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2. Wirtschaftliche und soziale Verhältnisse

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Assisi nimmt, in bescheidenerem Maße als seine große Nachbarin und Rivalin Perugia, teil an der bedeutenden gesellschaftlichen Umwälzung, die in Italien schon im 11. Jahrhundert beginnt und um die Wende des 12. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hat: dem Aufstieg des Bürgertums und damit der Städte zur entscheidenden wirtschaftlichen und politischen Kraft.17 Die nähere Ursache hierfür war der Aufschwung des Handels, der in vielen Städten auch ein Anwachsen der Bevölkerung um fünfzig und mehr Prozent innerhalb von hundert Jahren zur Folge hatte. So erreichte z.B. die Bevölkerung Mailands, die am Ende des 11. Jahrhunderts etwa 60.000 bis 65 000 Menschen zählte, in der zweiten Hälfte des folgenden Jahrhunderts die Zahl von 90 000; nochmals hundert Jahre später war sie auf etwa 160 000 bis 180 000 angewachsen. Florenz wuchs vom Ende des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts von 30 000 auf 45 000 und bis gegen 1200 auf 70 000 Einwohner; um das Jahr 1300 war die Zahl von 110 000 erreicht.

Assisi hatte im Jahre 1232 2 255 Feuerstellen. Davon ausgehend wird die Zahl der Einwohner auf 11 300 – 15 800 geschätzt. In der näheren Umgebung (Contado) dürften noch einmal um die 5.000 ländliche Bewohner gelebt haben. Die genannte Einwohnerzahl war das Ergebnis eines raschen Bevölkerungswachstums in den Jahrzehnten davor, ähnlich dem in anderen Städten Nord- und Mittelitaliens. 1199 hatte man den Mauerring um die Stadt erweitern müssen, wobei Baumaterial aus der kurz davor zerstörten Rocca Maggiore entnommen wurde. Zahlreiche Kaufleute verlegten ihren Wohn- und Handelssitz von außerhalb der Stadt in die Nähe des Marktes. Dort bauten auch Adelige ihre Stadthäuser.

Die städtische Bevölkerung bestand aus zwei Gruppen: den Wohlhabenden (maiores, boni homines, buoni uomini, magnati, milites) und dem einfachen Volk (minores, homines populi, populo minuto). Die Oberschicht war um die Wende des 12. Jahrhunderts nicht mehr mit dem Adel identisch. Der soziale Umbruch in dieser Zeit ist dadurch gekennzeichnet, daß es zahlreiche Aufsteiger aus der unteren Gesellschaftsschicht gab und andererseits nicht wenige Adelige verarmt waren. Wir kennen aus der Lebensgeschichte des Franziskus die Erzählung von dem armen, halbnackten Ritter, dem der junge Franziskus seine Kleider schenkte.18

Wichtig für den innerstädtischen Handel waren (wie übrigens heute noch) die Produkte des Umlandes, vor allem Getreide, Olivenöl, Wein und Früchte. Eine über das ganze Mittelalter hin belegte Eigentümlichkeit der zentral- (Toscana, Umbrien, Latium) und süditalienischen Landschaften (Campanien, Apulien, Basilicata) ist die Trennung des Eigentums an den Olivenbäumen und dem Land, auf dem sie standen. Die Bäume konnten also verkauft werden ohne das Land, und umgekehrt.

Viehzucht gab es sicher auch in nicht geringem Umfang, wenngleich die Quellen hierüber nur spärliche Auskunft geben. Immerhin gibt es einige Nachrichten über Rinderzucht und Erzeugung von Schafwolle. Direkte Zeugnisse über die Weiterverarbeitung von Wolle scheint es sowohl für Assisi wie für Perugia erst im 14. Jahrhundert zu geben.

Die einzelnen Handwerke, die in der Stadt ausgeübt wurden, waren in Zünften (societates) organisiert. Es gab Metzger, Bäcker, Schuhmacher, Schneider, Steinmetzen, Müller. Auch die Ärzte, Notare und Baumeister waren in Körperschaften zusammengeschlossen.

Zwischen den Städten und dem Umland bestanden lebhafte Handelsbeziehungen. So wurde aus dem Gebiet von Assisi Getreide nach Perugia verkauft. Über internationale Verbindungen haben wir Kenntnis aus der Drei-Gefährten-Legende, die zu berichten weiß, daß der Vater des Franziskus, Pietro di Bernardone, in Frankreich geschäftlich zu tun hatte.19 Man darf annehmen, daß er zu den Kaufleuten gehörte, die aus Frankreich kostbare Stoffe nach Italien importierten. Die Handelsgüter wurden sowohl in Läden wie auf Märkten (Messen) umgeschlagen. In Assisi gab es eine große Messe anläßlich des Festes des Portiuncula-Ablasses (2. August), die allerdings erst seit 1319 nachweisbar ist.

Im 12. und 13. Jahrhundert war die Tätigung von Geldgeschäften üblich. Dabei wurden Zinsen von 10 % bis 25% gezahlt, obwohl das Nehmen von Zinsen eigentlich über das ganze Mittelalter hin sowohl durch kirchliche wie staatliche Gesetze als Wucher verboten war. Geld durfte zwar verliehen werden, doch durfte der Verleiher nichts weiter als sein Kapital zurückfordern. Obgleich von den kirchlichen Autoritäten beständig eingeschärft, wurde dieses Gesetz doch in der Praxis kaum beachtet.

Im Gebiet von Spoleto kursierte bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus das Geld von Pavia. Es wurde dann abgelöst durch die Währung von Lucca. Hieran scheint der Kaiser Friedrich Barbarossa einen entscheidenden Anteil gehabt zu haben, der die Währung von Pavia unterdrückte. Die pavesischen Dukaten waren mehr wert als die lucchesischen: vor 1181 erhielt man für einen Dukaten von Pavia deren drei von Lucca; nach diesem Jahr stand der Wechselkurs auf eins zu sechs.

Franziskus von Assisi

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