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4 Störungen der Körpermotorik
ОглавлениеIn diesem Kapitel werden wir uns mit Auffälligkeiten der motorischen Entwicklung und unterschiedlichen Störungsbildern befassen. Auf neurologische Krankheitsbilder oder genetische Erkrankungen können wir hier nicht eingehen. Das Spektrum der Bewegungsstörungen reicht von weitgehend isolierten motorischen Störungen bis hin zu motorischen Behinderungen. Motorische Störungen sind manchmal mit anderen Entwicklungsauffälligkeiten verbunden. Eine umfassende medizinische Abklärung ist erforderlich:
• bei Verdacht auf schwerwiegende oder gar zunehmende Symptome,
• bei einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung,
• bei einer geistigen Behinderung.
Die Häufigkeit von motorischen Störungen bei Kindern wird mit 4–6 % angegeben (Karch, 2002; s. auch v. Suchodoletz, 2005). Jungen sind zwei bis dreimal häufiger betroffen als Mädchen. Obwohl viele Beobachtungen dahin deuten, dass die Zahl der Kinder mit motorischen Störungen in den vergangenen Jahren zugenommen hat, lässt sich wissenschaftlich dafür bislang kein Beleg finden. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass in den Studien häufig unterschiedliche Kriterien für die Diagnose einer motorischen Störung angewandt wurden. Die Häufigkeit einer motorischen Behinderung durch eine Zerebralparese (s. u.) liegt bei 2–3 pro tausend Kindern. Kinder mit einer allgemeinen Entwicklungsretardierung oder einer geistigen Behinderung haben sehr häufig (mind. in 70 % der Fälle; Polatajko, 1999) auch eine Störung oder Verzögerung der motorischen Funktionen. Auch Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen haben gehäuft Auffälligkeiten in der motorischen Entwicklung, allerdings mehr in der Hand- und Visuomotorik als in der Körpermotorik (Danielsson, Daseking & Petermann, 2010). Ein direkter Zusammenhang zwischen motorischer und sprachlicher Entwicklung konnte jedoch nicht belegt werden.
Frühe Symptome einer motorischen Störung im Säuglingsalter sind:
• das verspätete Erreichen wichtiger Entwicklungsstufen (motorische Retardierung),
• die unbeholfene und schwerfällige Art der Bewegungsmuster,
• Bewegungsarmut,
• geringe Variabilität der Bewegungen,
• überschießende Bewegungen,
• das Ausbleiben komplexer Bewegungsmuster,
• Haltungsauffälligkeiten, konstante Haltungs- oder Bewegungsasymmetrien,
• konstante Störungen der Muskelanspannung (Tonus) und
• Übererregbarkeit und Schreckhaftigkeit (Hyperexzitabilität).
Bei ausgeprägten motorischen Störungen ist meist eine Frühdiagnose in den ersten Lebensmonaten möglich, bei leichteren Auffälligkeiten im 2.–4. Lebensjahr, bei neurologischen Erkrankungen im Verlauf der Erkrankung. Die schwerste Form einer motorischen Störung ist die Körperbehinderung. Damit wird eine Schädigung oder Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates bezeichnet, die einen Mensch mit einer solchen Behinderung »in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können« (§ 2.1 SGB IX).