Читать книгу Die Dame mit der Peitsche - Helmut Höfling - Страница 7

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Schon am nächsten Tag suchte Heideck erneut Lola im Gasthof auf und überbrachte ihr die versprochene Überschlagsrechnung, die sie mit einem flüchtigen Blick überflog. Es sei sicherlich für ihn von Interesse, was ihr der König in Bezug auf die Begleichung versprochen habe: Nämlich wenn er, Heideck, die Rechnungen für richtig befunden habe, dann wolle er, der König, ihm direkt statt ihr die Beträge überweisen.

Der General glaubte daran zu erkennen, wie sehr Ludwig um Lolas Wohlergehen besorgt war. So geschah es dann, dass Heideck die verschiedenen Voranschläge der Kaufleute und Handwerker erst prüfte und dann dem König übermittelte, worauf er stets das Geld zur Ausbezahlung aus dem Kabinett zugeschickt erhielt, wenn es nicht gar, was manchmal vorkam, Seine Majestät höchstpersönlich brachte. Heideck händigte dann die entsprechenden Beträge an die Beteiligten aus und sandte die Quittungen wiederum dem König zu.

Blauäugig war der General anfangs der Ansicht, Lola bestreite die Finanzierung aus eigenen Mitteln, wie sie ihm versichert hatte. Als er jedoch später erfuhr, der König stehe für alles gerade, wachte er nun doppelt streng über der Einhaltung der Voranschläge und bezahlte auch selbst die Kaufleute und Handwerker, um sicherzugehen, dass sie ihr Geld bis auf den letzten Kreuzer erhielten, denn wie ihm zu Ohren gekommen war, machte Ludwigs Angebetete fleißig Schulden. Bei nächster Gelegenheit steckte er das auch dem König, worauf dieser nur mit väterlicher Milde erwiderte: „Jaja, Heideck, wie schon gesagt, mit Geld weiß die liebe Lola nun mal nicht umzugehen.“

Also mussten erwachsene Männer die Sache in die Hand nehmen, so jedenfalls meinte Seine Majestät, ohne zu merken, wie sehr er sich von der in Geldangelegenheiten angeblich so dummen Gans über alle Maßen rupfen ließ. Auch Heideck erfuhr in der Abgeschiedenheit, in der er lebte, dass man ihm diese Zahlungen übel deutete und besonders die päpstlich gesinnten Ultramontanen, denen Lolas Einfluss auf den König ein Dorn im Auge war, gegen ihn eiferten und böswillig verleumdeten.

Noch nicht mal ein Monat war nach Lolas Ankunft in München vergangen, als Ludwig begann, ihr heimlich jährliche Bezüge von zehntausend Gulden in monatlichen Raten zukommen zu lassen, fast doppelt so viel wie das Grundgehalt eines bayerischen Kabinettsministers. Mit nicht mehr als zweitausend Gulden im Jahr mussten sich die höchstbezahlten Münchener Universitätsprofessoren dagegen wie arme Schlucker vorkommen, erst recht die Richter mit nur sechshundert, ganz zu schweigen von den Tänzerinnen am Hoftheater mit etwa zweihundert. Aber der sonst in vielem so knauserige König, der die unbeschriebene Rückseite von abgelegten Dokumenten als Konzeptpapier benutzte, weil er nicht einsah, dafür gutes Papier zu verschwenden, machte seiner Lola zuliebe weiteres Geld locker für eine eigene elegante Kutsche und eine eigene standesgemäße Residenz der neuen königlichen Flamme in der Barerstraße, für deren Renovierung er das nicht unerkleckliche Sümmchen von rund zwanzigtausend Gulden im Haushaltsplan vorsah. So warf ein Mann, der in seiner Regierungszeit Bayern aus der von seinem Vater hinterlassenen Verschuldung geführt und in eines der wirtschaftlich stabilsten Königreiche Europas verwandelt hatte, weil er sich wie ein Pfennigfuchser um jeden aus der Staatskasse fließenden Gulden gekümmert, mit den Moneten nur so um sich, getrieben von dem schon lange erloschen geglaubten und jetzt wieder gewaltig ausgebrochenen Vesuv in seinem Innern.

