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Vergnügt folgten die Zuschauer dem munteren Treiben der Komödianten auf der Bühne. Wie schon all die Male zuvor fand Der verwunschene Prinz, ein Schwank von Johann von Ploetz, auch diesmal viel Anklang. Lola, die hinter den Kulissen in der Seitengasse ungeduldig auf das Ende des ersten Akts wartete und damit auf ihre Premiere in München, verstand kein Wort, auch nicht als die Darstellerin des Evchen erzählte, wie sie bei einer Maskerade ein ganzes Zimmer voller Adliger davon überzeugt hatte, eine Gräfin zu sein, was sie - Ironie des Schicksals - natürlich genauso wenig war wie Lola Montez eine Spanierin.

Kaum war der Vorhang gefallen, als die Bühnenarbeiter mit geübten Griffen den Szenenaufbau einer Schusterwerkstatt entfernten und die Bühne für Lolas Auftritt einrichteten. Die Musiker im Orchester stimmten noch einmal ihre Instrumente, während Lola ihre Kastagnetten überstreifte. Dann verstummte mit einem Schlag der ohrenverletzende Missklang der Katzenmusik, und als endlich auch das letzte Geraune und Hüsteln der Zuschauer verebbt war, gab der Dirigent das Zeichen zum Einsatz. Nach wenigen Takten zu Los Boleros de Cádiz hob sich der Vorhang vor Lola, die allein mitten auf der Bühne stand, nicht im Trikot mit dem üblichen kurzen Tutu bekleidet, sondern, wie es der König gewünscht, in spanischer Tracht, mit Seide und Spitzen. So wie hier und da ein Diamant darin aufblitzte, so blitzte sie mit ihren betörend strahlenden Augen zur königlichen Loge hinüber, wo sie in dem hellerleuchteten Theater Ludwig deutlich erkennen konnte, und verneigte sich wie eine Grazie vor ihm. Langsam begann sie dann ihren Tanz, wiegte sich geschmeidig in den Hüften zum Klappern der Kastagnetten, steigerte allmählich das Tempo, schneller immer schneller, die ganze Bühne mit ihren Schritten und Sprüngen füllend, wobei sie mal leidenschaftlich, mal schalkhaft lächelnd die Arme über dem Kopf verschlang.

Gefesselt von ihrer exotischen Schönheit verfolgte der König jede Bewegung ihres Körpers, der durch das anliegende, schmiegsame Kostüm voll zur Geltung kam, und war entzückt von der Zierlichkeit ihrer Füße, die der Saum ihres Kleides bisweilen enthüllte. Nie zuvor hatte er eine Spanierin tanzen gesehen, er war verzaubert von dem mitreißenden Wirbel, wie ihn eben nur eine echte Spanierin hinlegen konnte.

Beifall brach los, als sie schließlich endete, aber er brandete nicht so laut auf, wie in Ludwig selbst, ein Glück, dass er schwerhörig war. Wer von den Zuschauern wirklich etwas von Tanzkunst verstand, klatschte mehr aus Höflichkeit gegenüber Seiner Majestät. Kunst kommt von Können, sagten sie sich, und mit dem Können dieser Dame ist es nicht weit her, und echt spanisch scheint ihr Gehopse und Gestampfe auch nicht gerade zu sein. Ihre Zweifel verstärkten sich noch, als sie im zweiten Zwischenakt die Cachucha tanzte und den Oleano, bei dem wenigstens ihre Pantomime beim Ekel über die Spinne an ihrem Körper einigen Eindruck hinterließ. Nicht gerade überwältigend klang der Applaus aus dem Zuschauerraum zu ihr hinauf, nur zweimal wurde sie vor den Vorhang gerufen.

„Ihre feuersprühenden Augen, die edel geformte Nase, überhaupt das hinreißende Profil und die schön geschwungenen Augenbrauen, das vermag jeden zu entzücken“, darin waren sich alle Kritiker in ihrem Urteil einig. Über Lolas tänzerische Fähigkeiten jedoch klafften die Meinungen weit auseinander.

Wie der König darüber dachte, stand, für alle lesbar, in seinem Gesicht geschrieben. Er war hingerissen von ihrer Leidenschaft und Heißblütigkeit, den fesselnden Zügen und ihrem makellosen, verführerischen Körper: ein Rasseweib, wie geschaffen, den Männern den Verstand zu rauben. Ich muss sie für meine Galerie der Schönheiten gewinnen, durchfuhr es, nein durchbebte es ihn, und schon am nächsten Tag schrieb er, von Ungeduld gedrängt, Stieler, dem Hofmaler, unverzüglich mit ihrem Porträt zu beginnen: „Im Fall es geschieht, Tag und Stunde der ersten Sitzung mir angeben, sobald als tunlich.“ Warum er es so eilig hatte, behielt er für sich. Während Stieler sie malte, so malte er sich aus, wollte er die günstige Gelegenheit nutzen, mit ihr zu plaudern, ungestört von jenen Offizieren und anderen jungen Herren, die bereits begonnen hatten, um sie herumzuscharwenzeln wie eine Schar von Gockeln um die einzige Henne auf Erden.

