Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 8
Viertes Kapitel.
ОглавлениеEs war fast Mittag geworden, als die Fürstin mit ihrem zahlreichen Gefolge aus Tyniec aufbrach, um sich nach Krakau zu begeben. Gar häufig legten in damaliger Zeit die Ritter, welche in einer größeren Stadt oder auf einer Burg irgend eine bekannte Persönlichkeit aufsuchten, völlige Kriegsrüstung an. Der Sitte gemäß wurde diese freilich sofort nach Ueberschreitung der Thorschwelle wieder abgelegt, wozu gewöhnlich die Ankömmlinge von den Herren der Burgen mit den Worten aufgefordert wurden: »Legt die Rüstung ab, edle Gäste, denn Ihr seid bei Freunden!« Nichtsdestoweniger wurde großes Gewicht auf einen kriegerischen Einzug gelegt, der in aller Augen die Bedeutung des Rittertums hob. So erschienen denn auch jetzt Macko und Zbyszko, angethan mit wunderbaren Panzern und Armschienen, samt und sonders von friesischen Rittern erbeutet.
Mikolaj aus Dlugolas, der schon weit in der Welt herumgekommen war, der schon unzählige Ritter gesehen hatte und als Kenner von Kriegswaffen galt, sagte sich sofort, daß diese Panzer nur durch Mailänder geschmiedet sein konnten, die berühmtesten Panzerschmiede in der ganzen Welt. Nur die reichsten Ritter konnten sich derartige Rüstungen verschaffen, von denen eine jede als beträchtliches Erbgut angesehen wurde. Jene Friesen mußten daher namhafte Leute gewesen sein, und mit immer wachsender Bewunderung schaute Mikolaj auf Macko und Zbyszko, als deren Bezwinger. Die Helme, welche die beiden trugen, gehörten zwar nicht zu den schlechtesten, waren jedoch auch nichts Besonderes, dagegen erweckten ihre riesenhaften, schön aufgezäumten Hengste großes Staunen, ja vielfach Neid. Stolz saßen Macko und Zbyszko im Sattel und blickten kühn von ihrer Höhe aus den ganzen Hof herab. Jeder von ihnen hielt einen langen Spieß in der Hand, jeder hatte ein Schwert an der Seite und eine Streitaxt im Sattel. Der Bequemlichkeit wegen hatten sie die Schilde in den Wagen zurückgelassen, allein auch ohne sie sahen die beiden aus, als ob sie in die Schlacht, nicht aber in die Stadt zögen. Stets ritten sie in der Nähe der Kalesche, auf deren Vordersitz die Fürstin mit Danusia saß, auf deren Rücksitz die stattliche Hofdame Ofka, die Witwe von Christian aus Jarzabkow, und der alte Mikolaj aus Dlugolas Platz genommen hatten. Danusia schaute nur auf die gepanzerten Ritter, während die Fürstin immer wieder die Kapsel mit der Reliquie des heiligen Ptolemäus an die Lippen führte.
»Ich bin unendlich neugierig,« bemerkte sie schließlich, »was sich eigentlich darin befindet, allein ich wage nicht, die Kapsel selbst zu öffnen. Gar leicht könnte ich die Heiligen dadurch erzürnen. Der Bischof von Krakau soll sie öffnen.«
»Ei, besser ist es,« ließ sich aber jetzt Mikolaj von Dlugolas bedächtig vernehmen, »ein solch lockendes Kleinod nicht aus den Händen zu lassen.«
»Vielleicht habt Ihr recht,« erwiderte nach kurzem Schweigen die Fürstin, dann fügte sie hinzu: »Schon lange hat mir nichts solche Freude bereitet wie das Zusammentreffen mit dem trefflichen Abte. Allein noch größeres Vergnügen bereitet mir dies Geschenk, dient es doch zur Beruhigung meiner Angst vor den Reliquien der Kreuzritter.«
»Weise sprach der Abt und gerecht,« ließ sich nun Macko aus Bogdaniec vernehmen. »Gar viele Reliquien hatten sie bei Wilna bei sich, war es ihnen doch vor allem darum zu thun, den Fremden gegenüber zu zeigen, daß der Krieg gegen die Heiden geführt werde. Was aber folgte daraus? Die Unsrigen überzeugten sich nur zu bald, was hauptsächlich not that. In die flache Hand zu speien und mit dem Beile unter dem Ohre tüchtig zuzuhauen, das war nötig, dann fiel der Kopf mitsamt dem Helme. Wohl helfen auch die Heiligen – es wäre eine Sünde, dies zu bestreiten – allein nur den Gerechten stehen sie bei, nur denen, die einer guten Sache wegen und im Namen Gottes in die Schlacht ziehen. Wenn es daher auch zum Kriege mit den Kreuzrittern kommt, wenn alle Deutschen ihnen beistehen, so glaube ich deshalb doch, edle Frau, daß wir sie haufenweise schlagen, denn unser Volk ist größer, und der Herr Jesus verlieh uns stärkere Knochen. Was aber zudem die Reliquien anbelangt – nun, giebt es vielleicht in dem Kloster zum heiligen Kreuze nicht auch Holz vom heiligen Kreuze?«
»Das ist richtig, so wahr mir Gott lieb ist. Bei uns bleiben jedoch die Reliquien in den Klöstern, die Kreuzritter nehmen aber die ihrigen, sobald es nötig ist, in den Wagen mit sich.«
»Das ist alles einerlei! Für die Macht Gottes giebt es keine Entfernung.«
»Ist dies wirklich der Fall?« fragte die Fürstin, sich an den klugen Mikolaj von Dlugolas wendend, und dieser antwortete: »Das kann jeder Bischof bezeugen. Von Rom ist es auch weit, und der Papst regiert doch die Welt – geschweige denn erst Gott!«
Diese Worte wirkten beruhigend auf die Fürstin, die nun das Gespräch über Tyniec, über die ungewöhnliche Pracht der Abtei wieder aufnahm. Die Masuren bewunderten überhaupt die Schönheit des ganzen Landes, durch das sie jetzt kamen.
