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Carmen Sylva, 1843-1916, Königin, Schriftstellerin, Schloss Monrepos

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Eine dichtende Königin, wie aus dem Märchenbuch

Es gibt noch da und dort eine Straße, einen Park oder ein Altenheim, die ihren Namen tragen, aber ihre Werke werden nicht mehr aufgelegt und sind vergessen. Und doch war sie einst in ganz Europa berühmt als »dichtende Königin«. Als sie 1890 Queen Victoria besuchte, trug sie auf einem Sängerfest in Wales eigene Dichtungen vor und wurde von der Menge bejubelt. Berichte über sie füllten die Boulevardblätter jener Zeit. Ihre Bücher wurden in verschiedene europäische Sprachen übersetzt, dafür sorgte sie oft schon selbst, denn sie sprach fließend Deutsch, Englisch, Französisch und Rumänisch. Eine spektakuläre Erscheinung, die Königin von Rumänien, geborene Elisabeth zu Wied, die sich als Dichterin »Carmen Sylva« nannte.

In diesem Namen verbirgt sich ihre Herkunft aus dem Westerwald: »Waldgesang«, lateinisch carmen sylvae, was sie wegen des besseren Klangs abänderte. »Carmen das Lied und Sylva der Wald / Von selbst gesungen das Waldlied schallt.«

Im Schloss Monrepos, über der Stadt Neuwied mit Blick auf den vielbesungenen Rhein gelegen, kommt sie als Tochter des fürsten Hermann zu Wied und seiner Frau Maria, geborene von Nassau, zur Welt. Sie durchlebt eine von strenger Erziehung geprägte Kindheit. Wenn sie aber in die Wälder um Monrepos darf, wird sie zum wilden Naturkind. Ihre Sprachbegabung fördert ein eigener Hauslehrer, – und sie bekommt sogar einige Klavierstunden von Clara Schumann, die als Starpianistin durch die deutschen Adelshäuser tingelt. Zu Füssen ihres weitgereisten Onkels Maximilian zu Wied sitzend, lauscht sie seinen Erzählungen über das Leben der nordamerikanischen Indianer.

Als sich kein passender hochadliger Ehemann anbietet, droht sie als junge Frau den Eltern an, Lehrerin zu werden, um etwas Nützliches für die Menschen zu tun. Dieser für eine Frau der damaligen Oberklasse ungewöhnliche Berufswunsch zeigt schon den Einfluss der Frauenemanzipation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Doch ist Elisabeth zu Wied alles andere als eine Suffragette. Zu sehr ist sie erfüllt von der überzeugung, die wesentliche Aufgabe einer Frau bestehe darin, zu lieben, zu pflegen, und zu dienen, zum Beispiel einem Ehemann und einer möglichst zahlreichen Kinderschar. Der Wunsch, Leben zu erzeugen und zu erhalten, erwuchs sicherlich auch aus frühen Erschütterungen. Ihre Kindheit wird überschattet von schweren Krankheiten in der Familie. Der geliebte jüngste Bruder Oskar, schon schwer geschädigt geboren, stirbt mit 12 Jahren. Der Vater Hermann zu Wied, ein hochgebildeter Privatgelehrter, leidet an Tuberkulose, und auch die Mutter Maria kränkelt oft, ist zeitweise sogar gelähmt.

Obgleich eine attraktive junge Frau mit einer – wie Zeitzeugen berichten – »süssen«, wohlklingenden Stimme, lässt sie sich auf dem europäischen Heiratsmarkt des Hochadels schwer vermitteln. Sie gilt als zu ernsthaft und gebildet. Schon nähert sie sich mit 26 Jahren als Hochadlige dem Status der »alten Jungfer«, da führt ihre Mutter Maria zu Wied 1869 eine arrangierte Begegnung mit Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen herbei, einem hohen Offizier der preußischen Armee, ehrenhaft und zurückhaltend gegenüber Frauen. Kurzentschlossen macht er ihr jedoch bei diesem ersten Treffen einen Heiratsantrag, vielleicht weil er Elisabeth schon einmal in seinen Armen aufgefangen hatte, als das junge Mädchen, eine Schlosstreppe runterstürmend, gestolpert war. Sie nimmt den Antrag ebenso entschieden sofort an. Wenige Wochen später wird die Ehe geschlossen.