Bis dahin aber wollte er nicht warten und begann sie im Bayerischen Hof zu besuchen, oft zweimal täglich, am Nachmittag und Abend. Die anderen turtelnden Verehrer der schönen Lola gingen ihm dabei taktvoll aus dem Wege, wussten sie doch, dass der König nur unwillig Umgang mit Leuten pflegte, die ihm nicht formell vorgestellt worden waren, und er zudem wegen seiner Schwerhörigkeit die Unterhaltung in kleinem Kreis vorzog. Baron von Maltzahn jedoch war ihm stets ein willkommener Gesprächspartner. Waren sie zu dritt, sprachen sie Französisch; wollte Ludwig mit seiner Lola vertraulich plaudern, wechselten die beiden ins Spanische, für Maltzahns Ohren unverständlich.

Wie der Intendant des Hoftheaters vorausgeahnt hatte, brannte Seine Majestät darauf, Lola wieder tanzen zu sehen, und so musste er schon kurz nach ihrem ersten Gastspiel ein zweites ansetzen, bei dem sie neben ihrer Cachucha auch einen Fandango zum Besten gab zusammen mit einem Mitglied des Ballettkorps, was ihr wiederum zwei Vorhänge einbrachte sowie zwei Girlanden und andere Blumen, die man ihr auf die Bühne warf. Doch der Beifall der einen wurde übertönt durch das laute Zischen der anderen, was den König so in Rage brachte, dass er durch eine Untersuchung die Anstifter dieses unhöflichen Missfallens gegen seinen schönen Gast ausfindig machen ließ. Einer der bösen Buben war ausgerechnet ein Gendarm, der dann auch prompt wegen ungebührlichen Benehmens nach Regensburg versetzt wurde.

Ludwig hatte sich durch die Abneigung eines Teils des Publikums natürlich nicht in seiner Liebestollheit nach der anbetungswürdigen Andalusierin mit den leuchtendblauen Augen beirren lassen, ganz im Gegenteil, der herrische König lag ihr längst zu Füßen. „Yo te quiero con mi vida“, vertraute er seinem Notizbuch, das er immer mit sich trug, seine Gefühle in einem Gedicht in spanischer Sprache an. „Ich liebe dich mit meinem Leben, meinen Augen, meiner Seele, meinem Körper, meinem Herzen, meinem ganzen Ich. Schwarzes Haar, blaue Augen, anmutige Gestalt...“ Zum Glück ersparte er es der Nachwelt, sämtliche Merkmale und Körperteile beiderseits aufzuzählen. Aber dass er wieder liebte, noch dazu in seinem Alter, sah selbst ein Blinder, und wer es nicht mit eigenen Augen wahrnehmen konnte, der erfuhr es auf anderen Wegen, denn die außergewöhnliche königliche Liebe zu einer in ganz Europa durch Skandale bekanntgewordenen Tänzerin hatte mit Windeseile bereits Wogen bis nach Italien geschlagen. In einem Brief vom zwanzigsten Oktober warnte Marchesa Marianna Florenzi, die verflossene Geliebte, ihren schon wieder anderweitig in Flammen stehenden Ludwig, bei seiner Verbeugung vor Lolas Schönheit auf der Hut zu sein, um das sonst unvermeidliche bösartige und spöttische Gerede erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Zu spät! Die Herzensangelegenheit des alternden Monarchen war schon zum Tagesgespräch geworden, zum Tratsch und Klatsch, und Ludwig unternahm auch nichts, sie zu verheimlichen. Wie hätte man auch einen ausbrechenden Vesuv unter der Decke halten können! Weder ging er auf die Ratschläge der Marchesa ein noch auf die vielen anderen, die bald schon folgten. Er war Manns genug, selbst zu entscheiden, und so saß er dann mit seiner Lola zusammen auf dem roten Sofa in Stielers Atelier in der Barerstraße, denn der Hofmaler hatte bereits mit der Arbeit an dem neuen Bildnis für die Schönheitengalerie begonnen. Während der Meister malte, plauderte das Paar auf Spanisch, und manchmal spielte die Angebetete, die sich mit dem vollen wohlklingenden Namen Maria Dolores de Porris y Montez schmückte, auch Gitarre und sang dazu spanische Lieder.