Aber das alles reichte der lieben Lola, die nun mal mit Geld nicht umgehen konnte, bei weitem noch nicht. Bescheidenheit war ihre Sache nicht. Wer mit Seiner Majestät auf du und du stand, der musste auch majestätisch gekleidet und behangen sein, und so wurde die stolze Spanierin, entsprechend ausstaffiert, schon bald zu einem vertrauten Anblick für die Bevölkerung, wenn sie mit „Herrn“ Turk, ihrem treuesten Begleiter, einem schwarzen Hund, den sie sich zugelegt hatte, einem Etwas aus Boxer und Bulldogge, groß wie ein Kalb, und darum auch Box genannt, die Prachtstraßen des überwiegend biedermeierlichen München durchstreifte und dabei mit untrüglichem Instinkt die besten Modesalons und Juweliergeschäfte ansteuerte, sehr zur Freude der Inhaber, dagegen sehr zum Leidwesen ihres persönlichen Finanzministers. Denn die liebe Lola, die nun mal nicht mit Geld umgehen konnte, erklärte allen, die Rechnungen an Heideck zu schicken, was den Ärmsten natürlich jedes Mal in Harnisch brachte: Hat sie doch selbst genug Geld, dachte er, dank der laufenden Zuwendungen Seiner Majestät.

Ach, waren das noch Zeiten, seufzte er, als ich die Ruhe meiner Pensionszeit genießen durfte. Doch jetzt? Jetzt nimmt mich diese Señorita mehr und mehr mit Beschlag. Sind es keine Rechnungen, die auf meinem Schreibtisch landen, dann bestürmt sie mich mit ihren Bitten. Mal geht es darum, wie es um ihr Haus in der Barerstraße steht, mal muss ich für sie entscheiden, wie viel sie ihren neuen Dienern zahlen solle. Denn natürlich hatte die Mätresse des Königs auch bereits damit begonnen, sich aus der einheimischen Bürgerschaft einen ausgewählten und ihrem Stand angemessenen Hofstaat zusammenzustellen, wozu auch eine Gesellschafterin gehörte, die ihr zugleich als Dolmetscherin diente: Crescentia Ganser, ihres Zeichens Sprachlehrerin und Ehefrau eines Bildhauers, der bei Ludwigs Bauten mitwirkte. Und wenn Lola selbst ihn nicht dauernd mit ihren Wünschen auf Trab hielt, dann war es der König, der ihm in den Ohren lag mit der Bitte, er möge in seiner Wohnung in der Briennerstraße eine kleine Teepartie abhalten: „So wie in früheren Tagen, es war immer recht angenehm bei Ihnen, Heideck. Aber dazu laden Sie mir nur die Lola ein - sonst niemanden. Ich will endlich einmal mit ihr zusammenkommen, ohne dass gleich wieder alles herumgetratscht wird wie bei meinen Besuchen in ihrem Gasthof.“

Was stört ihn auf einmal daran, dachte Heideck, damit hat er sich doch längst abgefunden. Umso mehr beunruhigte ihn selbst diese Aufforderung des Königs, befürchtete er, der seit Jahren wie ein Mönch lebte und dessen Tochter auch noch im Institut war, doch das Gerede der Leute. Aber ausweichen kann ich nicht, musste er sich eingestehen, und Seiner Majestät mein Haus verschließen. Also packte er die Sache wie ein Feldherr entschlossen an, bereitete dem Paar die gewünschte Teestunde und verbrachte, wie schon zuvor beim Treffen im Goldenen Hirschen den Abend mit interessanten Gesprächen höchst anständig und unterhaltsam.

