Читать книгу Echnatons Bruder. Der Pharao und der Prophet - Heinz-Joachim Simon - Страница 18
Die Entdeckung des Ichs
ОглавлениеErstaunt sah Thotmes den Gärtner an, der ihm mittlerweile ans Herz gewachsen war. »Rede!«, sagte er gespannt.
»Du kennst den Pavillon dort, wo meine Rosen so schön zu einer Hecke gewachsen sind?«
»Natürlich«, gab er zurück. »Ich kenne jede Ecke deines Gartens.«
»In der Früh, wenn die Vögel noch nicht lärmen, treffen sich dort seit einiger Zeit vier Männer. Ich kann schlecht schlafen und setze mich manchmal ans Wasser und beobachte, wie der Mond sich im großen Fluss spiegelt und mit den Wellen wandert. Sie bleiben nie lange, aber ihr Lachen klingt nie gut. Ich bin an den Pavillon geschlichen und habe sie belauscht. Sie reden sehr schnell und manchmal undeutlich. Doch konnte ich ihren Worten entnehmen, wie unzufrieden der Gott Amun-Re über Amenhotep sei und wie undankbar er sich gegenüber den Getreuen des alten Pharao gezeigt habe.«
»Hast du sie erkennen können?«
»Einer von ihnen war Edfu, der ehemalige Wesir. Auch Pekmek, der Hofkoch war dabei, hat aber nie geredet, sondern nur zugehört. Er schien große Angst zu haben. Man merkte ihm an, dass er nur ungern dabei war. Der dritte war ein Amunpriester, den ich nicht kenne. Der vierte war Hotep, der ehemalige Haushofmeister.«
Die Verstoßenen, überlegte Thotmes. Wie einfach nun alles ist. Sie weinen um ihre Pfründe.
»Na schön. Du hast mir sehr geholfen, mein guter Isaak. Ich werde dafür sorgen, dass du nach Gosen zurückkehren kannst.«
»Warum willst du mir das antun?«, rief dieser erschrocken. »Ich liebe meinen Garten und führe hier ein ruhiges und bequemes Leben. Warum willst du mich nach Gosen schicken, wo ich ein karges Leben fristen und Ziegel brennen müsste.«
»Ich wollte dir nur Gutes tun«, antwortete Thotmes. »Ich dachte, du hast Sehnsucht nach deiner Familie. Dann werde ich dafür sorgen, dass du mehr Bedienstete bekommst, damit du nicht so viel arbeiten musst.«
»Nein. Nein. Ich will keine Tölpel, die mir nur meine Blumenbeete zertrampeln. Lass es so, wie es ist. Ich und meine Blumen brauchen keine Störung im Tagesablauf.«
»Wie wäre es mit einer Sklavin?«, fragte Thotmes schmunzelnd. »Sie wird dir das Bett wärmen.«
»Nein. Ich will kein Weib, das mich mit Ansprüchen belästigt und mir mit Klagen über fehlenden Schmuck in den Ohren liegt. Ich will, dass alles so bleibt, wie es ist.«
Thotmes sah dies ein und umarmte Isaak.
»Beruhige dich. Ich habe nicht vor, dir Böses anzutun.«
Fortan war er jede Nacht, bevor die Vögel im Gebüsch zu lärmen begannen, im Garten, nahe dem Pavillon und wartete auf die Verschwörer. Er musste dabei viel Geduld aufbringen. Nach dem Opetfest wurde er belohnt. Der Mond spiegelte sich noch im Nil. Ein leichter Nebelschleier lag über dem Wasser. Eine Eule kreiste über den Palmen. Erst kam Hotep, der ehemalige Haushofmeister, danach Edfu. Der Priester und Pekmek waren die letzten. Der Priester war tatsächlich Manokles, Stellvertreter des Unas. Bis auf den Koch war es die alte Elite des Reiches. Pekmek war nur ein naiver Mitläufer, den sein Bruder in die Intrige hineingezogen hatte.
