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Die Geschichte schreiben andere

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In steilen Stufen stürzt Wasser in die Tiefen, stumpf raunen Stimmen, die nach oben riefen. Dazwischen, es ist kantig und scharf, gibt es Schläge von Stufe zu Stufe anders und manchmal mit Säge. Ob es da noch eine Bewegung gibt, ich meine, ob da noch Menschenbeine die Stufen heraufsteigen und andere herabkommen? Ich weiß, nirgendwo gibt die volle Sicherheit. Aber dieser Treppe traue ich nichts Gutes zu. Was ist, wenn ein Bein stolpert und das andere Bein die Kraft verliert? Da steigen vor meinen Augen die Bilder des Schreckens auf, Ich sehe Menschen stürzen und die Stufen herabrollen. Ich möchte gar nicht daran denken, wenn der menschliche Körper die unterste Stufe überrollt.

Menschen mögen Blumen, aber Blumen mögen keine Menschen, weil sie die Blumen brechen und vertrocknen lassen. Und wer das mit Blumen tut, was denkt ihr, kann er dann auch tun? Ein Mädchen hebt die Hand und antwortet: Dann kann der Mensch auch andere Menschen vertrocknen lassen. Man stelle sich das bildlich vor, wenn ganze Völker ausgetrocknet werden. Dann hat die Zukunft mit dem Leben keine Chance mehr. Es ist die Verzweiflung, die von den Fesseln nach oben steigt und mit dem Finger in den Himmel zeigt. Da sind die Folgen der globalen Erwärmung mit den Tornados und Überflutungen und den weiten Trockengebieten tödlich.

Dass Bäume nicht in den Himmel wachsen, diese Zeiten sind vorbei. Nun sind die Bäume kurz und haben dünne Stämme. Sie zittern schon in jungen Jahren ums Überleben, denn unter dem anderen Wetter des neuen Klimas mit dem fehlenden Regen verlieren sie früh die Blätter, dass ihnen die Atmung ausgeht und sie ersticken. Als würden den Kindern die Haare ausfallen, es ist das skurrile Bild, und die Gedanken können nicht anders sein, dass sich die Zweifelsköpfe schütteln. An den Fronten mit den langen Gräben brechen Achsen über Achsen. Da bringen die Verluste dem Schürer den Gewinn.

Gleise werden gelegt zum Superhochhaus der neuen Einwelt. Wer da ganz oben sitzt und das letzte Sagen hat, bleibt hinter dem Fenster und lässt sich nicht stören. Das Leben ganz oben ist anders als das Leben ganz unten und noch mehr anders als das Leben auf der Treppe mit den vielen hohen Stufen. Da steigt man der Todesgefahr gleich ins Gesicht, und das noch früher, je schneller die Kräfte versagen und die Beine ein- und umknicken und der Körper zusammenbricht, was unter der Last der Steine, die nach oben zu tragen sind, und der dünnen Wassersuppe zum Tagesverlauf gehört.

Die Geschichte schreiben andere, nämlich die, die ganz oben sitzen hinter den geschlossenen Fenstern hoch über den tödlichen Gefahren der Menschen unten und beim Blick aus dem Fenster die Übersicht über die Völker und ihre Nöte im Auge haben. Man kann sie nicht sehen, die da ganz oben sitzen und die Geschichte zu ihrem Vorteil schreiben. Sehen kann man nur die Menschen unten, wie sie im Hunger und Elend der dauernden Armut wanken und vergehen.


Was zerfallen und zerfließen wird

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