Über Lolas Herkunft, Skandale und polizeilichen Ausweisungen waren inzwischen die ersten Gerüchte durchgesickert, sogar bis in Heidecks Schneckenhaus, und wie üblich wurde da wohl so manches dicker aufgetragen als es der Wahrheit entsprach. Nichtsdestoweniger hatte der General zu allem anderen Ungemach deswegen jetzt auch noch seine und des Königs alten Freunde am Hals, die ihn um Rat baten, wie man Ludwig aus den Fängen dieser immer dreister werdenden Dulzinea befreien könne. Ihre Arroganz werde unerträglich, erbosten sie sich, ihr Einfluss unberechenbar. Die Pariser Freimaurer hätten sie nach München geschickt, um den König zu umgarnen, behaupteten die Klerikalen, von diesem Gerücht aufgescheucht wie ein Hühnerhaufen vom Fuchs. Unsinn, wiegelten die Besonnenen unter ihnen ab, das stimme nicht, die Montez denke nur an sich, nicht an Politik. Aber sie benutze diese Verdächtigung, um alle üblen Nachreden als Erfindungen der Jesuiten abzustempeln. Auf die Gesellschaft Jesu scheine sie einen unbändigen Rochus zu haben, fragt sich nur warum. Ja, irgendwas musste da mal vorgefallen sein. Oder war es nur Berechnung, um dem König nach dem Mund zu reden? Wie gesagt, man müsse ihn aus ihren Klauen reißen, verlangten sie wieder energisch.

Davor könne er nur warnen, erwiderte Heideck. Seine jahrzehntelange Freundschaft mit ihm habe ihn gelehrt, sich diesem Verhältnis nicht entgegenzustellen. Opposition verstärke nur seinen Widerstand. Sie wüssten doch, wie er sich rühme, unnachgiebig und starrköpfig zu sein, wann immer man ihn herausfordere. Deshalb rate er, ihn in Ruhe zu lassen. Irgendwann werde er von dieser blinden Leidenschaft schon wieder genesen wie von einer Krankheit. Hätten sie nicht alle schon mal Ähnliches durchgemacht?

In jungen Jahren, ja, als hitzige Liebesnarren, aber nicht mit sechzig!

Trotzdem sollten sie ihm keine Vorwürfe machen oder gar die Zähne zeigen, gab der General erneut zu bedenken, denn dann würde er seine Lola bestimmt nur umso heftiger verteidigen wie eine Festung. Immerhin könne man versuchen, die Dame in den Anstandsregeln der guten Gesellschaft zu unterweisen, womit alle einverstanden waren. Ob es jedoch auch fruchtete?

Ja, das war die große Frage, die Lola postwendend selbst beantwortete, und das natürlich nach ihrer eigenen Fasson. Ganz zu Anfang ihres Aufenthalts in der bayerischen Residenzstadt war ihr, als sie von einigen Münchenern beleidigt wurde, Friedrich Nußbaumer, ein sechsundzwanzigjähriger Artillerieleutnant, zu Hilfe gekommen, eine Heldentat, für die sie ihn mit der Einladung belohnte, sie in ihrem Hotel zu besuchen. Das ließ sich der fesche Kavalier nicht zweimal sagen, und ebenso selbstverständlich blieb es nicht nur bei dieser einen Aufwartung. Wie bei einem Recken von solcher Gestalt und solchem Schneid vorauszusehen, machte er bei Lola rasch Karriere als einer ihrer bevorzugten Begleiter bei ihren täglichen Ausflügen in die Umgebung der Stadt, was zu dem Gerücht führte, der König selbst fördere diesen militärischen Geleitschutz, nicht etwa weil er zugunsten des jüngeren Courschneiders und Schürzenjägers auf Lola verzichten wolle, nein, nein, auf keinen Fall, vielmehr beabsichtige er, sie mit ihm zu verheiraten, um so ihren Status als Ausländerin in Bayern gesetzlich zu regeln. Ob diese kühne Gedankenkombination nun logisch war oder nicht, darüber nachzudenken gab sich niemand Mühe.

Ausgerechnet der flotte Nußbaumer war es, der Lola Anlass zum ersten von vielen weiteren Zwischenfällen bot, die ihren ohnehin schon angeschlagenen Ruf bei den Münchenern zusehends in den Orkus hinabstürzen ließ. Dabei war er eigentlich unschuldig an dem Skandal, Ausgangspunkt waren vielmehr seine Offizierskameraden, die ihm dringend ans Herz legten, eine Frau wie Lola zu meiden. Es heiße schon allgemein, er sei ihr Liebhaber, hielten sie ihm vor, was er erbost bestritt. Doch ob es nun stimme oder nicht, beharrten die Kameraden, sie bringe ihn in Verruf und ihr ganzes Korps dazu. Deshalb solle er sich künftig nicht mehr bei ihr blicken lassen.

