Читать книгу Tatort Rosenheim - Heinz von Wilk - Страница 25

Der? Der ist doch ein Kugelfisch

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So gegen 21 Uhr, 21.15 Uhr kamen sie am »Wild Wild West« an. Der Parkplatz war schon ziemlich voll, und beim Reingehen dröhnte ihnen »Viva Las Vegas« entgegen. In der Fassung von ZZ Top, die ich persönlich eh für die Beste von allen halte. Elvis hat das ja immer so aus dem Unterleib raus genölt, aber bei den ZZ Top-Jungs, da knallt dir das ganze Las Vegas in den Kopf. Du siehst die vielen glänzenden Autos, die Menschenmassen auf beiden Seiten der Boulevards, die Lichter der gigantischen Hotels, die riesigen Neonreklamen, die Stars wie Jennifer Lopez, Rod Stewart oder die Back Street Boys ankündigen. Aber zurück nach Rosenheim:

Danny und Arnold gingen an die Bar. Arnold schob drei Typen zur Seite. Einer ballte die Faust und drehte sich schnell um. Dann sah er Arnold. Schnell hob er beide Arme, die Handflächen flach nach vorne und grinste dümmlich. Danny klopfte ihm auf die Schulter und ließ seinen Zeigefinger über dem Kopf kreisen: »Bier und Schnaps für alle am Tresen!«

Auer ging zwischen den voll besetzten Tischen durch und hämmerte zweimal an die Bürotür, bevor er sie aufschwingen ließ. Chili, hinter seinem Schreibtisch sitzend, die gestiefelten Füße auf dem Tisch, hielt sein Handy ans Ohr. Mit erhobenem Zeigefinger gebot er dem Max, die Tür zu schließen und sich zu setzen, dann sprach er weiter: »Was? Nein, das war die Tusse von der Bar. Ich ruf dich an, sobald sie zurück sind. Nein, sie haben nicht hier angerufen. Was? Jetzt geh, Heinzi, ich kann sie doch nicht alle drei erschießen. Gut, den Max vielleicht, aber die anderen zwei? Weißt du überhaupt, wie schwer man heute qualifiziertes Personal bekommt? Was? Na also. Wir? Ja, klar. Die ganze Produktion hat er dir versprochen? Der spinnt doch. Was? Ja dann. Na servus, das kostet mich ein Vermögen.«

Der Chili legte das Handy auf seinen Bauch, holte eine Flasche Jack Daniels aus dem Schreibtisch und fischte ächzend zwei Gläser aus dem Regal hinter sich.

Dann drehte er den Verschluss auf, schob Max die Flasche rüber und kreiste mit dem Finger über den Gläsern, das Handy schon wieder am Ohr: »Heinzi, hallo? Bist du noch da? Ja, da war grade so ein statisches Rauschen und du warst weg. Aber jetzt verstehe ich dich wieder. Wie? Schon klar, wenn er das gesagt hat, dann stehe ich zu seinem Wort. Du kriegst alles in drei oder vier Wochen. Als Zugabe, Schmerzensgeld oder so gebe ich dir eine Roh-DVD, die ich letzte Woche gemacht habe. ›Geile Klempner beim Rohrverlegen‹. Echt gut. Mit Nachwuchstalenten. Was? Okay, du hörst von mir. Tschau, Heinzi. Wie? Ja, du mich auch. Gute Besserung. Over.«

Chili ließ zischend Luft aus seinem Brustkorb und nahm einen Schluck Bourbon: »Ahhh, jetzt geht es wieder. Sag einmal, warum wolltet ihr euch da drüben gegenseitig die Ohren abschneiden? Macht man das jetzt so?«

»Die haben damit angefangen. Der Heinzi ist ausgetickt, der ist in seinem Steifftiermantel rumgehüpft wie ein Derwisch und hat seinem Sklaven befohlen, mir an die Ohren zu gehen.«

»Ja, so was macht er gerne. Er hat halt einen schrägen Humor. Aber: Ich habe dich gewarnt. Der Typ ist von einem anderen Planeten. Gut, dass meine Jungs dabei waren.«

»Der Kleine mit seiner Robert-De-Niro-Nummer, der ist schon ein Hammer.«

Chili strahlte: »Ja, oder? Ich hab ihm die Szene gezeigt. ›Taxi Driver‹. Robert mit Irokesenschnitt. Die kleine Kanone mit einem Stück Vorhangschiene und auf Rollen. Wow. Hat der Kleine alles selber gebastelt, nachdem er sich die Sache im Film ein Dutzend Mal angesehen hat. Robert macht das ja glasklar vor. Hast du ›Taxi Driver‹ auch gesehen?«

Max nickte, den Mund voll mit Jacky D.

