Читать книгу Vier Pfoten und drei Koffer - Helge Sobik - Страница 10

Der Mineralwasser-Test

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Das Nachbarland zieht in immer gleichem Tempo an uns vorbei und es kommt, wie es kommen sollte: Langsam wird es wärmer, grüner, südlicher. Die Form der Bäume wandelt sich. Auf der Höhe von Lyon und auf vielen Hundert Kilometern danach sind sie plötzlich kleiner und vom Wind geformt, landeinwärts gebogen. Viele sehen aus, als hätte man sie falsch herum eingepflanzt. Mit der Wurzel nach oben. Es sind vom Mistral modellierte Pinien. Neben ihnen wachsen einigermaßen flexible Zypressen, die immer dann kerzengerade dastehen, wenn es mal windstill ist, und sich bei Sturm um sechzig Grad zur Seite biegen können, ohne zu brechen oder irgendwann in dieser Position zu verharren. Die Luft wird milder, es riecht auch schon nach Süden. Und mancherorts reichen die Weinstöcke jetzt bis fast an die Autobahn heran.

Hoover befindet sich weiterhin im Winterschlafmodus, kaum dass der Wagen gleichmäßig rollt. Wann immer eine Autobahngebühr zu bezahlen ist, setzt er sich anfangs kurz auf, weil der Wagen plötzlich steht und die Fensterscheibe an der Maut-Station für einen Moment elektrisch herunterfährt. Beim dritten Mal interessiert ihn das nicht mehr sonderlich. Er hat registriert, dass der Vorgang weder mit Angekommensein noch mit einem tollen Spaziergang zu tun hat. Auch bei den Boxenstopps ist er nicht mehr ganz so euphorisch wie beim ersten Mal, als wollte er lieber erst mal abwarten, ob das nun wirklich das Ziel ist. Dabei ist es genau genommen ja gar nicht schlimm, sich zu früh zu freuen. Eigentlich gilt das grundsätzlich im Leben. Denn das bedeutet nur, dass man sich einmal mehr freut. Jedenfalls so lange die vielen kleinen (Vor-)Freuden nicht mit Enttäuschungen verbunden sind.

Irgendwann sind seine reichlich bemessenen mitgeführten Wasservorräte erschöpft – ausgerechnet auf einem kleinen südfranzösischen Rastplatz ohne Zapfhahn, irgendwann in der Abenddämmerung. Es bleibt nur, Hoover etwas von meinem Mineralwasser in den Trinknapf zu füllen. Mit Kohlensäure. Leider. Und kaum, dass die Zunge mit den ersten Blubberblasen dieses höchst seltsamen und irgendwie angriffslustigen Wassers in Berührung kommt, macht er einen rasanten Satz rückwärts, zur Sicherheit mit allen Vieren gleichzeitig. Und in derselben Sekunde bellt er ein einziges Mal lautstark und tieftönig auf.

Jetzt schaut er aus anderthalb Meter Sicherheitsabstand auf seinen Trinknapf, der aussieht wie immer. Wie das ganze bisherige Hundeleben lang, als das Wasser noch nicht diesen seltsamen Blubb hatte. Er schleicht sich an, duckt sich dabei, schnüffelt hörbar. Und wagt erneut, zum Trinken anzusetzen. Dreimal wiederholt sich das Spiel mit dem Satz rückwärts und dem einzelnen Beller. Im Laufe der Zeit scheint er Spaß an dem Experiment zu finden, steckt die Nase ins Wasser, atmet dabei aus, macht noch mehr Blasen, springt wieder und ruft dabei etwas, das kaum anders klingt als ein menschliches »Huch!« oder »Hach!«. Und am Ende trinkt er doch – zwei große Schlucke, dann macht er wieder diesen Satz und gleich danach noch zwei Sprünge. Und wäre nicht selbst die Laufleine auf acht Meter limitiert, es kämen noch ein paar Sätze hinzu.

Er entscheidet sich für ein Tänzchen, springt auf den Napf zu, bellt, knurrt, schubst das Blech-Behältnis mit der Pfote. Erst einmal, dann immer resoluter. Er haut auf den Rand, springt wieder zurück und mit dem nächsten Satz wirft er die Schale um – um dann versuchsweise aufzulecken, was längst im Sandboden des südfranzösischen Rastplatzes versickert. Was für ein unerwartetes Abenteuer! Aber irgendwie ist es nicht sein Lieblingsgetränk, dieses Blubberblasenwasser. 150 Kilometer müssen wir beide noch ausharren, dann sind wir im Zwischenübernachtungs-Hotel. Mit Wasserhahn, mit Restaurant, mit Garage sogar. Und mit Bett.

Vier Pfoten und drei Koffer

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