Damit aber kamen sie bei ihm schlecht an. Er pfeife auf den Klatsch der Spießbürger, und sie hätten ihm schon gar nichts zu verbieten, erwiderte er trotzig. Sie sei eine schöne, blitzgescheite Frau und stehe bei Seiner Majestät in hohem Ansehen. Umso weniger begreife er, was sie alle gegen sie hätten und gegen ihn, er leiste ihr Gesellschaft und beschütze sie, das sei alles.

Obwohl er also auch weiterhin zu ihr stand, spie sie Gift und Galle, als er am Abend des fünfzehnten November ihrer Einladung in den Gasthof nicht gefolgt war. Einfach wegzubleiben, ohne sich wenigstens zu entschuldigen! Sie kochte vor Wut, als sie sich kurz vor Mitternacht mit ihrer Zofe auf den Weg zu seiner Wohnung in der Frühlingsstraße machte, furchtlos durch die holperigen, mit vereinzelten Öllampen kaum beleuchteten Gassen und Straßen, vorbei an den dunklen, fest verschlossenen und verriegelten Häusern und Werkstätten der Handwerker. Als sie dann endlich das Haus mit der Nummer 9 fand, wo ihr ungetreuer Ekkehard wohnte, hatte sie sich so sehr in Rage gebracht, dass sie, ohne erst noch im Finstern mühevoll die Namensschilder zu entziffern, einfach alle Hausglocken Sturm läuten ließ, als stände das ganze Haus in Brand, und so sämtliche Bewohner aus dem Schlaf aufschreckte.

„Wo ist Nußbaumer?“, fauchte sie, als sie die Vermieterin heranstürzen hörte. Sie wolle ihn sofort sehen.

Der Herr Leutnant sei nicht zu Hause, erklärte die verängstigte und immer noch schlaftrunkene Vermieterin durch den Türspalt, ohne jedoch den Weg freizugeben, wobei sie ihre noch übriggebliebenen französischen Sprachbrocken hervorkramte, denn sie hatte nicht nur an der Stimme, sondern jetzt auch von Angesicht zu Angesicht erkannt, wer die nächtliche Ruhestörerin war.

Davon wolle sie sich selbst überzeugen, schrie Lola. Statt vor dem ungestümen Drängen der feurigen Spanierin zu kuschen und sie ins Haus zu lassen, drückte die Vermieterin ihr jetzt auch noch den Spalt der Tür vor der Nase zu.

Er müsse daheim sein!, beharrte Lola heftig und wollte noch einmal Sturm läuten. Doch bevor das Unheil erneut seinen Lauf nahm, sank Lola, ganz gegen ihre Art, in Ohnmacht. Zum Glück hielt sich ihre Zofe noch wacker auf den Beinen, aber ihre Herrin wieder aufzurichten und gehfähig zu machen, gelang ihr nicht, geschweige denn, sie zum Goldenen Hirschen zu tragen. Das Schicksal aber meinte es gut mit der Ohnmächtigen, denn genau gegenüber, im Haus Nummer 19, wohnte der Glasermeister Denk, der, durch den Lärm um den Schlaf gebracht, in Nachthemd und holterdiepolter übergestreifter Hose auf die Straße geeilt war, und, mit einem Blick das Malheur erkennend, die beiden Frauen freundlich zu sich einlud. Gestützt auf ihn und die Zofe schleppte sich Lola in die gute Stube, wo durch Kölnisch Wasser und einen Schluck Wein ihre Lebensgeister wiedererweckt wurden.

Undank ist der Welt Lohn, sagt ein Sprichwort, das jedoch für diesen Fall nicht zutraf, ganz im Gegenteil, was der hilfsbereite Samariter aber im Augenblick noch nicht ahnen konnte. Die so ohnmächtig in seiner guten Stube darniederliegende und zerbrechlich wirkende Frau sorgte nämlich in den folgenden anderthalb Jahren dafür, dass er so viele zerbrochene Fensterscheiben ersetzen durfte, wie er sich das in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Jede Ohnmacht geht einmal zu Ende, so auch bei Lola, die sich dank der fachgerechten Behandlung durch den Glaser unter tätiger Beihilfe eines herbeigeeilten Rechtspraktikanten so weit wieder erholte, dass sie die Kraft hatte, auf eigenen Füßen und in männlicher Begleitung den Heimweg zum Goldenen Hirschen zu bewältigen. Mit ihrem Abzug, der Dank der Anwohner war ihr gewiss, kehrte endlich wieder der Friede in die Frühlingsstraße zurück.