»Und der Große hat nicht geschossen? Mit seiner Schrotspritze?«

Max schüttelte den Kopf.

Chili kratzte sich am Ohr: »Komisch, macht er sonst gerne. Vielleicht war das Ding nicht geladen? Ist ja auch egal. Der Heinzi hat einen glatten Durchschuss im Oberschenkel. Die haben ihn zu einem Arzt gefahren, der auch zockt und die Brüder wieder auf Vordermann bringt, wenn was ist. Der Heinzi organisiert ja auch diese Boxkämpfe ohne Regeln und Handschuhe. Im Käfig oder in einer Grube. Da brauchst du als Arzt viel Fantasie, wenn du solche Kerle wieder auf menschliches Aussehen trimmen sollst.«

Chili strich mit den Fingern durch seinen strohblonden Pferdeschwanz und griff dann in eine Schublade. Aus der holte er zwei 500er, schob sie dem Auer rüber und klopfte mit dem Zeigefinger drauf: »Hier, Lärmzuschlag und Bonus. Hast du gut gemacht. So bin ich fein aus der Sache raus. Gschamster Diener, sagt danke. Der Spruch ist vom Heinzi. Diese Österreicher. Sind immer lustige Burschen, auch wenn sie ein zusätzliches Loch in den Kadaver gestanzt kriegen, was?«

Der Auer wollte aufstehen, aber Chili hob die Hand: »Bleib sitzen. Ich hab vorhin noch was aufs Handy gekriegt. Ein Video von der Sissi. Schau dir das an und sag mir, ob du dadraus schlau wirst.«

Chili fummelte an seinem Samsung rum, drückte ein paar Tasten und schob das Handy zu Max rüber.

Jetzt stell dir das mal vor: Displayfüllend das verheulte Gesicht von der Sissi. Die goldblonden Haare zerzaust, das Augen-Make-up verwischt, sodass sie aussah wie einer dieser Nachwuchsvampire aus »Biss zum Morgenrot« oder wie diese Filme heißen.

In der einen Hand eine Zigarette mit viel Asche dran, in der anderen ein Glas mit einer blassblauen Flüssigkeit. Max drückte auf »Pause« und schaute sich den Hintergrund an: Gelb-rote Blümchentapeten wie aus der Ex-DDR, weiter hinten eine mit einem Nachthemd oder so was Ähnlichem abgehängte Stehlampe. Das Bett fleckig und zerwühlt. Jedenfalls das, was man sehen konnte.

Max drückte »Play«, der Kopf von der Sissi ruckte wie bei einem Huhn, dann hörte er ihre Stimme: »Chili, Schatz, schau, wie i schau. Gut geht’s mir nicht, aber es ist alles nicht so schlimm, wie du vielleicht meinst. Du machst dir wahrscheinlich wahnsinnige Sorgen, deswegen meld ich mich ja. Ich darf eigentlich mit niemandem sprechen, aber ich hab ihm vorhin sein Handy aus der Jacke gezogen. Chili, unternimm nix, lass deine Hunde nicht los, ich krieg das alles irgendwie in den Griff. Glaub auch nicht, was andere dir vielleicht erzählen, ja? Ich muss Schluss machen, unten geht wer die Treppe hoch. Tschau Schatz, ich hab dich ja so geliebt. Fast, jedenfalls, ich meine, du weißt schon. Bussi!«

Dann wurde das Display dunkel. Max spielte die Nachricht zurück und schaute sich das Video noch mal an. Und dann noch mal.

»Willst du es gerne auf Endlosschleife haben oder was wird das?«

Max nickte, ohne die Augen vom Display zu lassen: »Ja, gib mir das auf mein Handy. Der Hintergrund, ich weiß auch nicht. In München bin ich durch so viele Puffs marschiert, dienstlich und privat, aber … irgendwie, ich hab so das Gefühl, dass ich das Zimmer schon mal betreten habe. Ich will mir den Film auf den Laptop spielen und den Hintergrund rausarbeiten. War eine Nummer dabei? Irgendwas?«

Chili grinste: »Anonym, ist doch klar. Was hast du denn erwartet. Sag dem Brunner kein Wort davon, klar?«

Max schaute auf: »Dem mache ich morgen einen Überraschungsbesuch im Büro. Dann falte ich ihn auf DIN-A4, so wird der Knabe schnell kooperativ. Der muss was wissen. Und das wird er mir sagen. Bin ich den beiden da draußen was schuldig für die Nummer in Salzburg?«