Sie tuschelten aufgeregt miteinander. Thotmes kroch auf allen Vieren näher an den Pavillon, bis er sie gut hören konnte.
»… wurde mir berichtet, dass er einem neuen Gott huldigen wird, der eins ist mit ihm«, hörte er Manokles sagen.
»Dann gilt es bald zuzuschlagen«, drängte Edfu. »Ich werde Sekmes, den ehemaligen Hauptmann der Garde, benachrichtigen. Er kennt noch genug Gardisten, die sich ihm verpflichtet fühlen.«
»Sachte! Hat er wirklich genug Leute?«, mahnte Hotep.
»Mahu, der neue Chef der Leibgarde, ist noch nicht lange im Amt. Ein großer Teil der Garde ist Sekmes noch treu ergeben und betrachtet ihn als Anführer«, erwiderte Edfu.
»Sekmes hat schon mit ihnen gesprochen?«
»Er lädt sie hin und wieder zu einem Besäufnis ins ›Goldene Krokodil‹ ein. Ich war mal dabei. Sie sind ihm hündisch ergeben. Er hat dreißig Mann, die jeden Befehl von ihm ausführen werden.«
»Aber werden sie sich an die Person des Pharao heranwagen?«, fragte Manokles skeptisch.
»Nein, das vielleicht nicht«, gestand Edfu. »Das wird Sekmes selbst übernehmen. Wir müssen allerdings erreichen, dass sein Schatten, Prinz Thotmes, nicht in seiner Nähe ist. Er ist ein furchtbarer Krieger, wie er gegen die Hyksos bewiesen hat.«
»Vielleicht kann Unas ihn ablenken«, sagte Manokles. »Er muss sich zwar heraushalten, unterstützt aber unser Vorhaben.«
»Mir ist Prinz Thotmes nicht ganz geheuer«, gestand Pekmek. »Er war vor Tagen in der Küche, was er noch nie gemacht hat, und stellte seltsame Fragen.«
»Was für Fragen?«, fragte Edfu hastig. Man merkte seiner Stimme an, dass er alarmiert war.
»Klug bin ich daraus nicht geworden. Aber er wusste, dass du in der Küche warst, Manokles.«
»Vielleicht beginnt etwas durchzusickern«, sorgte sich Hotep. »Wir müssen schnell handeln.«
»Wenn die Nilschwemme den höchsten Stand erreicht und er mit der Barke des Amun auf dem Nil Amun opfert, können wir zuschlagen.«
»Ja, in dem Moment, wenn er mitten auf dem Strom ist, haben wir ihn kurze Zeit ganz allein. Sekmes wird dafür sorgen, dass seine Leute auf der Barke sind.«
»Gut. Dann ist alles besprochen! Das nächste Mal treffen wir uns unter einem neuen Pharao!«, schloss Edfu.
»Und wer wird das sein?«, fragte Hotep.
Eine Weile war es still.
»Eje!«, sagte Manokles bestimmend. »Er hat Unas’ Vertrauen. Amun-Re hat es entschieden!«, schob er schnell nach.
»Weiß Eje von uns? Gehört er zu uns?«, fragte Hotep misstrauisch.
»Nein. Das wäre zu gefährlich. Aber er wird gierig zugreifen, wenn wir die Ernennung an ihn herantragen. Wir werden ihn noch am gleichen Tag durch Amun-Re öffentlich anerkennen. Oh ja, er wird, wenn wir den Halm geschnitten haben, nur zu gern die Würde annehmen … und Wachs in unseren Händen sein. Dann hat er nicht nur den Schoß der Teje, sondern ist Pharao und Herrscher über Binse und Biene.«
Manokles lachte schrill und die anderen stimmten ein. Sie alle würden wieder in ihre alten Ämter zurückkehren und dafür sorgen, dass Eje tat, was sie wünschten.
Thotmes hatte genug gehört und zog sich langsam zurück. Es graute nun. Ein roter Streifen erschien am Himmel. Ein Zweig knackte unter seinem Körper. Erschrocken verharrte er und lauschte mit angehaltenem Atem.
