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Der Unruhebeobachter

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Bis zur Abfahrt sind es noch zwei Tage. An einem Wintersonntag soll es losgehen, gleich früh morgens über leere Autobahnen erst Richtung Eifel, dann durch Luxemburg und weit nach Frankreich hinein bis zum ersten geplanten Boxenstopp über Nacht – und dann weiter an die Costa Blanca, wo uns ein Ferienhaus erwartet. Ich habe Hoover zwar davon erzählt, und interessiert geschaut hat er auch, aber ebenso gut hätte ich ihm wahrscheinlich aus der Autobiografie von Disneys Pluto oder Kater Karlos gesammelten Schriften vorlesen können.

Was ihm an der Story am besten gefiel: dass ich mich mit ihm beschäftigt habe. Dass es irgendwie spannend klang. Dass ich alles mit Gesten untermalt habe, die auch bedeuten könnten, dass wir gleich im Garten Ballwerfen gehen würden. Er hat Worte erkannt, die er perfekt einordnen kann, sogar ganze Sätze, die er versteht. »Aber Du kommst doch mit« ist so einer davon. Dann ist er immer begeistert und hüpft wie ein Flummi durchs Zimmer, tritt sich mit allen Vieren gleichzeitig ab und schafft damit inzwischen mit Leichtigkeit einen halben Meter Flughöhe aus dem Stand. Immer und immer wieder in dichter Folge nacheinander. So springt er erst zur Leine, die meistens auf dem Küchentisch liegt, dann zur Garderobe, wo meine Waldspaziergangs-und-sonstwohin-mit-Hund-wegfahr-Jacke hängt, anschließend zur Haustür. Und von dort aus schaut er mich aus erwartungsfrohen Augen an.

Irgendwie scheint sein Verständnis mancher Aussage nicht nur an einzelnen Vokabeln zu hängen, sondern auch andere Zusammensetzungen erschließt er sich. Für jemanden, der nie gelernt hat, was konjugieren und deklinieren ist, klingen »kommen« und »kommst Du« ganz schön verschieden.

Zugleich ist seine Reaktion auf die Worte »kommen« und »mitkommen« völlig unterschiedlich. »Kommen« ist gehorchen, ist herbeieilen müssen. »Mitkommen« ist eine größere gemeinsame Aktion außerhalb des Hauses, auf die er sich freut.

Insofern: Er mag manches von dem verstanden haben, was ich ihm erzählt habe, ohne aber wirklich zu wissen, um was es geht oder den Zeithorizont zu kennen. Auch nicht, wenn ich »noch zweimal groß schlafen« sagen würde.

Was er übrigens auch versteht und in seinen komplett unterschiedlichen Reaktionen darauf eindeutig unterscheidet: »Wollen wir los?«, »Gleich kommen Leute!«, »Da ist ja auch ein Hund!«, »Wollen wir Futter fertig machen?«, »Wollen wir spielen?«. Besonders niedlich ist es, wenn ich sage: »Einer muss den Hund nehmen«. Dann holt er die Leine und läuft im Schritttempo wie ein Dressurpferd – als ob er stolz darauf ist, Verantwortung übertragen zu bekommen und sich selber am wichtigen Herrschaftsinstrument Leine halten zu dürfen.

Seit Tagen beobachtet er mich ganz genau, ist anhänglicher, neugieriger, reagiert sofort auf Veränderungen. Er merkt ganz genau, dass da etwas im Busch ist. Weil vorgestern einmal kurz der Reiserucksack im Spiel war, in den bei größeren Touren die Vorräte kommen. Weil die schwarze Laptoptasche seit zwei Tagen im Flur an der Wand lehnt. Weil ein Karton mit Arbeitsunterlagen in der Küche steht, die mitreisen sollen. Denn die Winterflucht ist kein Urlaub, sie ist ein Wechsel des Arbeitsortes. Ein wunderbarer Wechsel sogar.

Wahrscheinlich spürt er auch meine gewisse innere Unruhe, denn normalerweise breche ich die Zelte auch nicht mal eben für so lange ab. Es ist ein Versuch. Für uns beide. Mal schauen, wie er gelingen wird.

Vier Pfoten und drei Koffer

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