Читать книгу Was zerfallen und zerfließen wird - Helmut Lauschke - Страница 7
Die Rücksprache mit dem Verlangen nach mehr Aufklärung
ОглавлениеDer Schreiber des Gedichtes wird durch die Art des Schreibens dem anderen als Leser gegenüber zur personifizierten und mahnenden Leitgestalt. Es ist das treibende Motiv des Schreibens, auf die Zustände der Zeit mit dem allgemeinen Bildungsmangel und der Scheuklappensicht der Menschen mit der schon krankhaften Ichsucht, den sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten und der Prominenz im Mangel an Menschlichkeit dem Mitmenschen gegenüber mit der erforderlichen Deutlichkeit hinzuweisen.
Es ist das Gespräch, nach dem das Gedicht verlangt, ob fordernd, meist doch fragend und auch rufend. Die Grundlage ist das Aufmerken, also die Aufmerksamkeit mit dem Bemerken des anderen im Anderssein in der Verschiedenartigkeit der Menschen in Sprache, Kultur und äußerer Erscheinung.
Da können Gesprächsstrecken auch schweigend durchschritten werden, wenn wegen des Andersseins das erforderliche Wort der Notwendigkeit zur Änderung nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht über die Lippen kommt. Denn die Absicht des Gedichts in der Weiterung ist die personale Vertiefung zum Austausch der Beobachtungen, Gedanken, Erlebnisse, Hoffnungen und Visionen. So ist das Gedicht der Träger und Überträger von Absicht, Anteilnahme, Anstrengung und Ergebnis von Mensch zu Mensch.
Absicht ist die Kommunikation in der Weiterung und Vertiefung. Die Anteilnahme bringt den Gradmesser der Erkennung der Situation nach außen und nach innen im Großen und Ganzen wie im Persönlichen. Die Anstrengung ist Ausdruck der Willensstärke, an der Korrektur der Mängel und am Aufbau der neuen Gesellschaft mit mehr Gerechtigkeit, Friedfertigkeit und Menschlichkeit für die Zukunft mitzuarbeiten. Das Ergebnis soll transparent und verständlich sein in der offenen Kommunikation des gegenseitigen Vertrauens.
Es ist die Aufmerksamkeit im Bemerken des anderen, dass die Gedankensprache nach der Wortsprache sucht. Da ist das Gedicht der Vermittler und der intellektuell-emotionale Mediator, der den Funken der Gedichtssprache von einer Seite auf die andere Seite sprüht. Es sind Glücksfälle im spontanen Verstehen der hochentwickelten Verständigung, wenn es zur Zündung mit dem Funkensprung kommt und die Brücke der Gedanken- zur Wortsprache nach beiden Seiten hin überquert.
Das fühlt der sensibie Schreiber des Gedichts, dem die Verständlichmachung zur unmittelbaren Verständigung das Erlebnis des dichterischen Erfolgs einbringt, ihn von den Zweifeln befreit und zum Weitermachen motiviert. Dieses Erlebnis ist die ‘künstlerische Medizin’, die ihm die Schreib- und Existenzangst nimmt und ihn vor der psychiatrischen Einweisung und analytischen Spiegelbetrachtung bewahrt. Der Sender des Gedichts und der Leser haben sich verstanden. Die Rücksprache mit dem Verlangen nach mehr Aufklärung ist der Wirkungsakzent im künstlerischen Schaffen und das Höchste, was unter der Sehnsucht nach Frieden und Verständnis die Menschlichkeit bedeutet und als solche zu erreichen ist. Es ist die Aufklärung auf dem Boden der Sprache in ihrer Ehrlichkeit.