa über die »vergegenständlichte Arbeit« in der Ware), sondern als subjektive und soziale Wertkonstruktion verstanden: Der Preis einer Ware ist so hoch, wie es der Zahlungsbereitschaft von Kunden entspricht. Diese Zahlungsbereitschaft hängt von den individuellen Präferenzen der Bedürfnisbefriedigung ab.

Diese hier nur äußerst knapp angerissene Dynamik des wirtschaftlichen Marktes, der sich über Angebot und Nachfrage, über den Preismechanismus sowie über das Nutzen- und Gewinnstreben von Unternehmen und individuellen Kunden strukturiert, gilt als ein Kernprinzip des klassischen wie neueren Liberalismus. Besonders elaboriert hat diese Dynamik des Marktes in einer komplexen Gesellschaft der Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek beschrieben, der auch als zentrale Figur des Neoliberalismus gilt. Er trat für eine Gesellschaft ein, in der sich sowohl die Individuen als auch die Wirtschaft so frei wie möglich entfalten können – bei gleichzeitiger rechtlicher Rahmensetzung dieser Entfaltung durch den Staat. Seine Metapher war, den Staat als Gärtner zu verstehen, der für förderliche Rahmenbedingungen sorge, damit sich die individuellen und wirtschaftlichen Kräfte ausbreiten können, der aber nicht versuchen sollte, in diese Prozesse determinierend, steuernd oder überregulierend einzugreifen (von Hayek 1974). Denn dies würde die wirtschaftliche Eigenlogik pervertieren, keine Lösungen, sondern zahlreiche neue, nicht intendierte Probleme produzieren.

Freiheit, Verantwortung, Selbsthilfe

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