Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 11

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Macko umarmte ihn, dann nahm er das blonde Haupt des Jünglings in seine Hände und küßte ihn.

»Warum habt Ihr Euch auch so beeilt?«

»Ich wollte ja die Fürstin Alexandra aufsuchen und um einen zweiten Brief bitten. Jurand von Spychow sprach folgendermaßen zu mir: ›Macht Euch auf den Weg,‹ sagte er, ›und kehret dann mit dem Briefe nach Spychow zurück. Ich halte einige Deutsche bei mir gefangen,‹ sagte er weiter, ›einen von diesen gebe ich auf sein Ritterwort frei, damit er den Brief zum Meister bringe.‹ Um sich wegen seines Weibes Tod an den Deutschen zu rächen, hält Jurand immer einige bei sich im Burgverließ, und er freut sich dann, wenn er des Nachts hört, wie sie stöhnen und wie ihre Kette klirren, denn er ist von Haß und Wut gegen sie erfüllt. Verstehst Du?«

»Ich verstehe; mich wundert nur, daß Ihr den ersten Brief verlort, denn da Jurand die noch erwischt hat, welche Euch überfielen, muß sich doch der Brief bei ihnen gefunden haben.«

»Alle hat er aber nicht erwischt. Ungefähr fünf von ihnen entkamen. So hat es nun einmal unser Schicksal gefügt.«

Macko hustete, spie abermals Blut und stöhnte vor Schmerz.

»Ihr seid schwer getroffen,« sagte Zbyszko, »wie kam dies? Schossen sie denn aus dem Hinterhalt?«

»Die Pfeile fielen so dicht, daß man auf einen Schritt weit nichts zu sehen vermochte. Und ich trug keine Rüstung, weil einige Kaufleute mir gesagt hatten, die Gegend sei ganz sicher, und es war furchtbar heiß.«

»Welcher Straßenräuber führte sie denn an? Ein Kreuzritter?«

»Kein Ordensritter, aber ein Deutscher, Chelminezyk aus Lentz, der als Wegelagerer und Räuber bekannt ist!«

»Was ist mit ihm geschehen?«

»Bei Jurand liegt er in Ketten. Aber er selbst hält auch zwei edle Masuren gefangen, an denen er sich rächen will.«

Wieder verfiel Macko in Schweigen.

»Ach, Du lieber Jesu!« sagte schließlich Zbyszko, »Lichtenstein wird am Leben bleiben und der aus Lentz ebenfalls, wir aber müssen elendiglich zu Grunde gehen, ohne uns gerächt zu haben. Mein Kopf wird fallen, und Ihr werdet sicherlich den Winter nicht überleben.«

»Bah! Nicht einmal bis zum Winter wird es währen. Wenn ich nur Dich retten könnte!«

»Habt Ihr hier schon jemand gesprochen?«

»Bei dem Kastellan von Krakau bin ich gewesen, denn als ich erfuhr, daß Lichtenstein abgereist ist, dachte ich, dies käme Dir zu gut.«

»So ist Lichtenstein abgereist?«

»Gleich nach dem Tode der Königin begab er sich nach Marienburg. Bei dem Kastellan bin ich also gewesen, aber er sagte folgendes: ›Nicht darum soll Euer Bruderssohn gerichtet werden, weil wir uns bei Lichtenstein in Gunst setzen wollen, sondern einzig nur darum, weil der Urteilsspruch so lautet, und ob Lichtenstein hier ist oder nicht, kommt gar nicht in Frage. Selbst wenn er stürbe, würde dies nichts ändern, denn – sagt der Kastellan – das Gesetz muß Gerechtigkeit walten lassen, das Gesetz ist nicht wie ein Oberrock, bei dem man das Oberste zu unterst wenden kann. Der König – sagt der Kastellan – hat die Macht, den Schuldigen zu begnadigen, aber sonst niemand.‹«

»Und wo ist der König?«

»Nach der Leichenfeier reiste er bis ins Russische hinein.«

»Dann giebt es keinen Rat!«

»Nein, keinen! Der Kastellan sagte auch: ›Die Fürstin Anna bittet für ihn und er jammert mich, doch was ich nicht kann, das kann ich nicht‹!«

»Die Fürstin Anna ist also noch hier?«

»Möge Gott ihr für ihre Fürsprache lohnen! Das ist eine gute Frau! Sie befindet sich noch hier, weil Jurands Tochter erkrankte, und die Fürstin sie liebt wie ihr eigenes Kind.«

»Ach, gerechter Gott! Danusia ist erkrankt? Was ist ihr zugestoßen?«

»Weiß ich es denn? Die Fürstin sagt, jemand müsse sie berufen haben.«

»Gewiß Lichtenstein! Niemand anders als Lichtenstein!«

»Mag sein! Aber was kannst Du ihm thun? – Nichts!«

»Deshalb also hatten alle meiner vergessen – sie ist krank!«

Bei diesen Worten ging Zbyszko mit großen Schritten in seiner Zelle umher, schließlich ergriff er Mackos Hand, küßte sie und sagte: »Möge Gott Euch für alles lohnen, denn ich bin schuld, wenn Ihr bald die Augen schließt, aber da Ihr nun doch einmal so weit in die preußischen Lande geritten seid, thut auch noch dies eine für mich, falls Ihr noch nicht vollständig von Kräften gekommen seid. Geht zum Kastellan und bittet ihn, er möge mich auf mein Ritterwort für zwölf Wochen wenigstens freigeben – dann kehre ich zurück, dann soll man mich richten. Aber daß wir ungerächt zu Grunde gehen, das darf nicht sein. Wisset also – nach Marienburg reite ich, und Lichtenstein, den Gesandten, fordere ich zum Zweikampfe heraus. Einer von uns, er oder ich muß fallen.«

Macko rieb sich die Stirn.