Rings umher lagen, dicht gedrängt, wohlhabende Dörfer, dabei Gärten mit Obstbäumen, Lindenhaine mit strohumhüllten Bienenstöcken und Storchennestern auf den Linden. Dann reihte sich wieder auf beiden Seiten der Landstraße ein Getreidefeld an das andere. Im Winde wogte das grüne Aehrenmeer hin und her, und gleich den Sternen am Firmamente schimmerten dunkelblaue Kornblumen und hellrote Mohnblumen daraus hervor. Ganz in der Ferne, hinter dem Ackerlande, zeigten sich finstere Wälder, aber in hellen Sonnenschein getauchte Eichen-und Erlenwäldchen erfreuten hier und dort das Ange, saftig grüne Wiesen, über denen Kibitze kreisten, lagen auf sanft ansteigenden Hügeln dazwischen. Ein fleißiges, arbeitsames Volk mußte dies Fleckchen Erde bewohnen, ein Volk, das die Feldarbeit liebte und friedlich, glücklich dahinlebte in diesem Lande, in dem Milch und Honig zu fließen schien.
»Hier merkt man Kasimirs segensreiches Walten,« rief die Fürstin, »hier möchte man leben und nicht sterben.«
»Auch der Herr Jesus freut sich über dieses Stückchen Erde,« warf Mikolaj von Dlugolas ein, »und der Segen Gottes ruht sichtlich darauf. Wie wird es aber erst dann werden, wenn auch hier erst einmal die Glocken läuten! Wo ist dann noch ein Winkel auf der Erde, in den ihr Widerhall nicht dringt. O, dann müssen die schlimmen Geister in die düsteren Wälder an der ungarischen Grenze weichen, weil sie den Glockenklang nicht hören können. Das weiß ich gewiß.«
»Ja, da ist es doch zu verwundern,« ließ sich Ofka, die Witwe des Christian aus Jarzabkow vernehmen, »daß der höllische Riese Walgierz Wlady, von dem die Mönche erzählt haben, noch immer in Tyniec auftaucht, wo doch siebenmal im Tage die Glocken läuten.«
Diese Erwägung versetzte natürlich den Mikolaj einen Augenblick in Staunen, nach kurzem Nachdenken erwiderte er jedoch: »Erstens sind die göttlichen Aussprüche unergründlich, und zweitens ist wohl vorauszusetzen, daß er für jedes Mal besonderen Befehl bekommt.«
»Mag das nun sein, wie es will, ich möchte nie dazu raten, in dem Kloster zu nächtigen. Vor Angst würde ich sterben, wenn sich mir ein solch höllischer Bewohner zeigte.«
»Ei, ei, das ist noch gar nicht so sicher, denn es wird behauptet, er sei sehr schön.«
»Selbst wenn er der anziehendste Mensch wäre, möchte ich mich von keinem Manne küssen lassen, dem Schwefel aus dem Munde kommt.«
»Ach, daß Ihr doch selbst dann ans Küssen denken müßt, wenn von Teufeln die Rede ist.«
Auf diese Worte der Fürstin hin brachen sowohl Herr Mikolaj wie die beiden Edelleute aus Bogdaniec in Lachen aus, Danusia lachte mit, und auch Anna Danuta wurde von dem Beispiele der Drei angesteckt. Ofka aus Jarzabkow aber wandte sich ärgerlich zu Mikolaj aus Dlugolas und sprach: »Er wäre mir jedenfalls lieber als Ihr.«
»Ei, malt den Teufel nicht an die Wand,« entgegnete noch immer lachend der Masur, »der Dämon zeigt sich häufig auf der Landstraße zwischen Krakau und Tyniec, und am häufigsten gegen Abend. Mit einem Male wird er Euch in Schrecken versetzen, mit einem Male wird der Riese vor Euch stehen.«
»Vor dem bösen Blick mögen wir bewahrt bleiben!« rief Ofka.
In diesem Augenblick indessen hielt Macko von Bogdaniec, der von seinem hohen Hengste aus einen weiteren Umblick hatte als die, welche in der Kalesche saßen, die Zügel an und sagte: »O, so wahr mir Gott lieb ist, was ist das?«
»Was denn?«
»Ein leibhafter Riese reitet dort auf der Höhe vor uns.«
»Ein Wort kann zur Wirklichkeit werden!« bemerkte die Fürstin. »Schwatzt keine Dummheiten!«
Nun aber hob sich Zbyszko in den Bügeln und sagte: »Leibhaftig der Riese Walgierz, kein anderer.«
Daraufhin faßte der Kutscher die Pferde vor Schrecken fest an und bekreuzigte sich, ohne die Zügel aus den Händen zu lassen, denn auch er sah nun von seinem Bocke aus auf der gegenüberliegenden Höhe einen hoch zu Rosse sitzenden Reiter daher traben.
