Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 18
Siebentes Kapitel.
ОглавлениеJagienka ließ einen ganzen Topf Bärenfett aus. Macko trank anfänglich mit Lust davon, war es doch frisch, nicht angebrannt und duftete nach Angelicakraut, ein Heilmittel, welches dem Mägdlein bekannt war und von dem es etwas in den Topf geworfen hatte. Allmählich stärkten sich auch die Lebensgeister Mackos wieder, sodaß er neue Hoffnung faßte, zu gesunden.
»Das ist mir nötig gewesen,« erklärte er, »denn wenn der Mensch fett wird, dann arbeitet sich vielleicht der verfluchte Eisensplitter heraus.«
Wenn ihm aber nun auch mit der Zeit das Bärenfett weniger mundete, trank er es doch aus Vernunft. Jagienka redete ihm auch zu.
»Ihr werdet wieder gesunden,« erklärte sie. »Denkt nur, Zbeludow aus Ostrog, dem ein Glied seines Panzerhemdes tief in den Nacken eingedrungen war, ward auch durch Bärenfett gerettet. Sobald sich jedoch die Wunde öffnet, muß Biberfett aufgelegt werden.«
»Und habt Ihr welches?«
»Gewiß! Wenn Ihr jedoch ganz frisches haben wollt, gehe ich mit Zbyszko an einen Biberbau. An Bibern fehlt es nicht. Schaden könnte es aber auch nicht, wenn Ihr irgend einen Heiligen, welcher der Schutzpatron der Verwundeten ist, etwas geloben würdet.«
»Daran habe ich auch schon gedacht, nur weiß ich nicht recht, welchem. Der Heilige Jerzy ist der Schutzheilige der Ritter: er steht den Kriegern in ihren Abenteuern bei, überhaupt wenden sich die Kämpen in jeder Not an ihn, und es wird behauptet, er kämpfe oft in eigener Person auf seiten der Gerechten, um mit Gottes Hilfe die Schuldigen zu strafen. Aber die, welche selbst gern kämpfen, geben sich selten dazu her, Wunden zu heilen, und außerdem giebt es vielleicht auch andere, denen sie nicht in das Gehege kommen wollen. Jeder Heilige hat im Himmel sein besonderes Amt – das ist ja bekannt! Und der eine darf sich niemals in die Angelegenheiten des andern mengen, denn daraus könnte nur Zwietracht entstehen. Wäre es aber vielleicht schicklich, wenn die Heiligen im Himmel Streit anfingen oder sich bekämpften? Es giebt freilich auch noch andere große Heilige wie zum Beispiel Kosma und Damian, zu welchen die Aerzte beten, damit die Krankheiten nicht aus der Welt verschwinden, weil sie ja sonst nichts zu essen hätten. Dann die heilige Apollonia für die Zähne und der heilige Liborius für den Stein – aber davon ist keiner etwas für mich! Ich frage den Abt, der wird mir sagen, an wen ich mich wenden soll. Nicht alle Kleriker wissen unter den Heiligen Bescheid und können in einer solchen Sache Rat erteilen, wenn sie auch einen geschorenen Kopf haben.«
»Aber weshalb gelobt Ihr nicht dem Herrn Jesus selbst etwas?«
»Das ist ja sicher, daß er über alle gesetzt ist, trotzdem kann ich aber dies nicht thun. Wenn mir zum Beispiel Dein Vater ohne irgend welchen Grund einen Bauern erschlagen würde, könnte ich vielleicht mit meiner Klage sofort zum König nach Krakau gehen. Was würde mir der König antworten? Er würde so zu mir sprechen: ›Wohl regiere ich das ganze Königreich, allein weshalb kommst Du wegen Deines Bauern zu mir? Sind denn nicht dafür die Verwalter da? Warum gehst Du nicht auf die Burg zu meinem Kastellan und Stellvertreter?‹ Der Herr Jesus aber regiert sogar die ganze Welt, verstehst Du – für die einzelnen Angelegenheiten sind jedoch die Heiligen da.«
»Ich will Euch etwas sagen,« bemerkte jetzt Zbyszko, der mittlerweile hinzugetreten war, »gelobt doch unserer verstorbenen Königin eine Wallfahrt nach Krakau zu ihrem Grabe, so sie für Euch Fürbitte einlegen wird. Sind denn dort nicht schon vor unsern Augen Wunder geschehen? Weshalb wollt Ihr Euch an fremde Heilige wenden, wenn unsere Herrin allen andern vorzuziehen ist?«