»Hingehen soll ich? Ja, ich gehe. Doch wird der Kastellan Deinen Wunsch erfüllen?«

»Mein Ritterwort gebe ich. Zwölf Wochen nur, mehr Zeit ist nicht vonnöten.«

»Wie Du schwatzest! Zwölf Wochen! Wie aber, wenn Du verwundet wirst und nicht zurückkehrst? Was werden sie denken?«

»Und sollte ich auch an vielen Wunden bluten, ich würde doch zurückkehren. Aber fürchtet nichts. Und wißt Ihr, vielleicht kommt während dieser Zeit der König aus Rußland zurück, und vielleicht ist er dann geneigt, Barmherzigkeit an mir zu üben.«

»Das ist wahr,« entgegnete Macko. Doch gleich darauf fügte er hinzu: »Der Kastellan hat mir noch weiter gesagt: ›Wir vergaßen Eures Bruderssohnes durch den Tod der Königin, aber jetzt müssen wir ein Ende machen‹.«

»Ei, erlaubt mir,« erwiderte Zbyszko guten Mutes, »er weiß doch, daß ein Edelmann sein Wort hält, und ob man mir jetzt den Kopf abschlägt oder nach Michaeli, wird ihm ganz einerlei sein.«

»Gut, noch heute gehe ich zu ihm.«

»Heute geht zu Amylej und gönnt Euch ein wenig Rast. Er soll Euch irgend einen Balsam auf die Wunde legen, und morgen begebt Euch dann zum Kastellan. Nun also mit Gott!«

»Mit Gott!«

Sie umarmten sich, und Macko wandte sich der Thüre zu, aber an der Schwelle blieb er stehen und runzelte die Stirn, wie wenn ihm Plötzlich ein Gedanke käme.

»Du trägst den Rittergürtel ja noch nicht; wenn Dir nun Lichtenstein sagt, mit einem Ungegürteten wolle er nicht kämpfen – was thust Du dann?«

Zbyszko sah plötzlich finster darein, aber nur für einen Augenblick, dann sagte er: »Und wie ist es denn im Kriege? Wählt sich da ein Gegürteter nur Gegürtete aus?«

»Krieg ist Krieg, und ein Zweikampf ist wieder etwas anderes.«

»Das ist wahr – aber wartet – da muß Rat geschafft werden. Seht Ihr, nun weiß ich auch, wie: der Fürst Janusz wird mich gürten. Wenn die Fürstin und Danusia ihn darum bitten, wird er es thun. Und unterwegs, in Masovien, will ich dann auch den Sohn Mikolajs aus Dlugolas herausfordern.«

»Weshalb denn?«

»Wißt Ihr denn nicht, daß Mikolaj, welcher am Hofe der Fürstin ist, Danusia ›Kröte‹ genannt hat?«

Voll Verwunderung blickte ihn Macko an, und in dem Bestreben, die Sache deutlicher zu erklären, fuhr Zbyszko fort: »Das kann ich nicht verzeihen, und Mikolaj würde ich doch nicht herausfordern, weil er wohl schon achtzig Jahre zählt.«

Darauf entgegnete Macko: »Höre, Bursche! Um Deinen Kopf ist es mir leid, aber nicht um Deinen Verstand, denn Du bist so dumm wie ein Schaf!«

»Worüber seid Ihr nun erzürnt?«

Macko gab keine Antwort und wollte sich entfernen, doch Zbyszko eilte auf ihn zu: »Wie befindet sich Danusia jetzt? Ist sie wieder gesund? Ereifert Euch doch nicht um nichts. Ihr habt wahrlich keinen Grund dazu.«

Und abermals neigte er sich auf des alten Mannes Hand herab. Dieser zuckte die Achseln, entgegnete jedoch etwas besänftigt: »Die Tochter Jurands befindet sich besser, verläßt aber ihre Kemenate noch nicht. Leb’ wohl!«

Zbyszko blieb allein. Er fühlte sich wie neugeboren an Seele und Körper. Daß er nun vielleicht noch drei Monate vor sich haben werde, daß er ins weite Land hinaus reiten, seinen Feind aufsuchen und mit ihm um Leben und Tod kämpfen könne, war ihm ein angenehmer Gedanke und erfüllte sein Herz mit Freude. Wie herrlich mußte es sein, auf einem Rosse in die Welt hinaus zu jagen, sich im Kampfe hervorzuthun, und so nicht ungerächt zu Grunde zu gehen. Dann mochte kommen, was da wollte – jetzt blieb ihm doch noch eine lange Zeit. Und wenn die Frist abgelaufen war, kehrte der König vielleicht aus Rußland zurück und vergab ihm die Schuld, vielleicht brach der Krieg aus, von dem schon längst die Rede gewesen – vielleicht sagte auch der Kastellan selbst, wenn er nach drei Monaten den Sieger des stolzen Lichtenstein erblickte: »Wandere nur frei in den Wäldern umher.«

Denn Zbyszko fühlte klar, daß außer dem Kreuzritter niemand Haß gegen ihn hegte, und daß sogar der strenge Burgvogt ihn gewissermaßen nur aus Zwang zum Tode verurteilt hatte.