»Habt ihr das gehört?«, fragte Manokles.
»Was? Nein. Ich habe nichts gehört«, entgegnete Edfu, der älteste der Verschwörer.
»Ich höre auch nichts«, stimmte Hotep zu.
»Vielleicht war es ein Nachttier. Hört nur, die Vögel beginnen zu lärmen. Gehen wir. Der Haushofgärtner pflegt früh in den Garten zu kommen«, drängte Edfu.
Thotmes blieb unter einem Strauch liegen, bis die Verschwörer im Palast verschwunden waren.
Er eilte sofort zu Amenophis und ließ ihn trotz der frühen Stunde wecken.
»Du musst einen triftigen Grund haben, dass du mich zu dieser Zeit wecken lässt!«, sagte Amenophis, der ungeschminkt und ohne Halsketten das Empfangszimmer betrat, nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Thotmes sah scheu zu Boden. Er sieht aus wie ein altes Weib, dachte er. Warum tut er nicht mehr für seine körperliche Ertüchtigung?
»Als Kammerherr wärst du ein totaler Versager!«, spottete Amenophis und stieß ihm freundschaftlich den Ellbogen in die Rippen.
»Es ist soweit!«, sprudelte Thotmes heraus und berichtete, was er gehört hatte.
Nun kam auch Nofretete dazu. »Warum störst du uns zu so früher Stunde?«, fragte sie verärgert.
Amenhotep wiederholte, was Thotmes berichtet hatte.
»Mein Gott, die Leibgarde macht dabei mit? Sie wagen einen Anschlag auf dich, unseren Gott?«
»Ja, aber, Aton sei Dank, hat Mahu nichts damit zu tun, sondern der alte Befehlshaber Sekmes, sowie Edfu, Hotep und Manokles, der Stellvertreter des Unas.«
»Und was machen wir nun?«, fragte Nofretete.
»Ja. Was unternehmen wir?«, wiederholte Amenhotep. Beide sahen Thotmes ratlos an.
»Ich werde mit Ka-aper reden. Ruf Mahu, damit wir ihn einweihen, denn ich stelle mir vor, dass unter seinem Befehl am Tag des Nilopfers keine Gardisten, sondern Soldaten meines Regiments dich begleiten.«
Mahu war ein Mann, dem man den Soldaten ansah. Breite Brust, mächtige Schultern, ein energisches Kinn, ein Gesicht wie aus Granit. Er verbeugte sich tief. Amenhotep nickte Thotmes zu.
»Erzähle es ihm!«
Thotmes schilderte noch einmal, was er gehört hatte. Vor Zorn schwollen Mahu die Adern am Hals. Sein Gesicht zuckte.
»Die Garde Verräter am Pharao? Ist das gewiss?«
»Ich habe es selbst von den Verrätern gehört. Aber beruhige dich, dein Vorgänger spricht von dreißig Mann. Die Mehrheit scheint dem Pharao und dir treu ergeben zu sein. Wir wissen nur nicht, welche für uns und welche für Sekmes sind. Also müssen wir am Tag des Nilopfers den Pharao mit Soldaten meines Regiments umgeben. Wir müssen dafür sorgen, dass die Soldaten die Insignien der Garde tragen, die Armreifen, die Halsketten und die silbernen Helme mit dem Bild des Horusfalken, so dass es auch dem Volk nicht auffällt.«
»Ein guter Plan, Thotmes«, lobte der Pharao. »Das Volk darf auf keinen Fall mitbekommen, dass die Sitten derart verroht sind, dass man es wagt, sich an der Person des Pharao zu versündigen!«
»Aber ich werde die Garde doch befehligen?«, fragte Mahu besorgt.
»Ja. Natürlich«, stimmte Thotmes zu. »Und ich werde als dein Unterführer fungieren. Wir werden uns im letzten Augenblick auf die Barke drängen. Wenn das Boot das Ufer verlässt, muss Sekmes sofort erledigt werden.«
»Sekmes nehme ich mir persönlich vor«, sagte Mahu grimmig.