Doch die Ruhe trog. Kaum war der Tag angebrochen, als sich Lolas nächtlicher Auftritt so geschwind wie das Sturmgeläut der Kirchenglocken schon in ganz München verbreitet hatte und sie Stunden später erneut die Walstatt in der Frühlingsstraße mit ihrer Unbändigkeit heimsuchte. Obwohl es diesmal hell genug war, die Namensschilder zu lesen, gab sie sich keine Mühe, sondern zog wiederum an allen Klingeln, um die Hauswirtin auf den Plan zu rufen, die sich nun traute, mehr als nur den Kopf durch den Spalt zu stecken.

Ob sie die Frau sei, die sich heute Nacht geweigert habe, die Tür zu öffnen und sie ins Haus zu lassen, fuhr Lola sie unwirsch an, und als sie das bejahte, prasselte eine Sturzflut von Schimpfwörtern, auf Französisch natürlich, auf die Hausmeisterin Caroline Eichenherr nieder, lauter liebenswürdige Vokabeln, von denen sie zum Glück keine einzige verstand, so weit reichte ihr fremdsprachiges Repertoire nun doch nicht. Aber ihre Kenntnisse reichten aus, um die wild gewordene Randaliererin zur Mäßigung zu rufen: „Schreien Sie nicht so, Mademoiselle, ich bin nicht taub!“

„Je ne suis pas Mademoiselle, je suis Madame moi, je suis la maîtresse du Roi!“, brüstete sich die Spanierin mit stolz geschwellter Brust. „Ich bin keine Mademoiselle, ich bin Madame, ich bin die Mätresse des Königs!“

So genau hatte es Caroline Eichenherr nun gerade nicht wissen wollen. Aber jetzt wusste sie es und mit ihr all die Nachbarn und Leute, die zufällig vorüberkamen. Als hätte es noch nicht genügt, mitten in der Nacht auf der Suche nach einem Mann ein ganzes Haus mitsamt der halben Straße aus dem Schlaf zu reißen, musste sie jetzt auch noch am helllichten Tag erneut aufkreuzen und lauthals hinausposaunen, die Mätresse des Königs zu sein.

Sie ist verrückt, sagten die einen, völlig übergeschnappt. Zumindest weiß sie nicht im Geringsten, was sich gehört, meinten die anderen, die weniger streng mit ihr umsprangen. Immerhin sei sie eine bekennende Mätresse, hieß es unter einigen Spöttern. Jetzt wisse man wenigstens aus berufenem Mund, woran man sei.

Wie immer man die beiden Zwischenfälle auch einordnete, wer sich als Frau so aufführte, deren Ruf war ruiniert, und das nicht nur bei den spießigen Bürgern, erst recht im guten, alten München des Biedermeiers, wo jedermann polizeilich verfolgt wurde, der die Hundeverordnung übertrat, zur Arbeitszeit zechte und auf der Straße rauchte, ein Verbot übrigens, das Lola nicht im Geringsten kümmerte, da sie bei ihren Streifzügen durch die Stadt ganz ungeniert dicke Zigarren paffte.

Sich nur als Mätresse des Königs aufzuplustern genügte ihr aber nicht. Als sie bei einer ihrer Einkaufstouren im Modesalon Schulze am Odeonsplatz in ihrem Selbstverständnis, unbeschränkten Kredit zu haben, mit ihren neuesten Errungenschaften, dem Teuersten und Elegantesten versteht sich, das Geschäft verlassen wollte, ohne zu bezahlen, Madame Schulze jedoch ihr gutes Geld für ihre gute Ware verlangte, erregte sie sich über eine solche Unverschämtheit mit den königlichen Worten: „La reine c’est moi, Madame!“ - „Ich bin die Königin, Madame!“ und rauschte hinaus.

Welch ein Leckerbissen für die gesprochene Stadtzeitung, die von Mund zu Mund, - die gedruckte dagegen konnte nicht so wie sie wollte wegen der Zensur.

Die Dame mit der Peitsche

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