Unwillkürlich stand die Fürstin von ihrem Sitze auf, setzte sich aber dann, wenn schon mit schreckensbleichem Antlitz, gleich wieder nieder, und ohne weiteres barg Danusia ihr Köpfchen in dem Gewande Anna Danutas. Um die Kalesche drängte sich aber nun auch das ganze Gefolge, die Hofherren und die Hofdamen, sowie alle fahrenden Schüler. Die Männer trugen zwar noch immer eine lächelnde Miene zur Schau, aber ihre unruhigen Blicke zeugten von der inneren Erregung, während die jungen, todbleichen Hoffräulein gar nicht versuchten, ihre Furcht zu verbergen. Nur Mikolaj aus Dlugolas bewahrte seinen Gleichmut und versuchte die Fürstin zu beruhigen, indem er sprach: »Fürchtet nichts, erlauchte Frau. Die Sonne ist ja noch nicht einmal untergegangen, und selbst wenn es Nacht wäre, würde Euch der heilige Ptolemäus vor Walgierz zu schützen wissen.«
Vorläufig hielt der unbekannte Reiter, als er den lange sich hinstreckenden Höhenrücken erreicht hatte, sein Pferd an und stand regungslos still. Da die Strahlen der untergehenden Sonne gerade auf ihn fielen, konnte man ihn deutlich sehen, und in der That, seine Gestalt schien das menschliche Durchschnittsmaß unendlich zu überragen. Der Zwischenraum zwischen ihm und der fürstlichen Kalesche konnte höchstens dreihundert Schritte betragen.
»Weshalb blieb er wohl stehen?« fragte einer der fahrenden Schüler.
»Weil auch wir angehalten haben!« entgegnete Macko.
»Seht nur, er blickt nach uns, als ob er sich einen heraussuchen wollte,« bemerkte ein zweiter fahrender Schüler. »Wenn ich sicher wäre, daß dies ein Mensch und kein böser Geist ist, würde ich mich ihm nähern und ihm mit der Laute über den Kopf schlagen.«
Die Frauen wurden immer hoffnungsloser und begannen laut zu beten. Zbyszko jedoch, der sich im Beisein der Fürstin und Danusias mutig erweisen wollte, erklärte: »Ich reite ihm entgegen. Was liegt mir an Walgierz!«
Umsonst rief Danusia schmerzlich und unter Thränen: »Zbyszko, Zbyszko!« – er ritt unentwegt davon mit dem festen Vorsatze, selbst den wahrhaftigen Walgierz zu durchbohren, wenn es sein müsse.
»Der fremde Reiter erscheint so riesengroß, weil er auf einer Anhöhe steht,« ergriff jetzt Macko das Wort, der sehr scharfe Augen hatte. »Er ist zwar ein etwas langer Kerl, aber ein ganz gewöhnlicher Mensch – nichts anderes. Topp, auch ich folge dem Zbyszko nach, damit es nicht zum Kampfe zwischen diesem und dem fremden Reiter kommt.«
Zbyszko war inzwischen im Trabe vorwärts geritten, wobei er überlegte, ob er sofort den Spieß anlegen oder zuerst in der Nähe beobachten solle, wie es sich eigentlich mit jenem auf der Höhe stehenden Reiter verhalte. Nach reiflichem Ueberlegen beschloß er, zuerst prüfend vorzugehen, und bald überzeugte er sich, wie recht er daran gethan, denn je näher er dem Unbekannten kam, desto mehr verlor dieser in seinen Augen von seiner ungewöhnlichen Größe. Wohl war der Fremde außerordentlich groß und saß auf einem riesigen Pferde, das sogar den Hengst Zbyszkos überragte – allein das menschliche Maß überschritt er nicht. Merkwürdigerweise war er ganz ohne Waffen; auf dem Haupte trug er eine glockenförmige Samtmütze, ein weißleinener, wallender Mantel, unter dem ein grünes Gewand hervorschaute, schützte ihn gegen den Staub. Regungslos verharrte er auf der Höhe mit gesenktem Haupte und betete inbrünstig. Augenscheinlich hatte er nur deshalb sein Pferd angehalten, weil er das Abendgebet sprechen wollte.
»Ei, das ist ja ein sonderbarer Kauz!« dachte der junge Bursche bei sich, »das ist doch nicht Walgierz.«
Und so nahe ritt nun Zbyszko zu dem Unbekannten heran, daß er ihn leicht mit dem Spieße hätte erreichen können, doch als jener den herrlich gewappneten, jungen Ritter vor sich sah, da lächelte er diesem wohlwollend zu und sprach: »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In alle Ewigkeit!«
»Ist das dort unten nicht der Hof der masurischen Fürstin?«
»So ist’s!«
»Habt Ihr in Tyniec gespeist?«
Darauf erhielt jedoch der Fragende keine Antwort, denn Zbyszko geriet in solches Staunen, daß er die Frage gar nicht hörte. Während einiger Minuten stand er wie versteinert da. Er glaubte, seinen eigenen Augen nicht trauen zu dürfen, denn mit einemmale erblickte er ungefähr vierhundert Schritte hinter dem Unbekannten mehrere berittene Krieger, die von einem Ritter in glänzender Rüstung und in einem weißseidenen Mantel mit schwarzem Kreuze angeführt wurden. Ein stählerner Helm mit einem Pfauenbusche gleich einem Kamme bedeckte dessen Haupt.
