Читать книгу Vier Pfoten und drei Koffer - Helge Sobik - Страница 12

Das Hotelzimmer verteidigen

Оглавление

Meistens ist es ein Vorteil, wenn das Hotelzimmer nicht direkt ans Treppenhaus oder den Fahrstuhl grenzt. Vor allem dann ist das sinnvoll, wenn diesseits der mit dunkelblauem Kunststoff in mäßigem Schick furnierten Spanplatte mit dem Plastikgriff, die hier als Zimmertür fungiert, nachts ein ausgewachsener Flat Coated Retriever auf dem Bett sitzt und erst tieftönig knurrt, dann sogar ein, zwei sonore Bell-Töne absondert, sobald irgendwer oder irgendetwas draußen auf dem Korridor vorbeischlurft, sich womöglich sogar räuspert, gar spricht oder, ganz fatal, unsere Plastiktür streift!

In diesem Etappenhotel jedenfalls wird der superfriedliche Hoover zum aufmerksamsten Wachhund der Welt, der jedem Hotelflurpassanten sofort und völlig zweifelsfrei signalisiert, dass dies hier für diese Nacht unser Zimmer ist. Dass er hier residiert und nicht gedenkt, eine Sekunde unaufmerksam zu sein oder in wohl verdienten Tiefschlaf zu verfallen. Denn er ist hier, um Herrchen und unser Hab und Gut – insbesondere die Tüte mit den abgepackten Reiseportionen seines Futters – zu bewachen. Und er ist hier, um sicherzustellen, dass wir unsere Weiterreise morgen früh mit sämtlichen Habseligkeiten einschließlich Plüsch-Tintenfisch der zweiten Generation und Stoffente antreten werden. Und natürlich mit meinen paar Sachen. Um den größten Hundsurlaub aller Zeiten anzutreten und ein Ziel anzusteuern, das noch toller sein muss als der beste Autobahnrastplatz in der Eifel. Obwohl ich wohlweislich um ein Zimmer an Ende des Korridors gebeten und auch eines der hintersten Quartiere zugeteilt bekommen hatte, gibt es offenbar noch weiter hinten an der Fluchttreppe Kammern. Jedenfalls ist auf dem Flur im Laufe der Nacht ganz schön was los. Mal sind es bloß Schritte, dann klingt es so, als zöge jemand eine ganze Flottille Rollkoffer hinter sich her und rempele nebenbei mit einem Rucksack immer wieder gegen die Wände.

Hoover springt vom Bett, baut sich direkt hinter der Zimmertür auf und lässt Geräusche erklingen, von denen ich bis dahin nicht wusste, dass er sie irgendwo in der Tiefe seiner Kehle erzeugen kann. Und dass er es will. Irgendwie bin ich gerührt, rolle mich aus dem Bett, schlurfe die zweieinhalb Schritte bis zu ihm, lobe und streichele ihn. Sofort wedelt er wie wild, will mich abschlabbern, um gleich darauf den Kopf schief zu halten, konzentriert zu horchen und noch mal zu knurren.

Später in der Nacht scheint jemand mit Hund ein- oder auszuchecken. Und das Exemplar wefft zwei-, dreimal im Flur. Wieder ist Hoover sofort hellwach und antwortet, halb in einem Tonfall, der nach »Hier ist Verstärkung, sag Bescheid, wenn Du Hilfe brauchst« klingt. Und zur anderen Hälfte schwingt mit: »Meine Tür. Mein Zimmer. Mein Herrchen. Meine Entensammlung. Weitergehen ist sicherer.« Ich muss schmunzeln. Und endlich ist nichts mehr. Wir schlafen für den Rest der Nacht tief und fest. Ich erhole mich von den Strapazen der Fahrt und all der Konzentration hinterm Steuer, Hoover erholt sich vom Kräfte zehrenden Schlafen auf der Rückbank während des langen Fahrttages. Bis von irgendwoher ein Hahn kräht, ich die Gardine aufziehe, draußen ein paar Pinien und Zypressen im Vordergrund und die Ausläufer der Pyrenäen im Hintergrund sehe. Ich öffne das Fenster, rieche den Süden. Und Hoover springt an der Fensterbank hoch, schaut ebenfalls und bläst die Nasenflügel richtig auf. Was er einatmet: Frühlingsluft, während zuhause gerade Schnee fällt.

Vier Pfoten und drei Koffer

Подняться наверх