Читать книгу Tatort Rosenheim - Heinz von Wilk - Страница 19
Stunde der Wahrheit
Оглавление»Warum seid ihr so still?« Friedl, der es sichtlich schmeckte, schaute die beiden Männer an. »Habt ihr euch gestritten oder so? Vorher war hier drin eine ganz andere Stimmung. Manfred, was ist? Schmeckt dir das Essen nicht?«
Der wischte sich den Mund ab, trank sein Glas leer, räusperte sich und schaute erst den Max, dann die Friedl an: »Schatz, ich hab mich ein Jahr lang nicht gemeldet, weil ich im Gefängnis war. Ich will mich hier auch nicht einschleichen, sondern ich wollte dich noch ein einziges Mal sehen und dann verschwinden. Alles, was ich dir auf dem Schiff über meine Gefühle zu dir erzählt habe, das stimmt. Der Rest nicht. Ich bin kein reicher Großwildfänger, sondern ein hauptberuflicher Knastler, hab die meiste Zeit meines Lebens im Bau verbracht, zu Recht. Für nichts sperren die hier keinen ein.«
Friedl wollte was sagen, aber er hob die Hand: »Warte, lass mich ausreden. Ich bin kein Mörder oder so was, obwohl ich wegen Körperverletzung auch schon das eine oder andere Mal eingefahren bin. Meist haben sie mich wegen einem Bruch oder einem Trickbetrug drangekriegt. Das ganze Geld, das wir auf dem Schiff verjubelt haben, das war aus dem letzten Bruch. Aber weißt du was? Ich hab mich in dich verliebt, ich wollte bei dir sein, so lange es geht. Deswegen die ganze Lügerei. So, jetzt kannst du reden.«
»Jetzt brauch ich meine Notfalltropfen.« Friedl stand auf, ging zum Schrank und kam mit einer Flasche Cognac und drei Gläsern zurück. Sie schenkte jedem zwei Fingerbreit ein und hob ihr Glas: »Manni, das ist mir alles wurscht. Dass deine Geschichten, wie soll ich sagen, alternative Fakten waren, das hab ich schnell gemerkt. Aber ich hab mich in dich und dein Lachen verguckt. Ich habe schon so lange nicht mehr richtig gelacht, seit mein Otti tot ist. Ich mag dich auch. Ob ich dich liebe, weiß ich nicht. Aber ich mag dich. So, und jetzt sage ich Folgendes: Du kannst hierbleiben, so lange du willst. Schau dich in der Stadt um, wenn wir dir bei irgendwas helfen können, dann tun wir das. Weißt du, mein Otti, der war auch kein Lämmchen. Der Max hier, der hat bei seinem Vorleben keine Chance mehr, ein Pfarrer zu werden. Und ich, ich weiß sehr gut, wo das Ganze herkommt, was du hier siehst. Max, was meinst du dazu?«
Mit so was hat der Auer nicht gerechnet, ja, was glaubst du? Eigentlich war der Plan, dass er den Manfred nach dem Essen kurz zur Seite nimmt und ihm erklärt, wo hier der Frosch die Locken hat. Andererseits hat sich die Friedl in den zwei Stunden, in denen der Kerl hier ist, vollkommen verändert. Sie lacht wie ein junges Mädchen, sie ist glücklich. Und wenn du mich fragst, denkt sich der Max, dann ist das alte Mädel in den Kerl verknallt. Also, mach erst mal gute Miene zu dem Spiel hier, vielleicht ergibt sich das in ein paar Tagen von selber. Ist ja immer so, oder? Wenn der erste Rausch vorbei ist, sieht man wieder klar.