»Die anderen Verschwörer werden auch auf der Barke sein. Denen werde ich mich widmen.«
»Sie sind des Todes!«, sagte Amenhotep dumpf.
»Man sollte sie den Krokodilen zum Fraß vorwerfen«, setzte Nofretete hinzu.
»Da auch die Priester des Amun-Re darin verwickelt sind, habe ich endlich eine Handhabe auch gegen sie vorzugehen«, sagte Amenhotep zufrieden. »Vielleicht ist es ganz gut so, wie es gekommen ist. Wir wissen endlich, was wir von ihren Schwüren und Ergebenheitsbekundungen zu halten haben. An die Arbeit, meine Vertrauten!«
Als Thotmes Ka-aper von der Verschwörung berichtete, rief dieser entsetzt: »Bei Amun-Re! Sie vergreifen sich an der Maat, an der Balance von Wahrheit, Ordnung und Recht. Die Welt würde untergehen. Der Pharao ist heilig, die Inkarnation von Osiris. Er steht unter dem Schutz des Horus.«
Er ließ seinen Sohn Haremhab kommen. Auch dieser war erschüttert und schlug sofort vor, mit einem Regiment nach Theben einzumarschieren und alle Verschwörer umzubringen.
»Nicht so ungestüm!«, hielt ihn sein Vater zurück. »Hör dir erst Thotmes’ Plan an. Er hat alles wohl bedacht. Erst sondieren, dann attackieren.«
Auch Haremhab musste zugeben, dass es besser war, dem Volk nicht vorzuführen, dass Uneinigkeit zwischen Palast und Tempel herrschte.
»Sag dem Pharao, dass die Armee hinter ihm steht und sich bis zum Tod für ihn opfert! Wir besteigen für ihn die Barke des Osiris, wenn er es befiehlt!«
»Du kannst dir seiner Dankbarkeit sicher sein!«, versprach Thotmes.
Am Tag des Nilopfers, als sich Thotmes zum Pharao aufmachen wollte, erschien Monefer, eine Isis-Priesterin, bei ihm. Man sagte von ihr, dass sie ein Ebenbild der Göttin war. Selbstbewusst betrat sie seine Räume.
»Heute Nacht schickte mir Isis einen Traum. Die Göttin sah mit Wohlgefallen auf dich und befahl mir, dir zu zeigen, dass du in ihrer Gunst stehst.«
Sie ließ ihr dünnes Gewand fallen und stand in der Herrlichkeit ihrer Glieder vor ihm. Sie sah ihn herausfordernd an, ergriff seine Hand und zog ihn zu seinem Lager. Herausfordernd spreizte sie ihre Beine.
»Komm! Empfange die Liebe der Göttin.«
Thotmes hätte gern die Gunst der Göttin in Empfang genommen. Doch zu gut erinnerte er sich an Manokles’ Worte, dass Unas dafür sorgen würde, ihn davon abzuhalten, Amenhotep zu begleiten.
»Wenn ich von der Prozession zurück bin, können wir uns gern der Liebe hingeben.«
»Nein, Prinz Thotmes. Isis befahl uns, ihr jetzt zu opfern.« Sie legte dabei die Hand auf ihren Schoß, begann sich zu streicheln und sah ihn lüstern an.
»Nun komm schon, Dummkopf!«
»Nicht Isis befahl dir das. Unas hat dir das eingegeben.«
Monefer fuhr zornig hoch. »Wie kannst du es wagen, mich so zu beleidigen! Ich bin eine Priesterin der Isis.«
»Gewiss – und ein Werkzeug des Unas. Entweder wartest du auf mich oder du verschwindest!«
Sie sprang auf und griff nach seinem Schoß. »Na, aber dein Speer ist bereit.«
Er stieß sie heftig zurück. »Verschwinde, Monefer, und bestelle Unas Grüße von mir!«
Die Priesterin schlug nach ihm und keuchte: »Isis wird dich dafür strafen! Alle Weiber der Welt werden dir nur Unglück bringen!«
»Wenn du nicht warten willst, dann verschwinde!«, wiederholte er seine Aufforderung. Es dauerte ihn, als sie ihre Kleider aufnahm und wutschnaubend seine Räume verließ. Er atmete tief aus. Aber er war auch ein wenig stolz auf sich, dass er dieser Versuchung widerstanden hatte.