»Ein Kreuzritter!« flüsterte Zbyszko vor sich hin.
Keinen Augenblick zweifelte er jetzt mehr daran, daß sein Gebet erhört worden sei, daß Gott in seiner Barmherzigkeit ihm den Deutschen gesandt habe, um den er in Tyniec gefleht hatte, er sagte sich, er müsse Nutzen aus der göttlichen Gnade ziehen, keine Minute dürfe er länger schwanken, und ohne viel zu überlegen, beugte er sich im Sattel vor, legte dem Pferde den Spieß zwischen die Ohren und den Schlachtruf »Hagel, Hagel!« ausstoßend, sprengte er auf den Kreuzritter los.
Vollständig verblüfft hielt letzterer sein Pferd an. Doch er bückte sich nicht nach seiner Lanze, die im Steigbügel steckte, sondern er hielt Umschau, wie um sich zu vergewissern, ob der Angriff wirklich ihm gelte.
»Neige die Lanze!« schrie Zbyszko, indem er sein Roß antrieb, »Hagel, Hagel!«
Der Zwischenraum zwischen ihm und dem Kreuzritter verkleinerte sich zusehends. Als dieser indessen bemerkte, daß der Angriff ihm galt, da richtete auch er seine Waffe. Schon glaubte Zbyszko mit der Lanze die Brust des Gegners durchstoßen zu können, als sein Spieß am Schafte von einer kraftvollen Hand gleich dürrem Rohr genickt ward, als die Zügel seines Hengstes von der gleichen Hand so stramm angezogen wurden, daß sich das Roß mit allen vieren in die Erde eingrub und wie festgewurzelt dastand.
»Thörichtes Menschlein, was beginnst Du?« ließ sich eine tiefe, drohende Stimme vernehmen. »Auf die Gesandtschaft dringst Du ein, den König beschimpfst Du!«
Zbyszko blickte empor und erkannte den gleichen riesenhaften Mann, den man für Walgierz gehalten und der vor wenigen Minuten den Hof der fürstlichen Frau in Schrecken versetzt hatte.
»Los auf den Deutschen! Was wollt Ihr, und wer seid Ihr,« rief Zbyszko von neuem, indem er den Griff seines Schwertes faßte.
»Weg mit dem Schwerte! Bei Deiner Liebe für Gott, weg mit dem Schwerte – sage ich – denn sonst fliegst Du vom Pferde. Du beleidigst des Königs Majestät, dem Gerichte wirst Du überantwortet.«
Und sich den Leuten zuwendend, welche hinter dem Kreuzritter ritten, rief er mit donnernder Stimme: »Herbei! Herbei!«
Inzwischen kam auch Macko angeritten. Schlimmes ahnend, blickte er beunruhigt darein. Allein obwohl er einsah, daß Zbyszko geradezu wahnsinnig vorging, und daß ihm aus dieser Sache schlimme Folgen erwachsen konnten, war er doch fest entschlossen, nötigenfalls den Kampf aufzunehmen. Das ganze Gefolge des fremden Ritters und des Kreuzritters bestand ungefähr aus fünfzehn Mann, von denen ein jeder mit einem Spieße oder mit einer Armbrust bewaffnet war. Bei einem Zusammentreffen mit ihnen konnten daher zwei vollständig gewappnete Ritter leicht den Sieg davontragen. Macko überlegte daher auch bei sich, ob es nicht ratsamer sei, einem allenfallsigen Urteilsspruche des Gerichtes zuvorzukommen, indem man diese Leute überritt, um sich dann an irgend einem Orte so lange verborgen zu halten, bis der erste Sturm ausgetobt hatte. Mit einem Böses weissagenden Gesichte, das ihm das Aussehen eines zum Beißen bereiten Wolfes verlieh, hielt er sein Pferd zwischen Zbyszko und dem Fremden an, griff an sein Schwert und fragte: »Wer seid Ihr, und was verleiht Euch das Recht zu solchem Auftreten.«
»Mein Recht stammt daher,« entgegnete der Unbekannte, »daß der König mir befohlen hat, ein wachsames Auge über diese Gegend zu halten, und man nennt mich Powala aus Taczew.«
Auf diese Worte hin steckten Macko und Zbyszko die schon halb gezückten Schwerter wieder in die Scheiden und senkten das Haupt. Nicht Furcht überkam sie, nein, aber sie neigten das Haupt vor dem weithin bekannten, berühmten Namen, denn Powala aus Taczew, ein mächtiger Edelmann aus hervorragender Familie, der ausgedehnte Ländereien bei Radam besaß, gehörte zu den bekanntesten Rittern in dem Königreiche. Die fahrenden Schüler feierten ihn in ihren Gesängen, besangen ihn als ein Muster an Ehre und priesen seinen Namen zugleich mit den ersten des Landes. In diesem Augenblicke vertrat er zudem die geheiligte Person des Königs, wer sich daher gegen ihn kehrte, der lief Gefahr, seinen Kopf unter dem Beile des Scharfrichters zu verlieren.