Kein Wunder also, dass er nicht genug von diesem trauten Beisammensein bekommen konnte, während sie sich anfangs noch damit schwertat, zu begreifen, tatsächlich sein Herz erobert zu haben, das Herz eines Königs, und zwar in einem Ausmaß, das sie überraschte. In ihren Plänen war ihr Gastspiel in München nur eines von vielen weiteren auf ihrer langen Tournee, in Kürze beabsichtigte sie, im Augsburger Theater aufzutreten.

„Wollen Sie wirklich fort?“, fragte Ludwig sie bei einem der von ihm so heißersehnten Tête-à-têtes in Stielers Atelier. „Fort von München, fort von mir?“

Seine Stimme klang so kläglich, seine Augen blickten sie so traurig an, dass Lola in dem kurzen Wortwechsel bemerkte, wie sehr es ihn bangte, sie zu verlieren. Es lag so viel Flehentliches darin, dass es ihr Herz rührte, ob nun echt oder nur gespielt, das vermochte er in seinem Leidenszustand nicht zu ergründen, jedenfalls trübten Tränen ihre leuchtendblauen Augen, als sie ihm zuflüsterte:

„No puedo dejar Munich - ich kann München nicht verlassen.“ Er schwamm in Seligkeit, als sie ihm noch gestand, eine Zuneigung, die sie glücklich mache, halte sie hier fest. Nie zuvor habe sie jemals gefühlt, was sie für ihn empfinde.

War es die gleiche Leidenschaft wie bei ihm? Ja, kein Zweifel, was sonst! Er musste sich ihr erkenntlich zeigen, ein Geschenk machen, ein Stück von ihm selbst: die prächtig gebundene Ausgabe der drei veröffentlichten Bände mit seinen Gedichten, Sonetten und Oden, die er wie jeder echte Dichter mit seinem Herzblut geschrieben hatte. Seine tiefsten Interessen spiegelten sich darin, seine Gedanken und Gefühle, die Flut seiner poetischen Ergüsse offenbarte sein ganzes Seelenleben.

Er werde sie ihr selbst ins Hotel bringen, versprach er. Die Gedichte seien zwar in seiner Muttersprache verfasst, die sie ja leider nicht lesen könne, aber wenn sie in München bleibe, werde sie gewiss Deutsch lernen. Bis dahin wolle er gern einige Verse für sie ins Französische übersetzen.

Ja, sie würde in München bleiben, für ihn da sein, für ihn ganz allein, das hatte sie ihn mit ihrem Geständnis wissen lassen. Endlich eine Muse, wie er sie als Dichter brauchte, denn Dichter war er mehr als König, und lange bevor er zu regieren begonnen, hatte er schon gedichtet. Musen hatte er allerdings auch bereits viele gehabt, Jahre und Jahrzehnte vor Lola, Musen in Gestalt von Geliebten, ohne die ein begnadeter Dichter bekanntlich nicht dichten kann, das weiß doch jedes Kind, auch wenn sein katholischer Glaube ihm streng verbot, eines anderen Weib zu begehren. Hatte er denn nicht in Königin Therese eine ihm treuergebene Gattin, die ihm acht Kinder geboren, eine liebevolle Mutter, die nur dafür lebte, ihren Ehemann glücklich zu machen. Zur Muse allerdings taugte sie wenig, dafür reichte ihr Geist nicht ganz, was auf ihre nur begrenzte Schulbildung im heimischen Sachsen-Hildburghausen beruhte, und auch sonst fehlten ihr, die trotz seines jahrelangen Drängens immer noch Protestantin geblieben war, das gleiche Feuer und die gleiche Unruhe wie ihm, ganz zu schweigen von ihren Fähigkeiten, seine romantischen und erotischen Bedürfnisse in dem Ausmaß zu befriedigen, wie es seine Natur verlangte. Daraus hatte er, eine ehrliche Haut, vor der Heirat auch kein Hehl gemacht und ihr frank und frei erklärt, auf seine persönliche Freiheit nicht verzichten zu können, womit sie, wenn auch widerstrebend, einverstanden gewesen war. Ihrer Liebe zu ihm hatte es all die langen Ehejahre hindurch auch keinen Abbruch getan.