Am Nilufer rief Unas dem Hofstaat und der Menge zu, wie reichlich die Maat Ägypten beschenkte: »Wir wandeln in der Gunst des Amun-Re. Juble, Volk von Ober- und Unterägypten!«
Amenhotep opferte einen der größten Stiere, den man je gesehen hatte. Einige Priester machten dazu bedenkliche Gesichter. War dieser übergroße Stier ein Zeichen, dass der Pharao eine große Dankesschuld einlöste? Aber wofür?
Mit seinem Hofstaat ging Amenhotep in einer langen Prozession vom Königspalast zum Ufer. Das Volk jubelte ihm zu, denn der Pharao hatte Glück gebracht. Die Nilschwemme schien reich zu werden, nicht zu mächtig, dass die Felder wochenlang nicht bearbeitet werden konnten, sondern genau so, dass das Wasser durch die Kanäle alle Felder befruchten würde. Der Gott Amun wurde in einer goldbeschlagenen Sänfte von acht Nubiern vor ihnen hergetragen. Er war in einem goldenen Zelt verborgen, also nur zu ahnen, aber so war es immer gewesen. Das Volk war glücklich. Thotmes und Mahu hatten sich bisher mit ihren Männern im Hintergrund gehalten. In dem Gedränge zum Steg hin, wo die Barke lag, fiel es nicht gleich auf, als sie sich auf das Schiff drängten.
Das Boot legte ab. Unas gewahrte sofort, dass die Krieger um ihn herum nicht die vertrauten Gardisten waren. Als er Thotmes erblickte, erbleichte er und flüsterte mit Manokles, dessen Blick Sekmes suchte. Aber ehe er diesen warnen konnte – sie hatten bereits einen erheblichen Abstand vom Ufer – stieß ihm Mahu das Schwert in den Leib. Sofort schützten Thotmes und Raneb das königliche Paar mit ihren Körpern. Die untreuen Gardisten wurden von Thotmes’ Soldaten getötet und ins Wasser geworfen. Thotmes trat zu Manokles und legte ihm die Hand auf die Schulter. In dessen Augen stand blankes Entsetzen.
»Was erlaubst du dir gegen einen Priester des Amun?«
»Wir wissen von deinem Verrat! Wir wissen alles! Spring in den Fluss oder soll ich dich den Kriegsknechten übergeben? Sie werden dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Das haben sie von den Hyksos gelernt.«
»Was willst du von ihm, Findelprinz?«, schrie Unas. »Er ist mein Stellvertreter!«
»Seinen Tod!«
»Ich habe mit den Machenschaften des Sekmes nichts zu tun, was auch immer ihr ihm vorzuwerfen habt«, kreischte Manokles.
Amenhotep nickte Raneb zu und dieser packte den Priester, hob ihn hoch und warf ihn über die Reling ins Wasser. Vom Nilufer hatten sich bereits Krokodile gelöst und ihr Mahl begonnen. Das Wasser brodelte um die Barke und schon bald erstarben die Schreie des Manokles und er verschwand.
Thotmes wandte sich Edfu zu: »Du warst der Anstifter des Komplotts. Ich habe dich im Garten des Palastes zum Tod unseres geheiligten Pharao hetzen hören. Du wolltest unter einem neuen Pharao wieder zu Würden und Ehren kommen. Du und dein Komplize Hotep werden ohne Aufenthalt und Vorbereitung im Haus des Lebens vor Anubis treten!«
»Hab Erbarmen, großer Pharao!«, wandte Edfu sich Amenhotep zu. »Thotmes irrt sich, verwechselt mich mit jemand anderem. Ich wusste nichts von der Verschwörung des Manokles. Ich liebe dich doch, Amenhotep. Dein Vater nannte mich eine Stütze des Reiches.« Thotmes gewahrte, dass der Pharao schwach zu werden drohte.
