Читать книгу Das finstere Herz des Jungbrunnens - Henri Joachim Becker - Страница 11

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Das Wetter war miserabel. Es nieselte unablässig, Nebelschwaden waberten immer wieder über die Fahrbahn, dazu dichter, dunkler Wald auf beiden Seiten. Hinter einer langen Kurve unweit vor mir traten plötzlich zwei Gendarmen auf die Straβe. Unmissverständlich bedeuteten sie mir, meinen Wagen auf einem gröβeren freien Platz zu meiner Rechten zum Stehen zu bringen.. Der Platz, in den ein Waldweg einmündete, war offenkundig ein Anfahrtspunkt für Holztransporter. An einer Seite waren mächtige Baumstämme aufeinander geschichtet.

Ich kurbelte meine Scheibe auf der Fahrerseite herunter. Ein Geruch von Zigaretten wehte mir ins Gesicht, als einer der beiden sich zum geöffneten Wagenfenster herunterbückte:

„Guten Tag! Ihren Personalausweis und die Fahrzeugpapiere, bitte!"

‒ „Ist etwas vorgefallen?", erkundigte ich mich.

Um eine allgemeine Verkehrskontrolle, bei der ausnahmslos alle Fahrzeuge kontrolliert werden durften, konnte es sich hier bei dem geringen Verkehrsaufkommen wohl kaum handeln. Ein solcher Aufwand hätte an dieser Stelle wenig Sinn ergeben. Und ansonsten durften Gendarmerie und Polizei einen Autofahrer nur dann anhalten, wenn er sich etwas zuschulden hatte kommen lassen. Das aber war, da war ich mir sicher, hier nicht der Fall. ‒

Ich erhielt zunächst keine Antwort. Vielmehr nahm der Beamte meine Papiere und mich selber genau in Augenschein, warf einen ausführlichen Blick ins Innere meines Wagens und forderte mich dann auf, auszusteigen und den Kofferraum zu öffnen. Letzterer enthielt nichts auβer einigen Belanglosigkeiten.

‒ „Ein flüchtiger Strafgefangener treibt sich möglicherweise in der Gegend herum. Nehmen Sie niemanden in Ihrem Wagen mit!", schärfte er mir ein. „Sie dürfen weiter! Gute Fahrt!"

Ich war heute auf dieser Strecke nicht mehr aus Zufall unterwegs. Vor exakt einer Woche hatte ich während einer Spazierfahrt diesen reizvollen Winkel unseres Ländchens entdeckt. Dabei war ich bei einem blauen Himmel voller Sonne auch auf einen Parkplatz gelangt, von dem aus, wie etliche abgestellte Autos bewiesen, Erholungssuchende zu Spaziergängen oder zu Laufsport in den angrenzenden Wald aufbrachen. Das Aufregende an dem Moment, zu dem ich auf den Platz auffuhr: In dem jungen Mann, der gerade im Wald verschwand, glaubte ich einen der Schalterangestellten wiederzuerkennen, deren ich bei meinem kurzen Besuch im allgemeinen Kundenraum der BDI-Bank ansichtig geworden war!

Ich beeilte mich meinen Wagen abzustellen und setzte dem jungen Mann in vollem Laufschritt hinterher, fest entschlossen, die Gelegenheit auf irgendeine Weise bestmöglich zu nutzen, um mehr über die Frau, der ich wiederbegegnen wollte und die ich bei der BDI-Bank vermutete, zu erfahren. Aber der hier noch in dickem Dickicht verlaufende Waldpfad gabelte schon nach wenigen Metern. Zudem lieβ der Blick in beide Richtungen in weniger Entfernung schon Abzweigungen erkennen. Ich entschied mich für die rechte Seite. Sie führte vom Bergkamm abwärts. Ich kannte das Gelände nicht. Nach einer Viertelstunde gab ich auf. Den jungen Mann hatte ich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich hatte Mühe, den Rückweg zu finden und mich dabei auch noch einmal verlaufen. Am Parkplatz zurück, wartete ich noch eine ganze Weile, immer in der Hoffnung, den Gewünschten plötzlich aus dem Wald treten zu sehen. Aber es tat sich nichts.

Während der Heimfahrt entschied ich, es in einer Woche noch einmal zu versuchen und zur selben Tageszeit noch einmal vor Ort zu sein. Ich baute auf eine feste Gewohnheit des jungen Mannes. Als es so weit war, zeigte sich das Wetter von einer derart widerspenstigen Seite, dass ich gleich Zweifel an der Sinnhaftigkeit meiner geplanten Erkundung hegte. Ich beschloss dennoch hinzufahren. Als ich anlangte, führte mir der völlig leere Parkplatz die Unwahrscheinlichkeit einer Wiederbegegnung des Angestellten sofort vor Augen. Ich verzichtete darauf, bei dem garstigen Wetter überhaupt auszusteigen, machte kehrt und fuhr zurück.

Das finstere Herz des Jungbrunnens

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