Lola kümmerte das alles nicht, warum hätte sie daran auch nur einen Gedanken verschwenden sollen. Der König von Bayern machte ihr den Hof, ihr, einer umherziehenden Tänzerin - oder war sie das jetzt nicht mehr, sondern vielleicht schon auf dem Sprung, seine offizielle Mätresse zu werden? Nein, dachte sie und verscheuchte die Vorstellung, die Mätresse des Königs, nein. Nichts Körperliches war bisher geschehen, und sie wusste auch gar nicht, ob es jemals dazu kommen würde, von ihm vielleicht gewünscht, aber von ihr? Seine Zuneigung zu ihr war nicht dieselbe wie ihre Zuneigung zu ihm. Musste sie ihr Verhältnis nicht eher so sehen wie zwischen Vater und Tochter? Und wenn der Vater in seine Tochter so sehr vernarrt war wie Ludwig in sie, konnte sie ihn dann nicht beherrschen nach Lust und Laune, für ihre eigenen Zwecke zurechtbiegen und nutzbar machen?

Neue Anlässe für das Getratsche in der Stadt lieferte das Paar fast täglich selbst. Eines Abends hatten die beiden im Bayerischen Hof so lange geplaudert und sich gegenseitig die spanischen Klassiker vorgelesen, dass die Haustür bereits für die Nacht zugesperrt war, als Ludwig herunterkam. Die Lage war peinlich, sowohl für den König als auch für das herbeigerufene Personal, das ihm erst aufschließen und ihn wie einen heimlichen Freier aus dem Gasthof entlassen musste. Wer konnte es schon diesen ungehobelten dienstbaren Geistern verdenken, wenn der Vorfall auf sie so wirkte, als hätten sie einen verliebten Kater auf seinen nächtlichen Streifzügen ertappt und nun aus der Falle befreit und wieder an die frische Luft gesetzt.

Auch die Rose, die Lola dem König während einer Sitzung im Atelier des Hofmalers geschenkt hatte, wurde rasch zum Stadtgespräch. Schuld daran war Ludwig selbst, der nach seiner Rückkehr in die Residenz bemerkte, dass er die Blume vergessen hatte, mit der seine angebetete Spanierin ihm ihre zärtlichen Gefühle offenbaren wollte: eine Rose gegen die drei Prachtbände seiner poetischen Ergüsse. Postwendend ließ er Stieler bitten, ihm Lolas Rose in einer versiegelten Tasche durch einen Boten zu schicken, was dann auch flugs geschah, jedoch nicht verhindern konnte, dass sich die Sache mit der fleur d’amour ausgiebig herumsprach. Rosen duften eben, auch durch eine versiegelte Tasche hindurch.

Liebe macht blind, aber auch schön - oder zumindest beflügelt sie die Seele, die dann von innen heraus die Züge des eigenen Antlitzes aufhellt und in ungewohntem Glanz erstrahlen lässt, sobald man sich im Spiegel betrachtet. So auch bei Ludwig, der zwar schon seit langem wusste, dass er nun einmal das hässliche Entlein der Wittelsbacher war, mit seiner langen, spitzen Nase in einem pockennarbigen Gesicht und dem „Horn“, einer zystenartigen Schwellung, die sich seit kurzem auf seiner Stirn gebildet hatte. Doch wenn eine Frau wie Lola, eine Venus aus Fleisch und Blut, ihm, einem Mann, der sich an Schönheit mit ihr nicht messen konnte, wenn also ein solches Prachtexemplar der holden Weiblichkeit ihm eine Rose schenkte, die Blume der Verliebten, musste er dann nicht in ihren Augen ein begehrenswerter Mann sein, ein Mann, der über sein Äußeres hinweg allein durch seine Männlichkeit die Frauen betörte?

Man sprach in der Stadt aber nicht nur über nächtliche Ausflüge des Königs oder Rosen der sogenannten Tänzerin, nein, man munkelte auch darüber, dass diese aufreizende Fremde Seine Majestät zu der von ihr so sehr bewunderten Freimaurerei überreden wolle, wozu er allerdings wenig Neigung zeigte, obwohl sein Vater, ein Katholik, Logenmitglied gewesen war. Unruhe stiftete auch das Gerücht, die Spanierin sei eine Geheimagentin des britischen Außenministers Lord Palmerston und von ihm nach München geschickt worden, um den Bayernkönig ins Lager der Liberalen zu locken. Wenngleich Ludwig auf die politischen Ansichten seiner Lola nur dann einging, sofern sie mit seinen eigenen übereinstimmten, so befürchteten dennoch gewisse Kreise, diese hergelaufene Tänzerin könne ihn politisch beeinflussen zu ihrem eigenen Vorteil oder dem ihrer Auftraggeber.

Die Dame mit der Peitsche

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