Doch Nofretete schritt ein: »Übergib diesen jämmerlichen Lügner den Wassern des Nils!« Und Thotmes gab ihren Befehl weiter.
Die Krieger packten Edfu und Hotep und warfen die beiden kreischenden Verschwörer Manokles hinterher. Noch einmal fing das Wasser um das Boot an zu brodeln. Und schon bald lugten die Krokodile wieder erwartungsvoll zur Barke hinüber, in der Erwartung auf neue Speisungen. Thotmes ergriff nun Unas.
»Versündige dich nicht! Ich bin der Hohepriester des großen Tempels des Amun-Re, dem das Reich untertan ist. Mein Leben ist so heilig wie das des Pharao.«
»Dem Reich untertan?«, rief Amenhotep herüber. »Das gehört nicht zur Wahrheit. Aber lass ihn leben. Es ist zu auffällig, wenn wir ohne den Hohepriester zurückkommen. Wir lassen ihn erst mal ungeschoren. Ein Schritt nach dem anderen.«
Aper El drängte sich aus dem Hofstaat zum Pharao durch.
»Die Ruderer haben gesehen, was hier vorgefallen ist. Ich werde dafür sorgen, dass sie später verschwinden, damit kein Gerede aufkommt und daraus Unruhen entstehen.«
»Nein!«, widersprach Amenhotep. »Sollen sie ruhig darüber reden, was mit Verrätern passiert.«
Aper El warf sich auf den Boden und küsste die Füße des Pharao, obwohl er diese demütige Geste verboten hatte. Thotmes unterdrückte ein Schmunzeln. Der Wesir würde sich jedenfalls nie so leicht in eine Verschwörung gegen den Pharao verstricken. Amenhotep wandte sich erneut Unas zu und dieser warf sich auf die Planken und küsste ebenfalls seine Füße.
»Mein ist die Macht und das Urteil und das Schwert! Dein Stellvertreter hat es bitter erfahren müssen. Es ist unmöglich, dass du nicht von seinen Machenschaften wusstest! Um das Volk nicht zu beunruhigen, lasse ich dir Leben und Ämter. Aber ich warne dich! Solltest du dich noch einmal gegen meine Majestät versündigen, wird dich Prinz Thotmes richten. Fürchterlich würde mein Gericht auch an deinem Gefolge sein. So habe ich gesprochen, so wird es geschehen.«
»Oh, mein Pharao, wie sehr schmerzt mich dein Zorn. Ich bin hintergangen worden. Du hast recht getan, den Manokles richten zu lassen. Ich ehre die Taten deines Bruders, Prinz Thotmes. Amun-Re hat an ihm Wohlgefallen.«
»Wisse, ich habe ein Auge auf dich! Nun geh und walte deines Priesteramtes!«, beschied ihm Amenhotep.
Als sie vom Ufer die Straße zum Tempel einschlugen, jubelte das Volk. Niemand von ihnen wusste, welche Speise die Krokodile bekommen hatten. Und Unas gab sich im Vorhof des Tempels folgsam:
»Mit Liebe blickt Amun-Re auf den Pharao, denn segensreich sind seine Taten. Das Wasser fließt, wie er es wollte. Der Göttliche wird die Kornkammern füllen und alle im Reich der Binse und Biene werden satt werden. Amenhotep speist sein Volk, wie es Amun-Re gefällt.«
»Er gibt sich Mühe, sich als folgsamer Diener zu präsentieren«, sagte Thotmes zu Haremhab, der im Vorhof des Tempels neben ihm stand.
»Vielleicht ist er das ja auch«, erwiderte Haremhab schmallippig, der es Thotmes neidete, dass dieser die Verschwörung aufgedeckt und die Verräter gerichtet hatte.
»Was machen wir mit dem Koch?«, fragte Thotmes den Pharao, als sie wieder im Palast zurück waren.
»Füttere die Krokodile mit ihm!«, antwortete statt seiner Nofretete.