»Traun, wenn ich nur wüßte, ob sie auch bei Wunden etwas nützen kann!«
»Nun, wenn sie auch nichts für Wunden thun kann! Aber kein Heiliger wird sie auch nur schief ansehen, und so er sie schief ansieht, wird ihm unser Herrgott eins versetzen, denn sie ist keine gewöhnliche Heilige, sondern die polnische Königin.«
»Welche die heidnischen Länder dem Christentum zugänglich gemacht hat. Du hast klug gesprochen,« entgegnete Macko. »In dem Rate der Himmlischen nimmt sie gewiß eine hohe Stellung ein, und sicher ist, daß keiner der andern Heiligen gegen sie aufkommt. So wahr als ich gesund sein soll, handle ich nach Deinem Rat.«
Auch Jagienka fand den Rat gut, ja Zbyszkos Klugheit erregte ihre höchste Bewunderung. Noch am gleichen Abend legte Macko ein feierliches Gelöbnis ab, das Bärenfett aber trank er von da mit noch größerer Hoffnungsfreudigkeit, indem er von Tag zu Tag seiner Gesundung entgegensah. Nach Verlauf einer Woche verlor er indessen wieder allen Mut. Er behauptete, das Fett gäre sofort in ihm, und unter der Haut an der letzten Rippe bilde sich etwas wie eine Geschwulst. Am zehnten Tage ward es noch schlimmer; die immer mehr um sich greifende Geschwulst rötete sich, Macko ward schwächer und schwächer, so daß er abermals dachte, dem Tode verfallen zu sein.
In einer der Nächte weckte er plötzlich Zbyszko.
»Zünde rasch einen Kienspan an,« rief er, »denn mit mir hat’s eine Aenderung gegeben, ob zum Guten oder zum Schlimmen, das weiß ich nicht.«
Zbyszko sprang mit gleichen Füßen empor, blies in dem Kamin der nebenanliegenden Stube das Feuer an, hielt den Kienspan hinein und fragte zurückkehrend: »Was ist mit Euch?«
»Was mit mir ist? Irgend etwas Spitziges hat das Geschwür durchstochen. Gewiß der Splitter. Fassen kann ich ihn wohl, aber nicht herausziehen. Ich fühle, wie er unter meinen Nägeln klirrt.«
»Das ist der Splitter der Eisenspitze, nichts anderes. Packt ihn nur fest und zieht ihn heraus.«
Macko, vor Schmerz ächzend, wand sich hin und her. Trotzdem aber griff er mit den Fingern immer tiefer in die Wunde, versuchte stets aufs neue den harten Gegenstand zu erfassen, so daß es ihm schließlich auch in der That gelang, den Splitter herauszureißen.
»O Herr Jesus!«
»Habt Ihr ihn?« fragte Zbyszko.
»Ja, aber mich schauert. Der kalte Schweiß ist mir ausgebrochen. Doch sieh, da ist er.«
Mit diesen Worten zeigte er Zbyszko einen länglichen Splitter mit einer schlecht geschmiedeten Eisenspitze, der nun seit Monaten sich in seinem Körper befunden hatte.
»Gott sei gepriesen und die Königin Jadwiga, denn jetzt werdet Ihr gesunden.«
»Leichter ist’s mir wohl, der Schmerz aber, der ist fürchterlich,« sagte Macko, an dem Geschwür drückend, aus dem eine Menge Eiter und Blut floß. »Wenn sich all die unreinen Säfte entleeren, dann muß der Mensch von der Krankheit genesen. Doch jetzt ist es nötig, Biberfett auf die Wunde zu legen; Jagienka behauptete dies wenigstens.«
»Morgen machen wir uns auf, um einen Biber zu fangen.«
Schon am nächsten Tage hatte sich Mackos Befinden unendlich gebessert. Nach einem erquickenden Schlafe erwachte er sehr spät und verlangte sofort zu essen. Gegen Bärenfett empfand er indessen geradezu einen Abscheu, deshalb zerschlug man ihm zwanzig Eier in einen Tiegel – gegen mehr hatte Jagienka vorsichtshalber Einsprache erhoben – und er verzehrte sie gierig mit einem halben Laib Brot. Dazu trank er ein Maß Bier. Nachdem er jedoch sich also gestärkt hatte, gebot er, Zych herbeizuholen, denn, so erklärte er, ihm sei gar lustig zu Mute geworden.