So ward er denn immer hoffnungsfreudiger, da er nicht daran zweifelte, daß ihm die Frist von drei Monaten bewilligt werde. Im Gegenteile, er rechnete darauf, daß man sie noch verlängern werde, weil er überzeugt war, der alte Herr aus Teczyn könne auch nicht einmal dem Gedanken Raum geben, daß ein Edelmann sein Wort nicht halte.

Als nun Macko am folgenden Tage in die Abenddämmerung ins Gefängnis kam, stürzte Zbyszko, welcher ihn voll Ungeduld erwartet hatte, ihm entgegen und fragte: »Ist’s bewilligt.«

Macko sank ermattet auf die Pritsche, holte tief Atem und sagte dann: »Der Kastellan sprach so zu mir: »Wenn es sich um Hab und Gut handelt, gebe ich Eurem Bruderssohn acht oder vierzehn Tage auf sein Ritterwort frei, länger aber nicht.«

Zbyszko war so überrascht, daß er einige Zeit kein Wort hervorbringen konnte.

»Zwei Wochen nur!« rief er dann. »In einer Woche kann ich ja nicht einmal zur Grenze gelangen. Was soll das heißen? Ihr habt wohl dem Kastellan nicht gesagt, weshalb ich nach Marienburg will?«

»Nicht ich allein, auch die Fürstin Anna hat für Dich gebeten.«

»Nun, und was geschah?«

»Was geschah? Der Alte sagte ihr, daß er Dein Haupt nicht gerne fallen sehe, und daß er Dich beklage. ›Ich wünschte,‹ sagte er, ›ich hätte irgend ein Gesetz ausfindig gemacht – bah – irgend einen Vorwand meine ich, um ihn freilassen zu können, aber was ich nicht kann, kann ich nicht. Es wäre schlimm für das Königreich – sagte er weiter – wenn die Leute anfangen würden, der Gerechtigkeit ins Gesicht zu schlagen, um ihre Freunde zu schonen, und ich würde es nicht thun, wenn es sich auch um einen Blutsverwandten – oder sogar um meinen Bruder handelte.‹ Solche Menschen sind nicht zu erweichen. Und weiter sprach der Kastellan: ›Wir haben nicht nötig, besondere Rücksicht auf die Kreuzritter zu nehmen, doch fern sei es von uns, Schmach und Schande auf uns zu laden. Was würden sie und ihre Gäste denken, welche ihnen uns der ganzen Welt zuströmen, wenn ich einen zum Tode verurteilten Edelmann freiließe, weil er Lust bezeigt, in die Weite zu reiten, um jemand zum Kampfe herauszufordern? Würden sie nicht glauben, daß man ihm die Strafe erlassen habe, und daß keine Gerechtigkeit in unserem Lande herrsche? Lieber sehe ich ein Haupt fallen, als daß ich den König und das Reich dem Untergange weihe. Darauf entgegnete die Fürstin, ihr komme eine solche Gerechtigkeit seltsam vor, wenn selbst die Blutsverwandte des Königs nicht im stande sei, einen bedauernswerten Menschen freizubitten, allein der Alte versetzte: ›Der König selbst kann Gnade üben, doch auch er kann nicht gegen das Gesetz verstoßen.‹ Nun entzweiten sie sich ernstlich, denn die Fürstin ließ sich vom Zorne hinreißen. ›Laßt ihn wenigstens nicht im Gefängnisse verschmachten!‹ sagte sie. Und der Kastellan erklärte: ›Gut! morgen lasse ich das Schafott auf dem Marktplatze aufschlagen.‹ Hierauf trennten sie sich. Und Dich, Unglücklicher, kann nur unser Herr Jesus retten!«

Ein langes Schweigen folgte.

»Wie,« ließ sich endlich Zbyszko mit dumpfer Stimme vernehmen, »so bald soll es sein?«

»In zwei oder drei Tagen. Da giebt es keinen Rat, keinen. Was, ich konnte, habe ich gethan. Ich fiel zu den Füßen des Kastellans nieder, ich bat um Erbarmen, doch er beharrte auf seiner Meinung. ›Macht irgend ein Gesetz, einen Vorwand ausfindig!‹ wiederholte er. Ich bin auch bei dem Priester Stanislaw aus Skarbimierz gewesen, damit er mit dem Sakrament zu Dir komme. Die Ehre soll Dir wenigstens zu teil werden, daß Dir der Beichtvater der Königin die Beichte abnimmt. Doch traf ich ihn nicht zu Hause, er befand sich bei der Fürstin Anna.«

»Vielleicht war er auch bei Danusia?«

»Ach was! Dem Mädchen geht es ja besser. Morgen vor Tagesanbruch gehe ich nochmals zu ihm.«

Zbyszko setzte sich nieder, stützte die Ellbogen auf die Knie und neigte den Kopf so tief herab, daß sein Gesicht vollständig von den Haaren verhüllt war. Der alte Mann betrachtete ihn lange Zeit schweigend, dann aber rief er leise: »Zbyszko, Zbyszko!«

Der Jüngling erhob das Haupt, doch drückte sich in seinem Antlitz mehr Bitterkeit und Ingrimm als Schmerz aus.