Seinen Grimm unterdrückend, begann daher auch Macko in ehrfurchtsvollem Tone: »Ruhm und Ehre Euch, o Herr – Ruhm und Ehre Eurer Tapferkeit und Mannhaftigkeit.«
»Ruhm auch Euch, o Herr!« entgegnete Powala, »wenngleich ich gewünscht hätte, unter anderen, nicht so erschwerenden Umständen Eure Bekanntschaft zu machen.«
»Was meint Ihr damit?« fragte Macko.
Allein Powala erteilte keine Antwort, sondern wandte sich zu Zbyszko.
»Konntest Du, Menschlein, nichts Besseres beginnen?« rief er. »Auf der offenen Landstraße vergreifst Du Dich an der Gesandtschaft des Königs! Weißt Du, was Dich hierfür erwartet?«
»Er ist jung und thöricht, deshalb vermag er sich nicht im Zaume zu halten. Doch Ihr werdet nicht all zu strenge richten, wenn ich Euch die ganze Sache auseinandersetze.«
»Nicht ich werde ihn richten. Mir liegt nur ob, ihn in das Gefängnis einzuliefern.«
»Weshalb?« ließ sich nun Macko vernehmen, aufs neue finster dareinblickend.
»Kraft des königlichen Befehles.«
»Er ist ein Edelmann!« rief schließlich Macko nach längerem Schweigen.
»So möge er bei seiner ritterlichen Ehre geloben, sich freiwillig dem hohen Gerichte zu stellen.«
»Ich gelobe es bei meiner Ehre!« beteuerte Zbyszko.
»Es ist gut. Wie ist Dein Name?«
Macko nannte den Namen und das Geschlecht.
»Wofern Ihr zu dem Hofe der Gattin des Fürsten Janusz gehört, so bittet sie, daß sie Fürsprache für Euch bei dem Könige einlegt.«
»Wir gehören nicht zu dem Hofe. Aus Litauen, von dem Fürsten Witold kommen wir. Wollte Gott, wir wären niemals mit dem fürstlichen Hofe zusammengetroffen. Diese Begegnung ward zum Unglück für diesen Burschen.«
Und nun erzählte Macko, was sich in der Herberge ereignet hatte, er schilderte das Zusammentreffen mit der Fürstin und sprach von dem Gelübde Zbyszkos. Zuletzt übermannte ihn aber der Zorn über Zbyszkos thörichtes Gebaren, durch das sie in eine solch bedrängte Lage geraten waren, dermaßen, daß er diesem zurief: »Wollte Gott, Du wärest in Wilna geblieben. Was hast Du Dir denn bei Deinem Thun gedacht, Du Raufbold?«
»Bah!« entgegnete Zbyszko, »ich betete wegen meines Gelübdes zu dem Herrn Jesus und flehte ihn an, daß er mich auf Deutsche stoßen lassen möge. Reiche Gabe versprach ich ihm dafür. Wie ward mir daher, als ich einen Ritter mit einem Pfauenbusche und in einem Mantel mit schwarzem Kreuze vor mir sah! Eine innere Stimme rief mir zu: Schlag’ los auf den Deutschen, ein Wunder ist geschehen. Kurz entschlossen, sprengte ich daher auf ihn ein – wer hätte dies an meiner Stelle nicht gethan?«
»Hört mich an,« ergriff nun Powala das Wort. »Ich wünsche Euch nichts Schlimmes, denn ich sehe klar, daß dieser junge Bursche weit eher durch den seinem Alter eigenen Leichtsinn, als durch Böswilligkeit gesündigt hat. Daher wäre ich sofort bereit, seine That nicht weiter zu beachten und ihn ziehen zu lassen, als ob nichts geschehen wäre. Allein ich könnte dies nur in der Voraussetzung thun, daß jener Komtur verspricht, sich nicht bei dem Könige zu beklagen. Stellt daher diese Bitte an ihn. Vielleicht fühlt auch er Mitleid mit dem Menschlein.«
»Weit eher stelle ich mich dem Gerichte, als daß ich mich vor dem Kreuzritter beuge!« rief jetzt Zbyszko. »Nein, das thue ich nicht! Es verträgt sich nicht mit meiner Herrenehre.«
Ernst schaute daraufhin Powala aus Taczew auf den Jüngling und sagte: »Du handelst unrecht. Es wäre wahrlich besser für Dich, Du wüßtest genauer, was sich für die ritterliche Ehre schickt, als im klaren darüber zu sein, was sich nicht für sie schickt. Mich kennt man allenthalben, allein ich sage Dir, daß wenn ich eine solche That vollführt hätte, ich mich nicht schämen würde, für meine Schuld um Verzeihung zu bitten.«
Zbyszko sah wohl die Wahrheit dieser Rede ein, allein nichtsdestoweniger rief er: »Wenn die Erde hier nur ein wenig niedergetreten wird, so ist sie völlig eben. Anstatt dem Deutschen Abbitte zu leisten, ziehe ich es vor, mit ihm zu Pferde oder zu Fuß um den Tod oder um die Knechtschaft zu kämpfen.«
»Narr!« warf hier Macko ein. »Mit dem Gesandten willst Du Dich schlagen? Glaubst Du denn, jener werde sich mit Dir armem Schlucker einlassen? – Edler Herr,« wandte er sich hierauf an Powala, »übt Nachsicht mit ihm. Der Bursche ist durch den Krieg völlig verwildert. Es ist daher weit ratsamer, er bleibt dem Deutschen fern, denn er würde ihn nur beleidigen. Ich werde sprechen, ich werde bitten, und sollte der Komtur nach Beendigung der Gesandtschaft mit seinem Beleidiger an irgend einem Platze kämpfen wollen, dann stelle ich mich ihm.«
»Das ist ein Ritter aus einem hohen Geschlechte, der sich nicht einem jeden stellt!« erklärte Powala.