Unverzüglich schickte Zbyszko einer seiner Türken zu Zych, der schon deshalb des Nachmittags angeritten kam, weil die jungen Leute an dem Ostapange-See auf die Biberjagd gehen wollten. Als dann Macko und Zych beim Meth zusammensaßen, da ging es anfänglich gar fröhlich zu, des Lachens und des Scherzens wollte es kein Ende nehmen. Schließlich aber kamen die beiden Alten auf Zbyszko und Jagienka zu sprechen, und ein jeder lobte sein Herzenskind.
»Das ist ein Bursche, der Zbyszko,« hub Macko an, »einen zweiten wie den giebt es überhaupt nicht auf der Welt. Tapfer ist er und behend und gewandt wie ein Luchs. Seht Ihr! Als man ihn in Krakau zum Tode führte, da heulten die Mädchen an den Fenstern dermaßen, als ob ihnen jemand den Buckel mit einer Pfrieme verhauen hätte. Und was für Mädchen waren das! Töchter von Rittern und von Burgvögten, ganz abgesehen von den wunderschönen Bürgertöchtern.«
»Ob das nun die Töchter von Burgvögten gewesen sind voll wunderbarer Schönheit – über meine Jagienka gehen Sie doch nicht,« warf Zych aus Zgorzelic ein.
»Als ob ich gesagt hätte, sie überträfen diese! Ein liebevolleres Wesen als Jagienka ist ja kaum zu finden!«
»Ich sage auch nichts gegen Zbyszko. Der spannt doch die Armbrust ohne Kurbel.«
»Und den Bären hat er allein erlegt. Wißt Ihr aber auch auf welche Weise? Er spaltete ihm mit einem einzigen Hieb den Kopf.«
»Den Kopf spaltete er ihm wohl, doch getötet hat er ihn nicht allein. Jagienka kam ihm dabei zu Hilfe.«
»Sie half ihm? … davon sagte er mir ja nichts.«
»Weil er es ihr versprach … denn das Mädchen schämte sich, weil sie des Nachts in den Wald gegangen ist. Andere hätten Ausflüchte ersonnen, sie aber kann die Wahrheit nicht verschweigen. Ernst gesprochen, es wäre mir nicht lieb, wenn das jemand wüßte … Ich wollte sie auch schelten, allein sie sprach also: Ich kann allein mein Kränzlein hüten, das ja auch Ihr, Väterchen, zu behüten sucht. Fürchtet nichts, Zbyszko weiß, was er seiner Ehre als Ritter schuldig ist.«
»Das ist gewiß. Doch heute sind sie wieder zusammen gegangen.«
»Aber sie kehren gegen Abend zurück. Des Nachts jedoch, da ist der Teufel los und in der Dunkelheit ist ein Mädchen leichter zu bethören.«
Macko schwieg eine Weile nachdenklich, dann sagte er wie zu sich selbst: »Und bei alledem sehen sie sich gern.«
»Freilich! Wenn er sich nur nicht einer andern angelobt hätte!«
»Ach, Ihr wißt doch, das ist ritterliche Sitte … Wer in der Jugend nicht seine Herrin hat, den betrachten die andern als einen einfältigen Tropf. Er gelobte ihr drei Pfauenbüsche, und die muß er sich erobern, denn das erfordert seine ritterliche Ehre. Auch dem Lichtenstein muß er sich stellen, von den andern Gelöbnissen kann ihn der Abt entbinden.«
»An einem der nächsten Tage trifft der Abt hier ein,« bemerkte Zych.
»Glaubt Ihr?« fragte Macko, dann hub er von neuem an: »Uebrigens, was nützt ihm ein Gelöbnis, da Jurand ihm geradeheraus sagte, er gebe ihm das Mädchen nicht! Ob er sie einem andern versprochen hat, ob er sie dem Dienste Gottes weihen will, das weiß ich nicht – daß er sie ihm aber nicht gebe, das sagte er geradeheraus …«
»Von mir hörtet Ihr aber doch schon,« warf jetzt Zych ein, »daß der Abt Jagienka wie sein eigenes Kind liebt. Jüngsthin hat er so zu ihr gesprochen: ›Blutsverwandte habe ich nur von mütterlicher Seite, aber von dem Erbe wird mehr für Dich herauskommen, als für sie‹.«
Daraufhin schaute Macko unruhig, ja mißtrauisch auf Zych und bemerkte gleich darauf: »Unsere Beeinträchtigung werdet Ihr doch nicht wollen …«
»Auf Jagienka geht Moczydoly über!« erklärte Zych beschwichtigend.