»Nun?«

»Höre mich an, denn vielleicht kann ich doch noch ein Rettungsmittel ausfindig machen.«

Bei diesen Worten rückte er näher zu Zbyszko heran und begann fast im Flüstertone: »Du hörtest doch, daß einst Fürst Witold von unserem jetzigen König festgenommen, zu Krewo im Gefängnisse saß und in Frauenkleidern daraus entkam. Eine Frau steht uns zwar nicht hilfsbereit zur Seite, aber nimm meinen Rock, meine Kapuze, und fort mit Dir – verstehst Du? Daß Du nicht hinfällig aussiehst, werden sie gar nicht bemerken. Das ist gewiß! Draußen ist es dunkel, und ins Gesicht werden sie Dir auch nicht leuchten. Sie sahen mich wohl, als ich kam, aber genau betrachtete mich niemand. Sei nur still und höre mich an: morgen werden sie mich dann finden – doch was thut das? Mögen sie mir den Kopf abschlagen! Dir kann es dann zum Troste dienen, daß ich doch in zwei oder drei Wochen dem Tode verfallen bin. Und sobald Du draußen bist, setzest Du Dich aufs Pferd und reitest geradewegs zum Fürsten Witold. Du sagst ihm, wer Du bist, und bezeugst ihm Deine Verehrung. Dann wird er Dich freundlich aufnehmen, und Dir wird es sein, als ob Du zu den Füßen Gottes säßest. Die Leute sagen, das Kriegsheer des Fürsten sei durch die Tataren vernichtet worden. Ob das richtig ist, weiß ich nicht, aber es kann sein, denn die hochselige Königin hat dies prophezeit. Wenn es wahr ist, wird der Knäs Ritter nötig haben und Dich gerne sehen. Und bleibe nur bei ihm, denn auf der ganzen Welt giebt es keinen besseren Dienst. Verliert ein anderer König eine Schlacht, dann ist’s aus mit ihm, aber der Fürst Witold ist so klug und gewandt, daß er nach einer verlorenen Schlacht nur noch mächtiger dasteht. Auch ist er freigebig und ist uns außerordentlich zugethan. Sage ihm alles genau, wie es war. Sage ihm, Du hättest gegen die Tataren mit ihm ausziehen wollen, wärest aber nicht im stande dazu gewesen, weil Du im Gefängnisse saßest. Gott wird geben, daß Du Grund und Boden und daß Du Bauern von ihm bekommst – dann wird er Dich wohl als Ritter gürten und sich beim König für Dich verwenden. Er wäre ein guter Fürsprecher – oder nicht?«

Rasch riß Danusia von ihren blonden Haaren unter dem Rautenkranze hervor den weißen Schleier und umhüllte damit fast das ganze Haupt Zbyszkos.

Zbyszko hörte schweigend zu, während Macko, gleichsam von seinen eigenen Worten hingerissen, fortfuhr: »Nein, es ist Dir nicht bestimmt, jetzt schon zu sterben! Du wirst nach Bogdaniec zurückkehren. Und bist Du dort, so mußt Du sogleich ein Weib nehmen, damit unser Geschlecht nicht untergehe. Erst wenn Du Nachkommenschaft hast, magst Du Lichtenstein zum Kampfe herausfordern, doch zuvor hüte Dich Deiner Rache Genüge zu thun, sonst könntest Du irgendwo in Preußen überfallen werden, gerade wie ich. – Nicht mehr zu helfen wußte ich mir – nimm jetzt meinen Rock, meine Kapuze und gehe mit Gott!«

Macko erhob sich bei diesen Worten und stand im Begriffe, sich auszukleiden, doch Zbyszko sprang auf und hinderte ihn daran, indem er sagte: »Das, was Ihr von mir verlangt, thue ich nicht, so wahr mir Gott helfe und das heilige Kreuz!«

»Warum?« fragte Macko voll Verwunderung.

»Weil ich es nicht thue!«

Macko ward bleich vor Erregung und Zorn.

»Wollte Gott, Du wärst nie geboren!«

»Auch dem Kastellan habt Ihr schon gesagt, daß Ihr bereit seid, Euch für mich zu opfern.«

»Woher weißt Du das?«

»Der Herr aus Taczew erzählte es mir.«

»Und was folgt daraus?«

»Was daraus folgt? Hat Euch nicht der Kastellan gesagt, daß dann die Schande auf mich und das ganze Geschlecht fiele? Und würde ich nicht noch mehr Schande auf mich laden, wenn ich von hier entwiche und Euch der Rache des Gesetzes überließe?«

»Welche Rache? Welche Strafe kann mich noch treffen, da ich ohnedies sterben muß? Um Gottes willen nimm doch Vernunft an!«

»Um so weniger kann ich thun, was Ihr wünscht! Möge Gott mich züchtigen, wenn ich Euch jetzt verlasse, da Ihr alt und krank seid. Pfui! der Schande! …«

Wieder folgte ein tiefes Schweigen. Nichts war zu hören, als die schweren pfeifenden Atemzüge Mackos, sowie die Rufe der Bogenschützen, welche an den Thoren Wache hielten. Draußen senkte sich schon die Nacht hernieder.