»Er ist doch nur eine willfährige Kröte gewesen und Wachs in den Händen seines Bruders«, entschuldigte Thotmes den Koch.
»Vielleicht hast du recht«, sagte Amenhotep. »Außerdem ist er ein guter Koch.«
»Ich bringe ihn um«, bot sich Haremhab an. »Er hat sich an dir vergangen, indem er den Verrat seines Bruders nicht meldete. Er ist ein Verräter und man darf ihnen gegenüber keine Schwäche zeigen.«
»Vielleicht hast du recht«, schwenkte Amenhotep um.
So hatte auch Haremhab Anteil an der Bestrafung der Verräter. Die Freude über die Niederschlagung der Verschwörung führte dazu, dass diesmal, wie in den Zeiten des alten Pharao, mehr Wein getrunken wurde.
Als Thotmes schwankend seine Gemächer betrat, empfing ihn Eumenes mit heftigen Vorwürfen: »Warum durfte ich nicht am Strafgericht teilnehmen? Ich bin wohl ein Nichts, ein Auswurf, Hundedreck. Raneb dagegen, dieser ungeschlachte Kuschit, wurde die Ehre zuteil, dich zu beschützen. Aber ich, der schon seit den Tagen in Gosen dein Freund ist, wurde nicht für wert befunden, an deiner Seite die Gefahr für das Reich abzuwenden. Pfui, Thotmes! Behandelt man so den Freund, den du Bruder nanntest?«
»Für so etwas kann man Griechen nicht gebrauchen!«, mischte sich Raneb ein. »Es war ein Richttag. Eine kalte, erbarmungslose Sache. Du hättest uns nur im Wege gestanden.«
»Ja, aber so einen Totschläger konnte man gebrauchen! Doch jemanden, der sich um seinen Herrn und Freund sorgt, den vergisst man und lässt ihn im Ungewissen zurück.«
»Hör endlich auf!«, brummte Thotmes unwirsch. »Raneb hat vollkommen recht. Es war eine Sache, die kalt und ohne Zögern erledigt werden musste. Wir hatten dafür genug Männer im Boot.«
Er warf sich auf sein Lager und schlief sofort ein.
Als er aufwachte, stand der Pharao mit einer Fackel an seinem Bett.
»Steh auf! Wir machen einen Ausflug in die Wüste.«
»Warum? Was soll das? Es ist doch noch dunkel.«
»Die Wahrheit suchen. Nun mach schon.«
Was hat er denn nun wieder vor?, dachte Thotmes unwillig. Der Pharao entzündete einen Kandelaber und grinste wie ein Straßenjunge.
Als sie aus dem Schlafzimmer traten, stand Raneb schon bereit.
»Komm, du wirst meinen Streitwagen lenken«, forderte Thotmes ihn auf. Raneb nickte erfreut. Er liebte Pferde und hatte sich zu einem der besten Wagenlenker des Heeres entwickelt. Sie gingen hinunter in den Hof der Pferde, wo schon zwei Wagen auf sie warteten. Amenhoteps Gefährt war mit Gold beschlagen. Sein Wagenlenker trug einen golddurchwirkten Lendenschurz wie der Pharao, der zudem einen goldenen Helm mit dem Zeichen des Horus trug. Wenn es um die eigene Person ging, hatte das Gebot der Einfachheit keine Gültigkeit. Schließlich war er die Inkarnation des Osiris und damit ein Gott.
An beiden Streitwagen waren Köcher mit Wurfspeeren befestigt und auch Bogen und Pfeile fehlten nicht. Thotmes nahm an, dass es zur Löwenjagd gehen würde, was ihn verwunderte, denn Amenhotep hatte nie eine Leidenschaft für die Jagd erkennen lassen. Er machte sich Sorgen, ob der königliche Bruder einer Löwenjagd gewachsen war.
