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Als ich Anfang der Achtzigerjahre nach meinem Studium nach Luxemburg zurückkehrte, hatte ein aufstrebender internationaler Finanzplatz die kriselnde Stahlwirtschaft als Wirtschaftslokomotive abgelöst. Eine neue Zeit war angebrochen. Davon zeugten auch bereits einige neue imposant-repräsentative Bauten von Geldinstituten, deren Fassaden, wenn es zu dunkeln begann, in Licht erstrahlten und glitzerten, – Wahrzeichen neuer wirtschaftlicher Macht.

Ich hatte an einem Gymnasium meinen «Stage pédagogique», meine Referendarzeit, begonnen. Einmal pro Woche fanden für die Vermittlung der theoretischen Kenntnisse für alle Referendare eines Jahrgangs Lehrveranstaltungen an den «Cours Universitaires» statt. Die Universitätskurse in Luxemburg waren damals in einem alten Klostergebäude auf dem Limpertsberg in Luxemburg-Stadt untergebracht. Wenn wir aus unseren Seminarräumen nach draußen schauten, sahen wir in einen Park mit vielen schönen großen alten Bäumen. Mittagspause machten wir, meist zu mehreren, oft in einem Café.

Eines Morgens frühstückte ich in einem Café der Oberstadt. Meine Kurse begannen an diesem Tag erst später. Das war uns schon letzte Woche angekündigt worden. Einer unserer Dozenten fehlte. Es hieß, er sei zu einer Tagung. Als ich gerade einen Kaffee nachbestellen wollte, nahm ein elegant gekleideter Herr um die fünfzig am Tisch unmittelbar neben mir Platz. Die junge Bedienung kam.

„Guten Morgen, was möchten Sie trinken"?, erkundigte sie sich bei meinem neuen Nachbarn.

„Kaffee, bitte, und ein belegtes Brötchen. Was haben Sie da?"

– „Das Brötchen müssen Sie an unserer Theke vorne auswählen. Ich bringe es Ihnen dann."

– „Dürfte ich auch noch einen Kaffee haben?", fügte ich noch schnell ein, bevor die geschäftige Kellnerin sich wieder umdrehen konnte.

– „Gerne!", lächelte sie freundlich.

Der Herr begab sich zur Ladentheke im Eingangsbereich, wo auch die Kunden bedient wurden, die nur etwas zum Mitnehmen kauften. Er hatte gleich neben mir seine Jacke auf der durchgehenden Sitzbank hinterlassen und so etwas wie einen Prospekt auf seinen Tisch gelegt. Darauf zu sehen neben ein paar Beschriftungen: das Gesicht einer schönen jungen Frau. Ihre Züge schienen mir etwas zu sagen, etwas zu bedeuten, kamen mir irgendwie bekannt vor. Der Herr, er sprach übrigens Deutsch, kehrte zurück.

„Entschuldigen Sie!", wandte er sich an mich, „ich suche eine bestimmte Bank hier vor Ort, kennen Sie sich aus?"

Dabei zeigte er mir die Werbeschrift und wies auf den Namen und die Adresse eines Finanzinstitutes. Den Namen der Bank, „Bank for Development and Innovation, BDI-Bank" hatte ich noch nie gehört, vielleicht war sie neu am Platz, die Straße aber kannte ich. Da fiel mein Blick noch einmal auf die junge Frau. Als ich die winzige Narbe auf ihrer Wange sah, fing mein Puls an schneller zu schlagen. Es war das Mädchen, das Mädchen dem ich damals, vor Jahren, in Bernkastel begegnet war, als ich mein neues Fahrrad nach Luxemburg aufgab! Sie musste es sein. Das jüngere Gesicht war hinter dem leicht veränderten auf dem Prospekt urplötzlich hervorgetreten. Die ganz kleine Narbe störte nicht. Im Gegenteil, sie verlieh der Person Lebensechtheit, Authentizität und damit Glaubwürdigkeit.

Jetzt wurde ich gesprächig, versuchte aber, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen. Das 'Mädchen' war ohne Zweifel das Gesicht der Bank, das Kunden anlocken und Geld einwerben sollte. Ich versuchte jetzt, so viel zu erfahren wie nur möglich.

Der Herr kam aus Traben-Trarbach an der Mosel.

„Wissen Sie", äußerte er, Geld sollte man nicht einfach nur gewinnbringend, sondern nach Möglichkeit wenigstens zum Teil auch sinnvoll anlegen!"

Dieser Aussage konnte ich in ihrer Allgemeinheit nur zustimmen.

‒ „Und das ist bei Ihrer Bank möglich?"

– „Ja, sie wirbt jedenfalls damit, dass sie Investitionen in Zukunftstechnologien und in medizinische Forschung fördert. Das kommt uns allen zugute!"

Er ließ sich nun über die Wichtigkeit und Triftigkeit von Forschung aus. Wie von mir vermutet, hatte die Bank sich tatsächlich erst seit Kurzem, wie er ausführte, am Finanzplatz angesiedelt. Er erzählte auch etwas über Investitionsfonds, in die jeweils viele Leute einzahlen könnten. Diese Fonds würden dann von Experten verwaltet. Diese Kenner des Marktes würden das Geld in Form von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren in eine Vielzahl von Unternehmen investieren. Damit würde über eine Risikostreuung auch mehr Sicherheit für die Anleger gegeben sein. Ich wusste natürlich, was ein Sparbuch war. Aber darüber hinaus hatte ich damals von Finanzprodukten so gut wie keine Ahnung. Ich wollte mehr über das Mädchen wissen.

Als er sich daher anschickte aufzubrechen, ging ich so weit, augenzwinkernd zu fragen :

„Und jetzt haben Sie einen Termin mit dieser jungen Dame?"

‒ „Leider, nein!", lachte er, „kein Rendez-vous und noch nicht einmal einen Termin, mir ist ein Herr zugeteilt worden."

‒ „Wissen die denn nicht, dass Frauen die Begabteren darin sind, die ersten Kontakte zu knüpfen?", scherzte ich weiter.

‒ „Na ja", meinte er, „nicht jedes Model ist notwendigerweise auch eine Mitarbeiterin."

‒ „Das stimmt."

Das finstere Herz des Jungbrunnens

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