»Wie? Trage ich vielleicht nicht Gürtel und Sporen? Mir könnte sich selbst ein Fürst stellen.«
»Das ist wahr. Laßt Euch aber ihm gegenüber nichts davon merken, daß ich Euch zu einer Fürbitte veranlaßt habe, denn sonst würde er sich nicht mit Euch versöhnen. Nun, möge Euch Gott seinen Schutz angedeihen lassen.«
»Ich gehe Dir als leuchtendes Vorbild voran!« rief Macko dem Bruderssohne zu, »aber warte, bis ich Dir winke.«
So sprechend näherte er sich dem Kreuzritter. Starr und unbeweglich, wie eine Bildsäule, saß dieser auf seinem, an Größe einem Kamele gleichenden Rosse und blickte voll Gleichgültigkeit umher. Macko hatte sich während seiner langen Kriegszeit im Deutschen geübt; er setzte daher nun den Komtur in dessen Muttersprache auseinander, was geschehen war, schob alle Schuld auf das jugendliche Alter und auf den unklugen Sinn des jungen Burschen, dem kein anderer Gedanke gekommen sei, als daß Gott selbst ihn den Ritter mit dem Pfauenbusche geschickt habe, und bat schließlich um Verzeihung für Zbyszkos Vergehen.
Keine Muskel regte sich in dem Gesichte des Komturs. Mit erhobenem Haupte saß er auf seinem Pferde. So starr, so nichtachtend blickte er über Macko hinweg, als ob er nicht einen Menschen, sondern einen Pfahl vor sich habe. Der Edelmann aus Bogdaniec bemerkte dies wohl, und wenn auch seine weiteren Worte immer gleich höflich blieben, bäumte sich doch sein ganzes Innere sichtlich auf. Nur mühsam redete er schließlich; die roten Flecken auf seinen gebräunten Wangen legten Zeugnis für seine Erregung ab. Immer deutlicher trat es zu Tage, wie er mit sich selbst kämpfte, um nicht mit den Zähnen zu knirschen, um nicht rückhaltlos vorzugehen.
Powala beobachtete all dies. Von seinem guten Herzen getrieben, beschloß er, ihm zu Hilfe zu kommen. Auch er hatte in jungen Jahren an den ungarischen, österreichischen, burgundischen und böhmischen Höfen gar manches Abenteuer bestanden, das seinen Namen weit und breit berühmt gemacht hatte, und so wandte er sich denn nun auch in deutscher Sprache in versöhnlichem Tone und mit vorsätzlicher Heiterkeit zu Macko und sprach: »Ihr seht, o Herr, daß der edle Komtur die ganze Sache auch nicht eines Wortes wert erachtet. Nicht nur in unserem Königreiche, sondern allenthalben pflegen die Kriegerlein mit Unverstand Streitigkeiten herbeizuführen. Doch solch ein Ritter greift Kindern gegenüber weder zu dem Schwerte, noch droht er ihnen mit dem Gesetze.«
Allein auch auf diese Ansprache erteilte Lichtenstein keine Antwort. Seinen fahlgelben Schnurrbart drehend, trieb er sein Pferd au, ohne Macko und Zbyszko weiter zu beachten.
In wahnsinnigem Zorne knirschten diese geradezu mit den Zähnen, während ihre Hände unwillkürlich an die Schwerter griffen.
»Sieh Dich vor, Hund von einem Kreuzritter,« murmelte der alte Edelmann aus Bogdaniec, »ein feierliches Gelübde will ich jetzt ablegen, und ich werde Dich zu finden wissen, wenn Du kein Gesandter mehr bist.«
»Laßt es gut sein,« warf nun Powala ein, trotzdem auch ihm alles Blut heiß zum Herzen schoß, »die Fürstin muß sich jetzt für den jungen Burschen verwenden, sonst steht es schlecht um ihn.«
Nach diesen Worten ritt er dem Kreuzritter nach, erreichte ihn und redete während einiger Zeit lebhaft auf ihn ein. Doch sowohl Macko, wie Zbyszko bemerkte, daß der deutsche Ritter eben so hochmütig auf Powala blickte, wie er dies zuvor bei ihnen gethan hatte, und ihr Grimm steigerte sich immer mehr. Schon nach wenigen Minuten kehrte übrigens Powala wieder zu ihnen zurück, allein erst, nachdem sich der Kreuzritter weit genug entfernt hatte, um völlig außer Hörweite zu sein, begann er: »Ich bat für Euch, allein dies ist ein unzugänglicher Mensch. Er erklärte, er werde sich nur dann nicht beschweren, wenn Ihr das erfüllt, was er verlangen wird.«
»Was will er?«
»Er sprach folgendermaßen: ›Ich halte mich noch kurze Zeit auf zur Begrüßung der masovischen Fürstin, und ich verlange, daß jene beiden absteigen, die Helme abnehmen und auf der Erde, mit entblößtem Haupte, mich um Verzeihung bitten.‹ Schwer ist dies für Männer aus edlem Geschlechte, das begreife ich sehr wohl,« fügte Powala hinzu, indem er prüfend auf Zbyszko blickte, »aber ich rate Euch, die gestellte Bedingung zu erfüllen. Wer weiß, was sonst des jungen Burschen harret: wohl gar das Schwert des Henkers.«
Ein peinvolles Schweigen trat ein. Die Gesichter von Macko und Zbyszko sahen mit einem Male wie versteinert aus.