Chili lachte und schüttelte den Kopf: »Spinnt du jetzt? So was wie heute gehört zur Jobbeschreibung. Außerdem freue ich mich, dass die beiden mal ein bisschen rausgekommen sind und Spaß hatten. Man muss seinem Personal ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten, die müssen sich gefordert und bestätigt sehen. Psychologie, verstehst?«

Es wurde an die Tür geklopft, die ging einen Spalt auf, dann war der Kopf der Bardame zwischen Tür und Türstock: »Darf ich eine Sekunde reinkommen oder störe ich grade?«

Chili winkte ihr, und sie kam ins Zimmer. Nervös strich sie mit den Händen über ihren extrem kurzen goldglänzenden Mini: »Chef, ich hab da was Wichtiges morgen früh. Die Sonja übernimmt jetzt draußen für mich die Bar, und …«

Chili nahm die Stiefel von Schreibtisch und beugte sich vor: »Ja, was ist denn? Red doch endlich! Hast du wieder mal Ärger mit deinem Kerl?«

»Mit dem Roberto? Den hab ich schon vor zwei Wochen entsorgt. Nein, es geht um den Carlo.«

»Schon wieder ein Italiener? Was haben die, was ich nicht habe, das vielleicht?« Chili hielt die Handflächen in einem Abstand von circa 30 Zentimetern vor sein Gesicht und grinste dreckig.

Auer stöhnte und schloss die Augen.

»Ach was, hör mir auf mit Kerlen. Der Carlo, das ist mein Kater. Der schwarze, den kennen Sie doch, Chef. Ich hab ihn auf der Weihnachtsfeier dabeigehabt und Sie haben ihn gestreichelt. Erinnern Sie sich?«

Chili überlegte: »Ja, klar. Und, was ist mit ihm? Soll ich ihn erschießen?«

Sie sagte: »Nein, ich hätte gerne, dass er heute hier im Büro übernachten kann, weil ich ja nach Niederbayern muss. Todesfall in der Familie. Da kann ich nicht mit einem schwarzen Kater auf den Friedhof gehen. Die sind doch alle so abergläubisch bei uns in der Familie.«

»Laura, dein Kater ist kein Kater, sondern ein fetter Kugelfisch. Weil du ihn zu Tode fütterst. Du hast dir einen Kugelfisch rangemästet. Und, siehst du hier irgendwo ein Aquarium? Schau ich aus wie einer, der mit fetten Fischen kuschelt?«

»Jetzt werden S’ nicht gemein, ja? Der Carlo hat sein astrologisches Idealgewicht. Er ist muskulös, aber nicht fett. Neun Kilo für einen Kater sind heutzutage nicht unnormal. Nicht besonders, jedenfalls. Ich hab ihn samt Korb im Auto. Da bei Ihnen unter dem Schreibtisch, da tät es ihm bestimmt gefallen. Und morgen ist er wieder bei mir. Bitte, bitte, ja? Nur bis morgen Nachmittag, Chef?«

»Ich bin einfach zu gut für diese Welt. Bring das Monster und leg ihn hier ab. Wenn ich Flöhe krieg oder sonst was, dann ist er dran.«

Die junge Frau warf dem Chili eine gehauchte Kusshand zu, machte einen Knicks und verschwand.

Max stand auch auf: »Ich mach mich vom Acker. Mal schauen, vielleicht krieg ich aus dem Video was raus. Du hörst von mir. Servus.«

Chili wedelte müde mit der Hand und griff nach der Jack-Daniels-Flasche. Die Kneipe war mittlerweile brechend voll. Lichtblitze zuckten von den zwei alten Discokugeln über der winzigen Spiegeltanzfläche. An der Stange, die direkt auf dem Bartresen und oben an der Decke verankert war, tanzte eine blasse, üppige Rothaarige und verrenkte sich zu »Rockin’ all over the World« von »Status Quo«. In ihrem dunkelroten String steckten 10er, 20er und ein 100er.

Als Max hinter den Bartrinkern vorbeiging, vollführte sie eine gewagte Drehung, warf die Beine in die Luft, und ein Absatz ihrer Highheels rauschte bedenklich nahe an Auers Nase vorbei.

Danny und Arnold lümmelten an ihrem Zweiertisch nahe den Separees und winkten Max zu. Arnold verzog sein narbiges Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse, die man mit viel Fantasie als Grinsen interpretieren könnte.

Tatort Rosenheim

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