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2.2.3 Die Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit

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Männer und Frauen reagieren unterschiedlich (Spitzer 2003, Simchen 2008b)! Warum und wie die geschlechtsspezifische Verschiedenheit im Fühlen und Handeln zustande kommt, damit beschäftigt sich in der Wissenschaft die sog. Gender-Forschung. Sie untersucht die Rolle des Geschlechts als soziale Kategorie. Das weibliche und das männliche Gehirn unterscheiden sich anlagebedingt, was die körperliche und psychische Entwicklung prägt.

Das weibliche Gehirn ist entwicklungsgeschichtlich bedingt mit viel mehr vernetzenden Nervenbahnen für Gefühle ausgestattet (Spitzer 2002). Die Nervenbahnen der beiden Gehirnhälften sind stärker miteinander verbunden, sodass das Denken komplexer erfolgt und so dauert es auch länger, bis sich Stress und Erregung wieder normalisieren können. Vermittelt die Erziehung in der frühen Kindheit zu intensiv typische weibliche Verhaltensmuster, so kann sich eine sehr sensible, sozial angepasste und nach Harmonie strebende, rücksichtsvolle und somit »typisch weibliche« Persönlichkeit entwickeln. Zusätzlich kann die Mutter als enge soziale Bezugsperson, wenn sie denn auch über diese Eigenschaften verfügt und sie dem Mädchen vorlebt, diese unbewusst mittels Spiegelneuronen auf ihre Tochter zusätzlich übertragen.

Das männliche Gehirn unterliegt im Vergleich hierzu von Anfang an viel mehr dem Einfluss von Testosteron und es ist strategischer veranlagt. Es verfügt über viel weniger Kontakte zu den emotionalen Zentren. Jungen können damit in aller Regel – im Vergleich zu Mädchen – mit Emotionen rationaler umgehen, Stress und Erregung schneller abbauen. Das männliche Gehirn hat mehr sog. strategische Nervenbahnen, die beiden Hirnhälften sind weniger miteinander verknüpft. Jungen reagieren deshalb von Natur aus weniger nachhaltig auf Emotionen – ihren Ärger reagieren sie nach außen und deutlich schneller ab. Sie können gefasster, strategisch besser, nüchterner und distanzierter reagieren.

Es gibt aber auch Jungen, deren Gehirn viel empfindlicher reagiert – eher wie das eines Mädchens – und das spüren die Betroffenen auch. Diese Gruppe Jungen sind es, die unter ganz bestimmten Bedingungen in der Pubertät eine Essstörung entwickeln können.

Aus der Zwillingsforschung weiß man, dass ein Mädchen mit einem männlichen und somit zweieiigen Zwilling viel seltener an Magersucht erkrankt, als es bei einem weiblichen, also gleichgeschlechtlichen Zwilling geschieht. Das Testosteron, das der männliche Zwilling im Mutterleib bildet, gelangt über den Blutkreislauf in den Körper des weiblichen Zwillings, wo es dessen Gehirnentwicklung beeinflusst. Ein gleichgeschlechtlicher, weiblicher Zwilling beeinflusst durch seine Östrogenausschüttung in das Fruchtwasser das Gehirn seiner Schwester so, das sich in deren Gehirn das emotional wirksame serotonerge System verstärkt anlegt. Denn die von weiblichen Föten produzierten Sexualhormone (Östrogene) verbessern in der Anlage die Anzahl an Serotoninrezeptoren, sodass das Gehirn dann emotional anders reagiert, viel sensibler. Auch hierin liegt ein Grund, warum Frauen viel häufiger an Magersucht erkranken als Männer.

Aber zum Glück ist unser Gehirn veränderbar, plastisch, wie es die Wissenschaftler nennen: Äußere und innere Einflüsse verändern während des gesamten Lebens bewusst und unbewusst unser Verhalten und unsere Gehirnstrukturen, die sich den Anforderungen anpassen.

Die anlagebedingten und geschlechtstypischen Eigenschaften oder Vorurteile wie z. B.: »Frauen reden, Männer handeln« (Spitzer 2002), oder: »Mädchen verstehen nichts von Mathematik und Technik«, verlieren im Rahmen moderner Erziehung immer mehr an Richtigkeit. Die neurobiologische und psychologische Forschung hat jedoch bewiesen, dass die meisten Frauen auf die gleichen äußeren oder inneren Stressoren – im Vergleich zu Männern – empfindlicher und länger reagieren. Auch diese Reaktion ist dank der Plastizität des Gehirns veränderbar und somit anpassungsfähig. Solche Veränderungen im Verhalten gehen jedoch nicht von heute auf morgen, sie brauchen Zeit, in der sich die dazu nötigen Gedächtnisspuren ausbilden. Mädchen und weibliche Jugendliche sind anlagebedingt viel empfindlicher, was durch Erziehung, Umwelteinflüsse und selbst gemachte Erfahrungen noch verstärkt werden kann (Spitzer 2002).

Frauen haben ein empathisches Gehirn, Männer ein strategisches.

Es gibt Jungen und männliche Jugendliche, die sehr sensibel, überempfindlich und introvertiert reagieren. Sie gehen Konflikten lieber aus dem Weg, anstatt sie zu lösen. Auch sie leiden genau wie die betroffenen Mädchen darunter, dass sie sich nicht angepasst und schnell genug verteidigen können.

Sie sind anders als ihre Geschlechtsgenossen, die ihren Unmut nach außen hin abreagieren können, um sich danach gleich wieder anderen Dingen zuzuwenden. Diese sind in der Lage, ihre Erregung schnell auf das Ausgangsniveau zurückzufahren, sich zu beruhigen und, wenn nötig, auch negative Gefühle zu verdrängen. Durch ihr Reagieren werden sie vom sozialen Umfeld als psychisch stabil, cool und weniger angreifbar wahrgenommen, was sie auch tatsächlich sind.

Die sensiblen Jungen reagieren anders, sie finden nicht so schnell ihr inneres Gleichgewicht wieder. Das Gehirn dieser Jungen gleicht dem Empathie-Gehirn der Mädchen.

Es sind vor allem Jungen und männliche Jugendliche mit einem Empathie-Gehirn, die unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Essstörung entwickeln können.

Zu empfindliche Kinder und Jugendliche wirken auf ihr soziales Umfeld eher hilflos, unsicher, weniger clever und psychisch labil. Sie werden durch diese Eigenschaften zum Beispiel in der Schule ein leichtes Mobbingopfer. Viele solcher Kinder und Jugendliche haben eine angeborene emotionale Steuerungsschwäche.

Ein typischer geschlechtsspezifischer Unterschied besteht in der Art der emotionalen Reaktion. Mädchen beschäftigen sich gedanklich viel länger mit Begebenheiten, die sie emotional berühren, und suchen die Schuld in erster Linie bei sich. Sie sind leichter zu verunsichern und reagieren eher introvertiert, was zu negativem Stress führen kann. Jungen reagieren zumeist aggressiver und verursachen dadurch mehr Stress bei anderen als bei sich selbst. Sie können sich besser und schneller nach außen hin abreagieren sowie unangenehme Dinge von sich schieben und »vergessen«. Sie können eine noch so starke Erregung schneller auf »Null« zurückfahren. Diejenigen, die ihre Gefühle (Emotionen) nicht so schnell unter Kontrolle bekommen, sind psychisch stärker belastet.

Essstörungen und Persönlichkeit

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