»Nun, was gedenkt Ihr zu thun?« fragte Powala.
Da antwortete Zbyszko so ruhig und mit solcher Würde, als ob er in einem einzigen Augenblick um zwanzig Jahre gealtert wäre: »Wie dem nun auch sein mag, der Wille des Menschen ist auch eine Macht.«
»Was soll das heißen?«
»Selbst wenn ich zwei Köpfe hätte, könnte man sie nur von dem Henker abschlagen lassen – meine Ehre kann mir aber ohne meinen Willen niemand beschimpfen.«
»Nun, und was sagt Ihr?« wandte sich daraufhin Powala fragend an Macko.
»Ich sage,« erwiderte Macko finster, »daß ich diesen Burschen von klein an aufzog … Auf ihm beruht unser Geschlecht, denn ich bin alt – aber das vermag er nicht zu thun, wenngleich er unrecht hatte.«
Und die Liebe zu seinem Bruderssohn brach nun bei ihm mit solcher Kraft hervor, daß er ihn mit seinen starken Armen umfing, während er mit bebenden Lippen fortwährend rief: »Zbyszko, Zbyszko!«
Staunen überkam den jungen Ritter bei dieser unerwarteten Liebesbezeugung, und sich der Umarmung des Ohms überlassend, meinte er: »Ei, fürwahr, ich wußte gar nicht, daß Ihr mich so sehr liebt!«
»Immer mehr sehe ich, daß Ihr echte Edelleute seid,« warf hier Powala bewegt ein, »und da mir der junge Bursche gelobt hat, sich selbst dem Gerichte zu stellen, werde ich ihn nicht gefangen nehmen. Solchen Rittern wie Euch kann man vertrauen. Seid übrigens guten Mutes. Der Deutsche beabsichtigt kurze Zeit in Tyniec zu verweilen, ich werde daher den König vor ihm sehen, und ich gedenke, diesem den Vorfall in einer Weise darzustellen, daß er nicht gar zu ausgebracht darüber sein wird. Ein Glück ist es indessen, daß es mir gelang, den Spieß zu zerbrechen – ein großes Glück ist es!«
»Ei, wenn ich schließlich doch den Kopf lassen muß,« bemerkte hier Zbyszko, »so wünschte ich wenigstens, ich hätte dem Kreuzritter die Knochen zerschlagen.«
»Wenn Du auch wohl im stande bist, Deine Ehre zu schützen,« warf hier Powala ungeduldig ein, »so verstehst Du doch nicht, Dich selbst und Deinen Mund im Zaume zu halten.«
»Einen Ausspruch zu thun, maße ich mir wohl an!« rief Zbyszko erregt, »die Knochen hätte ich ihm zerschlagen sollen.«
Und ohne ihn weiter zu beachten, richtete jetzt Powala wieder das Wort an Macko und sagte: »Glaubt mir, o Herr, Euch bleibt nichts anderes übrig, so sich dieses Menschlein aus der Schlinge herauszuziehen versteht, als ihm eine Haube über den Kopf zu stülpen, wie man es bei den Falken zu thun pflegt. Sonst endigt Euer Bruderssohn keines gewöhnlichen Todes.«
»Er könnte gerettet werden, wenn Ihr, o Herr, vor dem Könige verschweigen wollt, was sich ereignet hat.«
»Doch, was fangen wir mit dem Deutschen an? Die Zunge kann ich ihm doch nicht festbinden.«
»Das ist wahr, das ist wahr!«
Düsteren Blickes, fast zögernd, machten sich nun Macko und Zbyszko auf den Rückweg zu der Fürstin. Powala schloß sich ihnen an, und ihm folgten seine Leute, die bis jetzt mit den Mannen des Deutschen geritten waren. Deutlich war in der Ferne zwischen den masovischen Kopfbedeckungen des Kreuzritters glänzender Helm zu sehen, dessen Pfauenbusch vom Winde hin und her bewegt ward.
»Welch merkwürdige Natur doch ein solcher Kreuzritter besitzt!« begann schließlich nachdenklich der Ritter von Taczew. »Sobald es ihm schlecht geht, ist er so sanft wie ein Franziskaner. Demütig wie ein Lamm, süß wie Honig, zeigt er sich einem jeden gegenüber, als der nachsichtigste, beste Mensch erscheint er. Kaum ist er sich jedoch seiner Macht bewußt, tritt er aufs hochmütigste auf, erweist er sich erbarmungslos, so daß man glauben könnte, der Herr Jesus habe ihm einen Kieselstein, statt eines Herzens verliehen. Unter den verschiedensten Völkern habe ich doch schon Umschau gehalten, und stets überzeugte ich mich, daß der echte Ritter dessen schonte, welcher der Schwächere war, indem er sich sagte, es könne ihm nicht zur Ehre gereichen, den vor ihm Liegenden völlig darnieder zu treten. Starr und unbeugsam sind die Kreuzritter. Haltet Euere Faust über sie, sonst ergeht es Euch schlimm! Nicht nur Abbitte forderte der Gesandte von Euch, nein, Schimpf wollte er Euch anthun. Gar froh bin ich darüber, daß ihm dies nicht gelang.«
»Das wird ihm niemals gelingen!« rief Zbyszko.