»Sofort?«
»Wenn es sein muß, sofort. Einer andern würde ich es nicht überlassen, aber ihr übergebe ich es gern.«
»Bogdaniec gehört zur Hälfte Zbyszko, und so mir der Herr die Gesundheit wiederschenkt, werde ich das Gut bewirtschaften, daß es sich sehen lassen kann. Gefällt Euch Zbyszko?«
Auf diese Frage hin blinzelte Zych lustig mit den Augen und bemerkte: »Schlimm genug ist’s, daß Jagienka sich sofort abwendet, sobald irgend jemand von ihm spricht.«
»Und wenn Ihr von einem andern redet?«
»Ich darf nur einen andern erwähnen, dann kehrt sie sich sofort um und fragt: ›Was habt Ihr gesagt‹?«
»Ei, da seht Ihr nun! Gebe Gott, daß er um dieses Mädchens willen die andere vergesse. Ich bin doch alt, aber mir fiele das nicht schwer … Nehmt Ihr noch einen Trunk Met?«
»Ja, schenkt nur ein.«
»Nun, was den Abt anbetrifft … das ist ein einsichtsvoller Mensch! Auch unter den Aebten giebt es, wie Ihr wißt, ganz weltliche Leute, aber wenn er auch nicht immer bei den Mönchen sitzt, ist er doch ein Geistlicher, und ein Priester weiß stets besseren Rat als ein gewöhnlicher Mensch zu erteilen, denn er kennt die Schrift und ist mit dem heiligen Geist vertraut. Daß Ihr dem Mädchen Moczydoly sofort überlassen würdet, da habt Ihr recht. Wenn mir aber der Herr Jesus die Gesundheit wiederverleiht, werde ich dem Wilk aus Brzozowa so viele Freibauern abspenstig machen, als ich kann. Auf Weihnachten mögen sie sich bei Wilk empfehlen und zu mir kommen. Oder steht ihnen das nicht frei? Mit der Zeit baue ich dann die Burg in Bogdaniec wieder neu auf; ein stattliches Kastell aus Eichenholz soll erstehen, ringsum von Gräben umzogen … Zbyszko und Jagienka mögen vorläufig mit einander auf die Jagd gehen … Meiner Ansicht nach läßt der Schnee nicht mehr lange auf sich warten … So gewöhnen sie sich aneinander – und sicherlich wird der Bursche die andere vergessen. Ja, ja, sie sollen miteinander jagen. Doch weshalb noch lange hin-und herreden! Würdet Ihr ihm Jagienka geben oder nicht?«
»Ich würde sie ihm geben. Längst haben wir uns doch schon darüber geeinigt, daß die beiden zusammengehören, daß Moczydoly und Bogdaniec einmal auf die Enkelchen übergehen.«
»Hagel!« rief Macko fröhlich. »Gott gebe, daß sie sich wie Hagel vermehren. Der Abt wird sie uns taufen.«
»Wenn er nur damit fertig wird!« scherzte Zych in lustigem Tone. »So fröhlich habe ich Euch aber schon lange nicht mehr gesehen.«
»Weil mir das Herz vor Freude hüpft … Von der Eisenspitze bin ich befreit, und was Zbyszko anbelangt, an dem wird nichts scheitern. Gestern, als Jagienka zu Pferde stieg, seht Ihr, da hub ein Sturm an … Und ich sagte zu Zbyszko: ›Was thust Du nun‹? Sofort aber zäumte er sein Roß. Außerdem habe ich auch wohl bemerkt, daß sie anfänglich nur wenig miteinander sprachen, jetzt aber verdrehen sie sich fast die Hälse, so viel schwatzen sie. Es wird schon werden … es wird schon werden! … Doch Ihr trinkt ja nicht!«
»Ich nehme noch einen Schluck!«
»Auf das Wohl von Zbyszko und Jagienka!«