»Höre,« begann schließlich Macko mit gebrochener Stimme wieder, »es war keine Schande für den Fürsten Witold, auf diese Weise aus Krewo zu fliehen – es wird auch für Dich keine sein.«

»Ja, seht Ihr,« entgegnete Zbyszko in traurigem Tone, »der Fürst Witold ist ein großer Fürst, er hat die Krone aus der Hand des Königs empfangen, er ist ein reicher Herrscher – ich aber bin nur ein armer Edelmann – ich habe nichts als meine Ehre.«

Und wie von seiner Erregung übermannt, rief er dann aus: »Begreift Ihr denn nicht? Ich liebe Euch so sehr, daß ich Euer Haupt nicht für das meine hingebe.«

Da erhob sich Macko; unsicheren, schwankenden Schrittes ging er mit ausgebreiteten Armen auf Zbyszko zu, und wenn schon die Leute jener Zeit nicht weichherzig, ja, hart wie Stahl waren, rief er plötzlich mit herzzerreißender Stimme: »Zbyszko!« …

Am folgenden Tage sah man, wie die Gerichtsschergen auf dem Marktplatze die Balken für das Schafott zusammentrugen, welches dem Hauptthore des Rathauses gegenüber errichtet werden sollte.

Die Fürstin aber berief Stanislaw aus Skarbimierz und andere gelehrte Domherren, welche sowohl das geschriebene Recht, wie das übliche Recht inne hatten, zu einer Beratung. Durch einen Ausspruch des Kastellans war sie dazu angeregt worden, hatte dieser doch erklärt, er sei bereit, Zbyszko freizugeben, wenn sich ein Rechtsspruch finden lasse, auf den er sich stützen könne. Lange, bis zum Anbruch des Tages, währte diese Beratung, zu der sich schließlich auch der Priester Stanislaw einfand, obschon er Zbyszko schon zum Tode vorbereitet und ihn mit den Sterbesakramenten versehen hatte.

Die Stunde der Exekution rückte immer näher. Schon am frühen Morgen zog eine große Menschenmenge auf den Markt. Daß der Kopf eines Edelmannes fallen sollte, das erregte die Neugierde noch weit mehr, als wenn es sich um die Hinrichtung eines gewöhnlichen Menschen gehandelt hätte. Zudem herrschte prächtiges Wetter. Das Gerücht von der Jugend und der Schönheit des Verurteilten erregte ganz besonders das Interesse der Frauen. So sah denn auch der Weg, der zu der Burg führte, durch die große Anzahl geputzter Bürgerinnen wie mit Blumen besät aus. An allen Fenstern auf dem Markte, in den Häusern und in den vorspringenden Gewölben sah man Frauenköpfe mit Hauben, mit goldnen und samtnen Stirnbändern geschmückt, sah man junge Mädchen, deren frei herabwallende Haare Rosen und Lilienkränze zierten. Auch die Räte der Stadt fehlten nicht, obwohl sie die Sache ganz und gar nichts anging. Wohl um sich ein gewisses Ansehen zu geben, kamen sie und stellten sich hinter den Rittern, in der nächsten Nähe des Schafottes auf. In voller Zahl hatten sich letztere eingefunden, war es ihnen doch darum zu thun, ihr Mitgefühl für den Jüngling an den Tag zu legen. Immer wieder drängte die Menge vor, welche hauptsächlich aus kleinen Kaufleuten bestand, sowie aus Handwerkern, in den Farben ihrer Zünfte gekleidet. Unzählige junge Burschen und Kinder trieben sich fortwährend unter der Menschenmenge umher, wurden, unerträglichen Fliegen gleich, von den Erwachsenen zurückgestoßen, pflanzten sich aber stets aufs neue auf jedem freien Plätzchen auf. Weit aber über die Häupter all dieser Versammelten ragte das mit neuem Tuch ausgeschlagene Schafott empor. Drei Personen standen darauf. Der Scharfrichter, breitschulterig und Schrecken erregend in seinem roten Gewande mit gleichfarbiger Kapuze, das scharfe, doppelt geschliffene Schwert in der Hand, und seine zwei Gehilfen mit entblößten Armen und Stricken im Gürtel. Zu ihren Füßen standen ein Pflock, sowie ein ebenfalls mit Tuch ausgeschlagener Sarg. Von den Türmen der Marienkirche ertönten die Glocken. Die ganze Stadt erfüllten sie mit ihrem metallnen Klange, Schwärme von Dohlen und Tauben scheuchten sie auf. Abwechselnd schweiften die neugierigen Blicke der Schaulustigen von dem zur Burg führenden Wege zu dem Schafott mit dem Scharfrichter, dessen glänzendes Schwert in der Sonne blinkte, oder zu den Rittern, welche den Bürgern stets großen Respekt, unendliches Interesse einflößten. Diesmal gab es aber auch viel zu sehen, denn die berühmtesten Kämpen umstanden das Gerüst. Man bewunderte die Breite der Schultern und den Ernst von Zawisza, dessen krause Haare lang herabwallten, man bewunderte die stämmige, vierschrötige Gestalt und die krummen Beine von Zindram aus Maszkowice, sowie den riesigen, fast übermenschlichen Wuchs von Paszko Zlodziej aus Biskupice, man staunte das Furcht erregende Antlitz von Wojciech aus Wodzinek ebenso an wie die Schönheit von Dobek aus Olesnica, welcher bei einem Turniere in Thorn über zwölf deutsche Ritter als Sieger hervorgegangen war, man zeigte sich Sygmund aus Bobawa, der sich in gleicher Weise gegen die Ungarn in Koszyce behauptet hatte, man zeigte sich Krzona aus Kozichglow und den in allen Waffenkünsten erfahrenen Lis aus Dargowisko, nicht zu vergessen Staszko aus Charbimowice, welcher zu Fuß ein Pferd einholen konnte. Allgemeines Aufsehen erregte auch Macko aus Bogdaniec, der, bleich wie der Tod, von Florian aus Korytrica und Marcin aus Wrocimowice gestützt ward und für den Vater des Verurteilten galt. Die größte Neugierde erregte jedoch Powala aus Taczew. In der ersten Reihe der Ritter stehend, hielt er auf seinen mächtigen Armen Danusia empor, ganz weiß gekleidet, einen grünen Rautenkranz auf dem hellen Haare. Keines der Umherstehenden konnte begreifen, was das bedeuten, weshalb dies junge Geschöpf die Hinrichtung mit anschauen sollte. Einige erklärten es sich damit, daß dies wohl die Schwester des Verurteilten sei, andere glaubten in ihr die Gebieterin seines Herzens zu sehen. Doch auch diese staunten über die weiße Gewandung, über die Anwesenheit des holden Kindes in nächster Nähe des Schafottes. Wie schön war das kleine Mädchen mit seinem jugendfrischen Antlitz, über dessen Wangen aber jetzt große Thränen rannen. Mitleid und Rührung regten sich in aller Herzen. In der dicht gedrängten Menge fing man über die Halsstarrigkeit des Kastellans, über die Strenge des Gesetzes zu murren an, und dieses Murren wurde immer lauter, immer drohender. Da und dort erhoben sich schon Stimmen, die verlangten, man solle das Blutgerüst niederreißen, dann müsse die Hinrichtung verschoben werden.