Sie stiegen in die Wagen. Thotmes stieß den Jagdschrei des Falken aus und sie galoppierten aus dem Palast durch die Straßen von Theben. Zu dieser frühen Stunde waren diese noch menschenleer und sie gelangten bald in die Wüste. Die Wagenlenker hetzten die Tiere zu immer schnellerer Gangart und sie flogen dahin wie zwei Pfeile, die von einem gut gespannten Bogen abgeschossen worden waren.
Thotmes hatte Angst, dass sich ein Rad in einem Fuchsloch verfangen könnte und sah immer wieder zum Pharao hinüber, den er gar nicht wiedererkannte. Auch Amenhotep genoss die schnelle Fahrt und jauchzte. Als ein Lichtstreifen am Horizont erschien, ließ er halten und befahl den Wagenlenkern zu warten. Er nahm Thotmes beim Arm und stieg mit ihm die Sanddüne hoch. Sie setzten sich in den Sand und sahen schweigend zu, wie sich der Sonnenball aus dem rotsteinigen Gebirge erhob.
»Das ist die Wahrheit!«, sagte der Pharao andächtig.
»Was meinst du?«, fragte Thotmes ratlos.
»Aton ist die Wirklichkeit. Du spürst doch, dass seine Strahlen uns berühren.«
»Ja. Es sieht sehr schön und erhaben aus. Aber in einer Stunde haben wir einen Sonnenbrand«, erwiderte Thotmes nüchtern.
»Amun, Hathor, Chnum, Ptah sind nur Steine, den Köpfen der Menschen entsprungen. Ihre Stelen mit den Tierköpfen sind armselig. Sie sind eine Lüge, die uns die Angst nehmen soll. Dabei haben wir den lebendigen Gott jeden Tag vor Augen. Aber die Menschen erkennen ihn nicht. Mein Vater ahnte die Herrlichkeit des Aton und ehrte den Gott in Heliopolis. Aber er wagte nicht den nächsten Schritt. Alle Menschen in Ober- und Unterägypten sollen Aton erkennen. Ich werde ihnen dabei helfen und die Erkenntnis wird das ganze Volk durchdringen: Es gibt nur einen lebendigen Gott. Sein Name ist Aton – alles andere ist Lüge.«
»Was hast du vor?«, fragte Thotmes erstaunt.
»Ich werde die Menschen von der Lüge befreien.«
Er stand auf, breitete die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und bot sein Gesicht den Strahlen dar.
»Oh, Aton, ich bin eins mit dir!«, rief er. »Ich werde all meinem Volk sagen: Es gibt keinen anderen Gott als Aton. Er ist wirklich und in den Sonnenstrahlen kann jeder seine Wärme spüren und sich von seiner Lebendigkeit überzeugen. Ich bin eins mit Aton, bin Schu, und meine Gemahlin ist Tefnut. Ich werde unerhörte Tempel zu unseren Ehren bauen und in Dschabel-as-Silsila Steine aus Felsen schlagen lassen und eine Stadt errichten, die nur uns gehört. Eine Stadt, wie man sie noch nie gesehen hat: Atons Stadt.«
Thotmes erschrak und sah irritiert zu Amenhotep hoch. Was der Pharao ihm hier gestand, würde die Welt auf den Kopf stellen. Er sprang auf und stellte sich hinter den Pharao.
»Verstehe ich das richtig? Aton und du sind gleich? Ihr seid zusammen der einzige Gott?«
»Du hast verstanden, mein Thotmes. Aton ist wesensgleich in mir und es wird neben uns keine anderen Götter geben. Ich bin in Atons Strahlen, also nicht nur die Sonnenscheibe wie Re, sondern fühlbar, sichtbar allen Menschen. Was auf der Erde geschieht, sichtbar in der Kornähre, hörbar im Schrei der Kraniche, bin ich. Man kann mich schmecken im Fleisch der Antilope. Ich bin die Wahrheit und das Licht und die Wärme.«
Thotmes zitterte. War Amenhotep verrückt geworden? Oder geschah hier tatsächlich die Geburt einer neuen Welt? Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Nun begriff er. Amenhotep offenbarte sich ihm als Gott. Bebte nicht unter seinen Füßen die Erde?