Deswegen hat der Auer Max sein Glas gehoben, die beiden angeschaut und gesagt: »Hiermit habt ihr beide meinen Segen. In meiner Eigenschaft als hauptberuflicher Neffe ernenne ich euch zu was auch immer ihr sein wollt. Bis dass die Nachspeise uns scheidet. Amen. Können wir jetzt weiteressen?«
»Wohin die ganzen Bullen wohl gerannt sind?« Der Manfred schaute unsicher zur Tür, und Friedl fragte: »Wann denn?«
Max sprach mit vollem Mund: »Vor einer Viertelstunde. Die sind vor dem Bücherladen aus den Autos und dann um die Ecke in die Bahnhofstraße verschwunden. Warum?«
Friedl kratzte sich am Ohr: »Da ist doch der Imbiss vom Bergmeier. Weißt schon, der, der nebenbei noch den Taxidienst macht. Der hat öfters Probleme mit der Polizei. Und mir ist der auch noch Geld schuldig. Also, nicht direkt mir. Der Otti hat ihm vor einem Jahr 5.000 Euro geliehen, zu 10 Prozent Zinsen, die haben wir bis heute nicht. Obwohl es dem Bergmeier gutgeht. Der hat den Imbiss, sein Taxi und ein paar alte Mädels am Laufen. Bahnhofshühner, so hat der Otti die genannt. Alte Legehennen, bei denen das MHD schon lange abgelaufen ist. Aber der Otti hat gemeint, da gibt’s immer ein paar Tschuschen, die bumsen alles, was noch einen Puls hat. Egal, der Chili wollte sich eigentlich drum kümmern. Das hat er mir auf der Beerdigung versprochen. Aber dann hab ich ihn gebeten, dass er die Urnen austauscht. Weil ich meinen Otti ja viel lieber hier daheim habe. Dass ein Mann im Haus ist, verstehst? Und dann ist das Problem mit dem Bergmeier irgendwie … untergegangen? Ich weiß auch nicht mehr.«
Max und Manfred schauten sich sprachlos an, und die Friedl lächelte maliziös: »Und jetzt hab ich gleich zwei Männer hier sitzen. Wer hätte das gedacht?«
»Wie zum Teufel tauscht man eine Urne aus?« Max schenkte sich, dem Manni und der Friedl nach.
Die meinte mit Unschuldsmiene: »Das? Das war ganz einfach. Ich hab mir ja beim Bestatter die Urne ausgesucht. Dann hab ich gesagt: ›Ach, wissen S’, ich nehm gleich noch so eine, die stelle ich daheim ins Bücherregal, weil die gar so schön ausschauen und glänzen‹. In die zweite Urne haben wir dann hier drinnen ein paar Hände voll Kaminasche getan, der Chili und ich. Und noch paar kleine Knöpfe, weil der Chili gesagt hat, wenn sie einen verbrennen, dann bleibt immer ein bissel übrig. Keiner geht ganz, hat er gemeint. Ein paar Zähne oder so bleiben immer unter dem Rost liegen. Und kurz vor der Feier, schon in der Aussegnungshalle, da hat der Chili eine Flasche Jägermeister fallen gelassen. Die wollte er dem Otti mit ins Urnengrab legen, hat er zum Pfarrer gesagt. Weil der Otti doch so gerne Jägermeister mit Cola getrunken hat, ned wahr? Ja, und in dem ganzen Durcheinander, es sind ja alle aufgesprungen und haben den pappigen Schnaps vom Boden der Aussegnungshalle gewischt, mit Taschentüchern, Schals und so, da hat der Chili schnell die Urnen vertauscht.«
Manfred sagte: »Und der Pfarrer, hat der nix gemerkt?«
»Der? Der hat irgendwas von seinem hohen Blutdruck gemurmelt und ist nach hinten und hat ein großes Glas Messwein getrunken. Das war dann aber doch noch eine sehr schöne Feier, wir haben alle geweint, obwohl es gestunken hat wie in einer Trinkhalle. Und der angetrunkene Pfarrer hat ein paar lustige Sprüche rausgelassen. Ja, was wollte ich denn eigentlich sagen? Ach so, und mit dem ganzen Urnenstress, da hat der Chili wohl dann vergessen, vom Bergmeier das Geld einzutreiben. Ich ruf den Chili gleich morgen mal an und erinnere ihn dran. Hoffentlich ham s’ mir den Bergmeier jetzt nicht vor der Nase weg verhaftet, weil, sonst seh ich mein Geld nie wieder.«