Immer lebhafter, immer lärmender wurde es unter der erregt hin und herwogenden Menschenmenge. Die Rede ging von Mund zu Mund, daß wenn der König anwesend wäre, er sicherlich den Jüngling begnadigen würde, der kein Verbrechen begangen habe.

Doch plötzlich trat tiefe Ruhe ein. Laute Rufe verkündigten das Herannahen der Bogenschützen und der königlichen Hellebardiere, von denen der Verurteilte zum Schafott geführt werden sollte. Bald ward auch der Zug auf dem Markte sichtbar. Ihn eröffneten die barmherzigen Brüder, welche schwarze, bis zur Erde wallende Kutten und schwarze Kapuzen mit Ausschnitten für die Augen trugen. Das Erscheinen dieser düsteren Gestalten machte einen solchen Eindruck auf das Volk, daß alles rings umher verstummte. Ihnen folgte eine Abteilung Bogenschützen, auserwählte Litauer, die zur königlichen Leibwache gehörten, mit Wamsen aus ungegerbtem Elentierleder bekleidet. Die Hellebardiere bildeten den Schluß des Zuges. Zwischen dem Gerichtsschreiber, welcher das Urteil verlesen sollte, und dein Geistlichen Stanislaw aus Skarbimierz, der ein Kruzifix in den Händen hielt, schritt Zbyszko. Aller Augen richteten sich auf ihn, aus allen Fenstern beugten sich Frauengestalten weit vor. Zbyszko war angethan mit seiner erbeuteten weißen Jacke, reich mit goldenen Greifen bestickt, reich mit goldenen Fransen geziert, und als ihn die Menge in diesem prächtigen Gewände dahinschreiten sah, dünkte es ihr, sie sehe einen jungen Fürsten oder den Abkömmling eines großen Geschlechtes. Seinem hohen Wuchse, der Breite der Schultern und der Brust, den kräftig ausgebildeten Gliedern nach hätte man ihn für einen reifen Mann halten können, auf dieser Mannesgestalt aber saß der Kopf eines Kindes. Der erste Flaum sproßte auf den Lippen des Jünglings, der einem schönen, königlichen Pagen glich, dessen goldblonde, über der Stirn geradegeschnittene Haare weit über den Nacken herabfielen. Bleichen Antlitzes, aber gleichmäßig, elastisch schritt er dahin. Zuweilen blickte er wie traumverloren auf die Menge, zuweilen erhob er die Augen zu den Kirchtürmen, zu dem Dohlenschwarme und zu den schwingenden Glocken, die ihm die letzte Stunde einläuteten. Zeitweise malte sich auf seinem Gesichte Staunen darüber, daß diese Feierlichkeiten ihm galten, daß die Glocken seinetwegen ertönten, daß die Frauen um seinetwillen schluchzten. Auf dem Markte angelangt, fiel sein Blick auf das Schafott, auf die in Rot gekleidete Gestalt des Scharfrichters. Er zuckte zusammen und machte das Zeichen des Kreuzes, der Geistliche aber reichte ihm das Kruzifix zum Kusse. In diesem Augenblicke fiel ihm ein Strauß Mohnblumen zu Füßen. Zbyszko beugte sich nieder, hob ihn auf und lächelte der Spenderin, einem jungen Mädchen zu, das nun in lautes Weinen ausbrach. Der Jüngling jedoch richtete sich hoch auf. Zweifellos bestrebte er sich angesichts dieser Menschenmenge, angesichts dieser Frauen und Mädchen, welche ihm aus den Fenstern mit ihren Tüchern zuwinkten, mutig in den Tod zu gehen, den Eindruck eines tapfern Ritters zu hinterlassen. Mit einer raschen Bewegung warf er seine Haare zurück, hob das Haupt und schritt stolz wie ein Sieger dahin, dem nach beendigtem Turniere der Preis zuerkannt ist. Nur langsam kam indessen der Zug vorwärts, weil die stets anwachsende Menge den Weg versperrte. Umsonst ließen die litauischen Bogenschützen stets von neuem den Ruf ertönen »Platz, Platz«, die Ermahnung verhallte ungehört, das Gedränge wurde immer dichter. Obwohl die damalige Krakauer Bürgerschaft aus zwei Drittel Deutschen bestand, wurden doch fortwährend wilde Flüche über die Kreuzritter laut. »Eine Schmach ist’s, eine Schmach! Die Erde möge diese Kreuzritter verschlingen, denn ihretwegen werden Kinder zum Richtplatze geführt. Schimpflich ist dies für den König, für das ganze Königreich!« Als die Litauer die drohende Haltung des Volkes bemerkten, nahmen sie die straff gespannten Bogen von den Schultern und harrten des Befehles, um auf die Menge zu zielen. Der Hauptmann ließ jedoch die Hellebardiere, die mit ihren Waffen leichter den Weg bahnen konnten, an die Spitze des Zuges treten, der auf diese Weise schließlich Ort und Stelle erreichte. Die das Blutgerüst umstehenden Ritter wichen zurück, ohne Widerstand zu leisten. Schon waren die Hellebardiere bis zu dem Schafotte vorgedrungen, schon wollte Zbyszko mit dem Geistlichen und dem Ratsschreiber das Gerüst ersteigen, da geschah etwas ganz Unerwartetes, der Kreis der Ritter teilte sich, Powala schritt, mit Danusia auf dem Arme hervor, und schrie mit solch donnernder Stimme »Halt«, daß der ganze Zug, wie in die Erde gewurzelt, stille hielt. Weder der Hauptmann, noch einer der Söldner wagte es, diesem edlen, gegürteten Ritter Widerpart zu leisten, der täglich im Schlosse verweilte und gar häufig in vertraulichem Gespräche mit dem König gesehen ward. Schließlich ließen auch andere, nicht minder angesehene Ritter den Ruf »Halt, Halt!« ertönen, der Herr von Taczew aber näherte sich Zbyszko und übergab ihm die liebliche Danusia.

