Читать книгу Genderlinguistik - Helga Kotthoff - Страница 52
Zusammenfassung
ОглавлениеDie beiden Nominalklassifikationen Genus und Flexionsklasse sind eng mit Belebtheit und Geschlecht(ern) vernetzt. Die deutsche Grammatik ist subtil von einem ganzen Geflecht an Geschlechtsindikatoren durchzogen. Indem diese Kategorien in jedem Satz mehrfach aktiviert werden, verfestigen und perpetuieren sich diese Geschlechtsverweise. Weder Flexionsklassen noch Genus hatten ursprünglich die Geschlechterunterscheidung zum Ziel. Dies ist vielmehr Resultat späterer Reanalysen (Exaptation): Aus sprachhistorischer Perspektive zeigt sich, dass und wie überflüssige oder obsolet gewordene Formen mit neuen Funktionen angereichert werden und diese Funktionen um sozial so elementare und zentrale Unterscheidungen wie Belebtheit und Geschlecht(er) kreisen. Andere soziale Unterscheidungen wie Religion, Alter, Ethnizität etc. haben keine Grammatikalisierung erfahren, sie werden lexikalisch realisiert. Die sog. Genus-Sexus-RegelGenus-Sexus-PrinzipGenus-Sexus-RegelGenus-Sexus-Prinzip ist die sichtbarste Verschränkung von Grammatik und Zweigeschlechtlichkeit. Nur vor diesem Hintergrund erzielen ‚Verletzungen‘ dieser Regel besondere Effekte: Feminine Männer- oder neutrale Frauenbezeichnungen verweisen auf ‚Verletzungen‘ von Geschlechterordnungen.
Das nun folgende Kap. 5 zum sog. generischen Maskulinum dockt direkt an den Genuskomplex an und greift eine große Kontroverse auf, indem es danach fragt, ob maskuline Personenbezeichnungen unter bestimmten Bedingungen ihre Verweiskraft auf Geschlecht außer Kraft setzen können, ob also ein Hörer, der Bürger oder ein Kunde geschlechtsübergreifend verwendbar sind, indem damit Frauen wie Männer assoziiert werden. Diese Frage ist so zentral, dass wir ihr ein eigenes Kapitel widmen.