Schon 1866 hatte ihr Mann als fürst Carol I. die ihm angetragene Regentschaft in Rumänien übernommen. Die Flitterwochen bestehen deshalb aus zwei Tagen im Schlafwagen nach Bukarest. Obgleich ihr lockerer rumänischer Hofstaat die sittenstrenge fürstin nach einigen Wochen verdächtigt, sie sei wohl frigide, gebiert Elisabeth schon elf Monate nach der Hochzeit eine Tochter, die abgöttisch geliebte Maria. Das Glück über die Erfüllung ihres fraulichen Lebensziels dauert nur kurz. Als sie mit ihrem Kind während einer Scharlach-Epidemie aus Pflichtgefühl ein Hospital besucht, infiziert sich die Kleine an eben diesem Erreger und stirbt 1874 im Alter von 3 Jahren. Den Schmerz über diesen Verlust verwindet die Königin nie, zumal sie kein Kind mehr zur Welt bringen kann, stattdessen mehrfach Fehlgeburten erleidet. Schreibend versucht sie, diese Wunde ihres Lebens zu heilen: Sie beginnt eine Karriere als Dichterin mit dem Pseudonym »Carmen Sylva«. Unermüdlich veröffentlicht sie Gedichte, Romane, Märchen, Theaterstücke, Aphorismen – in rasender Eile und kaum korrigiert, was sich ungünstig auf die Qualität ihrer Arbeiten auswirkt. Bald erwirbt sie sich jedoch mit ihren Werken einen gewissen Ruhm, wozu sicher auch ihr gesellschaftlicher Rang beiträgt. Denn 1881 hat sich Rumänien zu einem Königreich gemacht. Nun ist sie eine »dichtende Königin«, die sich offen zur Schriftstellerei bekennt – anders als die mit ihr befreundete österreichische Kaiserin Sissy, die ebenfalls schreibt, aber eine Veröffentlichung wegen der Hofetikette ablehnt.


Carmen Sylva und Tochter Maria

Carmen Sylvas Bücher werden von der Presse sehr wohlwollend rezensiert. Sie korrespondiert mit einer Reihe von bekannten Autoren aus anderen Ländern, so mit Pierre Loti, dem französischen Romancier, der dafür sorgt, dass ihr Buch Pensées d‘une reine von der Académie Française ausgezeichnet wird. Kurz gesagt: Sie wird nach und nach eine Spezialistin in Public Relations, fördert tatkräftig die eigene Sache wie auch das Kulturleben Rumäniens, vor allem die Volkskunst, deren überlieferungen sie zu retten versucht. Geschickt inszeniert sie sich dabei selbst. Empfängt sie zum Beispiel einen Dichter, liegt sein Buch wie zufällig auf dem Flügel, an dem sie, in wallende Gewänder gehüllt, gerade eine Sonate spielt. Als sie in ihrem Publicity-Eifer so weit geht, home-stories vom Krankenlager ihres Mannes an die Presse zu schicken, ätzt Karl Kraus in seiner Zeitschrift »Die Fackel« 1907: »Carmen Sylva ist keine bedeutende Schriftstellerin, wohl aber eine tüchtige Krankenpflegerin …«

Carmen Sylva und Tochter Maria Im Leben wie in ihren Gedichten empfindsam bis zur Sentimentalität, wird sie anfällig fürs Zweite Gesicht. Als die junge Hofdame Vacarescu behauptet, in »Visionen« würde ihr der rumänische Thronfolger Prinz Ferdinand seine heimliche Liebe gestehen, versucht Königin Elisabeth hartnäckig, die beiden trotz großem Standesunterschied zu verheiraten. Als die skandalöse Affäre französische Boulevard-Zeitungen erreicht, verbannt sie ihr Ehemann Karl I. für zwei Jahre nach Italien, um den jungen fürsten standesgemäß verheiraten zu können.

über all ihren Eitelkeiten als Dichterin und den Merkwürdigkeiten ihres Auftretens darf nicht übersehen werden: die Landesmutter ist eine sehr warmherzige Frau, die ihre sozialen Verpflichtungen als Königin ernst nimmt. Sie gründet Schulen, Hospitäler und Pflegeheime in dem rückständigen Land, und im türkisch-russischen Krieg 1877 versorgt sie persönlich die verwundeten rumänischen Soldaten, die auf der Seite Russlands kämpfen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges trifft das Königspaar tief. Beide fühlen sich zerrissen zwischen ihrer deutschen Herkunft und der Loyalität zu Rumänien. 1914 stirbt der König im Schlaf. Seine Frau folgt ihm nur zwei Jahre später. Man sucht die überreste ihres Kindes Maria, findet sie in einem versteckten Grab im Garten des Schlosses und bestattet sie zusammen mit der Mutter. Im Tode vereint – ein ergreifendes, romanhaftes Lebensende, wie aus einem der Märchenbücher der »dichtenden Königin« Carmen Sylva.

CG

Aphorismen

Die sogenannte Frauenfrage geht die Seele gar nichts an. Der Frauenberuf heißt in der Natur: »Gebären« und in der geistigen Welt: »Mutter sein«. Das ist der Frauen Beruf, und wer das Gegenteil beweisen kann, beweise es.

Sobald in der Ehe der Gedanke an Geduld auftaucht, ist sie eigentlich schon keine Ehe mehr, denn die Liebe ist fort, auf der dieses Verhältnis sich allein aufbauen und erhalten kann.

Pflichttreue ist eines der schönsten Wörter der lieben deutschen Sprache; sie kann stolz sein, es zu besitzen.

aus: Gedanken einer Königin

Wenn ein Herz bricht, geht ein Hauch

Von Weh so über die Erde,

Als wenn in kalten Nebelhauch

Und Schnee sie verwandelt werde.

aus: Geflüsterte Worte von Carmen Sylva

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