Der Jüngling, mutmaßend, daß dies der Abschied sein sollte, nahm das holde Geschöpf in seine Arme und preßte es an die Brust – Danusia aber schmiegte sich nicht an ihn, umschlang nicht mit ihren Händchen seinen Hals, nein, rasch riß sie von ihren blonden Haaren, unter dem Rautenkranze hervor den weißen Schleier und umhüllte damit fast das ganze Haupt Zbyszkos, indem sie gleichzeitig mit der ganzen Kraft ihrer kindlichen Stimme schluchzend rief: »Mein ist er, mein ist er!«

»Dein ist er!« bestätigten die Ritter in lautem Tone. »Zum Kastellan!« Und von allen Seiten erklang aus der Menge der Ruf: »Zum Kastellan! Zum Kastellan!« Der Beichtvater richtete die Augen gen Himmel, der Ratschreiber wich zur Seite, der Hauptmann und die Hellebardiere senkten die Waffen, sie alle, alle begriffen, um was es sich handelte.

Es existierte eine alte Sitte, mächtig wie das Gesetz, bekannt und verbreitet in Podhale und bei den Krakauern, daß, wenn auf einen zum Tode Verurteilten ein unschuldiges Mädchen ihren Schleier warf, zum Zeichen, daß sie ihn zu ihrem Gatten erkiese, dieser freigegeben werden mußte. Den Gebrauch kannten die Ritter, es kannten ihn die Bauern, es kannten ihn die Polen unter den Städtern – und es wußten auch von ihm die Deutschen, die seit längerer Zeit in den polnischen Burgen und Städten wohnten. Der alte Macko, den die Rührung zu übermannen drohte, die Ritter, die ohne weiteres die Bogenschützen zurückstießen, umringten Zbyszko und Danusia, die bewegte, frohe Menge rief unaufhörlich: »Zum Kastellan, zum Kastellan!« Der Menschenschwarm wälzte sich plötzlich vorwärts gleich einer riesigen Meereswelle. Der Scharfrichter und seine Gehilfen stiegen bald darauf von dem Gerüste herab. Dies steigerte noch die Erregung. Bei allen stand es fest, daß in der Stadt ein drohender Aufruhr ausbrechen werde, wenn Jasko aus Teczyn sich jetzt dem altherkömmlichen, geheiligten Gebrauche widersetzen würde. Gleich einem Lavastrome stürzte sich das Volk auf das Blutgerüst. In einem Nu war alles Tuch abgerissen und in Fetzen umhergestreut. Bretter und Balken vermochten den starken Armen, den Beilschlägen nicht zu widerstehen. Das Gerüst schwankte, krachte, stürzte zusammen, so daß alsbald keine Spur mehr davon auf dem Markte zu sehen war.

