Читать книгу Sauschlägers Paradies - Helmut Exner - Страница 8
Kapitel 4
Оглавление»Sie sind die größten Idioten, die mir in meiner bisherigen Laufbahn untergekommen sind!«, brüllte Hermann Wutgerut die beiden Männer an, die verschüchtert vor seinem Schreibtisch standen.
»Der Vierzigtausend-Euro-Wagen demoliert, der Ruf ruiniert, zwei Waffen haben Sie sich abnehmen lassen! Ich hätte Lust, Sie einfach abzuknallen. Aber die Zeiten sind ja vorbei. Wir sind schließlich seriöse Geschäftsleute. Was nicht heißt, dass Sie für den Schaden nicht gerade stehen müssen. Sie werden in Zukunft arbeiten, dass Ihnen die Schwarte kracht. Vom Fall Sauschläger sind Sie allerdings entbunden. Und jetzt raus!«
Am Besprechungstisch auf der anderen Seite des großen, elegant eingerichteten Büros saßen Ludmilla Schulz und Max Johannknecht. Letzterer war Wutgeruts rechte Hand, und Ludmilla war die Beauftragte des großen Chefs, der in Thüringen residierte.
»Mit dem Abknallen bin ich mir nicht so sicher, mein lieber Wutgerut«, sagte Ludmilla, eine Frau von Ende vierzig, in ihrem slavischen Akzent. Ludmilla war eine gutaussehende Blondine, elegant angezogen, meist verbindlich lächelnd. Max Johannknecht war Mitte dreißig, studierter Betriebswirtschaftler, etwas klein geraten, mit hellwachen blauen Augen ausgestattet. Wutgerut, ein Mann von Mitte fünfzig, hatte nur noch ein paar silbrige Haare auf dem Kopf und trug einen dunklen Tausend-Euro-Anzug. Resigniert kam er zu den beiden und setzte sich an den kleinen Konferenztisch: »Aber, liebe Ludmilla, ich dachte, das haben wir hinter uns.«
»Wenn ich Ivan erzähle, dass du deinen Laden nicht im Griff hast, gibt es Ärger. Er ist zwar ein hochseriöser Geschäftsmann. Aber wenn er erfährt, was diese Tölpel sich hier geleistet haben, dann weiß ich nicht, was er tut.«
»Aber muss er es denn unbedingt erfahren?«
»Es ist mein Job, ihn über alles Wesentliche zu informieren. Ich reise ja nicht zum Spaß herum und inspiziere unsere Niederlassungen. Er will wissen, ob alles gut läuft. Die beiden haben ihre Waffen verloren. Stell dir vor, es wird jemand damit umgebracht. Ivan hat keine Lust, sich mit der Polizei herumzuschlagen.«
»Ludmilla, ich bringe die Sache in Ordnung. Ich setze mich ins Auto und rede mit diesem Sauschläger. Wenn er schon nicht als Kunde zu gewinnen ist, vielleicht kann er ja für uns tätig sein.«
»Du bist ein Optimist. Also gut, ich gebe dir eine Woche. Wenn bis dahin alles glatt ist, berichte ich Ivan nicht, was das hier für ein saftiger Laden ist.«
»Saftladen, nicht saftiger Laden«, korrigierte Max Johannknecht.
»Sei nicht so vorlaut, wenn erwachsene Leute sich unterhalten«, entgegnete Ludmilla, und an Wutgerut gerichtet: »Apropos abknallen. Hast du dir schon mal Gedanken gemacht über unseren anderen Geschäftszweig?«
»Du meinst die Bestattungsschiene?«
»Natürlich meine ich die. Es wird langsam knapp. Es kommen immer wieder Aufträge herein, und wir können die Toten schließlich nicht einfach wegschmeißen. Wir können bald keine Aufträge mehr annehmen, wenn wir die Verbleichten...«
»Verblichenen«, korrigierte Max und fing sich einen bösen Blick von Ludmilla ein.
»...wenn wir die Verblichenen nicht anständig unterbringen können.«
»Auch dazu melde ich mich innerhalb einer Woche«, antwortete Wutgerut.
Das Unternehmen war von Ivan – so hieß er zwar nicht wirklich, aber jeder nannte ihn so aufgrund seiner russischen Herkunft, aufgebaut worden. Anfang der neunziger Jahre lief alles noch ziemlich chaotisch. Aber es gelang Ivan, nie mit der Polizei in Konflikt zu geraten. Man hatte einen großen Kundenstamm in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Und seit einigen Jahren expandierte man in Niedersachsen und Brandenburg. Ivan betrieb einen Lieferservice für Restaurantbedarf. Man kaufte extrem günstig ein und verkaufte mit fantastischen Gewinnspannen. Im Preis inbegriffen war ein Sicherheitsservice. Wer bei Ivan Kunde war, konnte davon ausgehen, dass ihm und seinem Restaurant so schnell nichts passierte. Die Geschäftsidee war nicht neu. Es gab beispielsweise italienische Vorreiter. Ivan hatte ganz klein angefangen mit Restaurants, deren Besitzer aus der ehemaligen Sowjetunion stammten. Ebenso wie Ivan. Als seine Zeit als Offizier in der sowjetischen Armee in Deutschland abgelaufen war, stand er vor dem Nichts. Mittlerweile hatte er ein kleines Imperium erschaffen. Er war ein angesehener Geschäftsmann. Da er im Restaurantbereich nicht weiter expandieren konnte – es tummelten sich einfach zu viele Mitbewerber in der Branche, hatte er eine weitere Geschäftsidee verwirklicht, die auch überregional von Bedeutung sein könnte: Die Beseitigung unangenehmer Zeitgenossen. Ein einziger Auftrag in diesem Geschäftszweig brachte soviel Gewinn wie eine Filiale im Restaurantbereich in einem ganzen Monat erwirtschaften konnte. Wichtig war, die Leute so zu entsorgen, dass sie einfach unauffindbar waren. Denn nach wie vor galt: Ohne Leiche kein Mord.