Und Zbyszko, noch immer Danusia in den Armen haltend, kehrte zu dem Schlosse zurück – dieses Mal jedoch in der That wie ein siegreicher Triumphator. Denn ihm zur Seite schritten, strahlend vor Freude, die ersten Ritter des Königreiches, vor ihm und hinter ihm hunderte von Frauen, Männern und Kindern, rufend, singend, die Hände gegen Danusia ausstreckend, die Tapferkeit, die Schönheit preisend. An den Fenstern klatschten die reichen Bürgersfrauen mit ihren weißen Händen laut Beifall, in aller Augen glänzten Freudenthränen. Ein wahrer Regen von Rosen-und Lilienkränzen, ein wahrer Regen von Bändern, ja, sogar von vergoldeten Gürteln und netzartigen Hauben fiel zu den Füßen der seligen jungen Menschenkinder nieder. Zbyszko, strahlend wie die Sonne, das Herz überquellend von Dank, hob jeden Augenblick seine weiß gekleidete Herrin empor, zuweilen küßte er leidenschaftlich deren Hände. Und jedesmal bei diesem Anblick wurde die Menge derart gerührt, daß sich gar viele Liebende in die Arme fielen und sich gegenseitig beteuerten, sie würden sich auch befreien, so eines von ihnen zum Tode verurteilt wäre. Wie zwei geliebte Kinder wurden Zbyszko und Danusia von den Rittern, von den Bürgern, überhaupt von der ganzen Menge geleitet. Der alte Macko, der stets von zwei Rittern gestützt ward, kam fast von Sinnen vor Freude und wunderte sich nur darüber, daß ihm das Rettungsmittel für seinen Bruderssohn nicht in den Sinn gekommen war. Powala aus Taczew erzählte inmitten des allgemeinen Lärmes mit seiner mächtigen Stimme den Rittern, wieso man auf dieses Mittel gekommen sei, oder, richtiger gesagt, daß man sich bei der Beratung der Fürstin mit Stanislaw aus Skarbimierz und anderen Kundigen des geschriebenen und des üblichen Rechtes, der alten Sitte erinnert habe. Die Ritter staunten über die Einfachheit des Mittels und versicherten sich gegenseitig, daß gewiß deshalb keiner von ihnen an diesen Gebrauch gedacht habe, weil er in der von vielen Deutschen bewohnten Stadt lange nicht ausgeübt worden war.

Alles hing jedoch von dem Kastellan ab. Die Ritter und das Volk zogen daher weiter zum Schlosse, in welchem in der Abwesenheit des Königs der Krakauer Herr wohnte. Der Gerichtsschreiber, der Priester Stanislaw aus Skarbimierz, Zawisza Farurej, Zindram aus Maszkowice und Powala aus Taczew begaben sich zu ihm, um ihm über den Vorgang zu berichten, um ihn an seinen Ausspruch zu erinnern, er würde ohne weiteres den Verurteilten freisprechen, wenn er diese Handlungsweise durch ein Gesetz oder durch das übliche Recht begründen könne. Jetzt dürfe er Zbyszko begnadigen, erklärten die Bittstellenden, die altherkömmliche Sitte müsse berücksichtigt werden. Der Herr von Taczew antwortete darauf, diese Sitte sei zwar weit mehr für das gemeine Volk oder für die Räuber aus Podhale als für Edelleute geeignet, allein er hege zu viel Achtung vor dem Gesetze, als daß er die Macht der uralten Gebräuche nicht anerkennen sollte. Rasch bedeckte er hierauf mit der Rechten den silberweißen Bart, um das zufriedene Lächeln zu verbergen, das seine Lippen umspielte, und begab sich mit der Fürstin Anna Danuta auf die untere Terrasse. Einige Priester und Ritter folgten ihnen.

Als Zbyszko den Kastellan erblickte, hob er Danusia empor. Der Krakauer Herr legte seine runzlige Hand auf deren goldblondes Köpfchen, ließ sie eine Weile darauf ruhen und neigte dann ernst und voll Güte sein ehrwürdiges Haupt. Die Menge verstand dieses Zeichen. Die Mauern des Schlosses erzitterten von den Rufen: »Gott schütze Dich! Gott gebe Dir ein langes Leben! Du bist ein gerechter Herr! Bleibe uns erhalten und richte uns!« Auch zum Heile Zbyszkos und Danusias erklangen laute Rufe. Die beiden eilten auf die Terrasse und warfen sich zu den Füßen der guten Fürstin Anna Danuta nieder. Ihr verdankte Zbyszko das Leben, denn sie hatte bei der Beratung mit dem Gelehrten den alten Gebrauch zu Sprache gebracht, sie hatte Danusia angewiesen, was sie zu thun habe.

»Es lebe das junge Paar!« rief mit einem Male Powala aus Taczew, auf die Knieenden schauend.

»Es lebe!« ertönte der hundertstimmige Ruf der Menge.

Da wandte sich der ehrwürdige Kastellan zu der Fürstin und sagte: »Jetzt gleich, hochwerte Frau, muß die Verlobung stattfinden, denn so heischt es die Sitte.«

»Gegen die Verlobung habe ich nichts einzuwenden,« antwortete die Fürstin, »allein die Hochzeit darf ohne die Zustimmung des Vaters, Jurand aus Spychow, nicht gefeiert werden.«

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