»Laßt es ihn auch nicht merken, so Euch Sorge bedrückt, denn sonst würde er Euch rücksichtslos verlachen.«
Nunmehr waren die Drei wieder zu dem Hofstaate der Fürstin gestoßen. Kaum nahm jedoch der Kreuzritter die beiden Edelleute aus Bogdaniec wahr, so verfolgte er sie mit seinem hochmütigen, verächtlichen Blicke, sie aber thaten, als ob sie ihn nicht beachteten. Zbyszko hielt sich an der Seite Danusias, mit der er fröhlich über Krakau zu plaudern begann, das von der Höhe aus bereits zu sehen war, während Macko einem der fahrenden Schüler erzählte, daß der Herr von Taczew mit einer Hand Zbyszkos Spieß wie dürres Rohr am Schafte geknickt habe.
»Weshalb hat er denn dies gethan?« fragte der fahrende Schüler.
»Weil Zbyszko ihn, freilich nur zum Spaße, auf den Deutschen anlegte.«
Den Schüler dünkte zwar ein solcher Scherz nicht angemessen, doch da er sah, wie leichthin Macko darüber sprach, legte er ihm keine große Bedeutung bei. Die Stimmung des Kreuzritters ward eine immer gereiztere. In der Erwartung, daß ihm Macko und Zbyszko Abbitte leisten würden, sah er sich schmählich getäuscht, seine Augen blitzten mit einemmale zornig auf, und mit der Miene eines schwer Gekränkten verabschiedete er sich von der Fürstin.
Da vermochte der Herr von Taczew nicht länger an sich zu halten, sondern rief ihm zu: »Seid getrost, tapferer Ritter. Das Land ist ruhig und niemand wird Euch feindlich überfallen, wennschon ein gewisser junger Bursche zum Spaße …«
»Seltsam sind zwar die Sitten in diesem Lande,« entgegnete Lichtenstein, »allein nicht Schutz suchte ich bei Euch, nein, mir war es um Eure Gesellschaft zu thun. Doch voraussichtlich werden wir uns noch einmal treffen, sei es an dem hiesigen Hofe oder an einem andern …«
Die letzten Worte klangen wie eine unterdrückte Drohung, weshalb Powala feierlich erwiderte: »Das gebe Gott!«
So antwortend, neigte er sich leicht, wandte sich achselzuckend ab und sagte halblaut vor sich hin, doch so, daß die ihm Zunächststehenden es hören konnten: »Gelbschnabel! Am liebsten möchte ich Dich mit der Spitze meines Speeres aus dem Sattel heben und während dreier Vaterunser frei in der Luft halten.«
Unverweilt begann er hierauf eine Unterhaltung mit der Fürstin, die ihm wohl bekannt war. Anna Danuta fragte ihn, was denn seines Amtes sei, und er setzte ihr auseinander, daß er auf königlichen Befehl die Ordnung in der Umgegend aufrecht zu erhalten habe, die Sicherheit auf der Landstraße sei durch die große Zahl der Gäste gefährdet, die nach Krakau zogen. Gar leicht könnte sich unter ihnen ein Zwist erheben, erklärte er weiter, just eben sei er selbst Zeuge eines solchen gewesen. Er erzählte den ganzen Hergang, wennschon er aber anfänglich daran gedacht hatte, die Fürstin um Fürsprache für Zbyszko zu bitten, verschob er das nun schließlich doch auf eine spätere Zeit und vermied es, dem Streite irgend welche Bedeutung beizulegen, um die frohe Laune der Fürstin nicht zu trüben. Anna Danuta lachte sogar herzlich über den Eifer Zbyszkos, die Pfauenbüsche zu erlangen – die andern jedoch, welche der Erzählung lauschten, erkundigten sich eingehend über den Vorfall und äußerten laut ihre Bewunderung des Herrn von Taczew, der mit einer Hand den Spieß des Zbyszko zerbrochen hatte.
Der etwas prahlerisch angelegte Herr von Taczew freute sich jedoch in seinem Herzen über das Lob, das man ihm zollte, und wurde nicht müde, verschiedene seiner Thaten zu schildern, die seinen Namen bekannt gemacht hatten. So erzählte er, daß er einmal am Hofe Philipps des Kühnen von Burgund im Turniere mit einem ardennischen Ritter gekämpft habe. Nach Zertrümmerung der Speere habe er diesen umfaßt, ihn aus dem Sattel gehoben und ihn trotz seines eisernen Panzers auf Speerhöhe in die Luft geschleudert. Eine goldene Kette sei ihm dafür von Philipp dem Kühnen verliehen worden, von dessen Gemahlin aber ein Samtschuh, den er seit jener Zeit am Helme trage.
Noch größeres Staunen bemächtigte sich nun aller Hörer, nun Mikolaj von Dlugolas sagte: »In unserer heutigen verzärtelten Zeit giebt es wohl kaum Männer, wie ich sie in meiner Jugend gekannt habe, oder solche, von denen mein Vater mir erzählt hat. Wohl giebt es noch Edelleute, die einen Panzer zerbrechen, eine Armbrust ohne Schneller spannen oder ein eisernes Beil zwischen den Fingern biegen, aber die betrachten sich schon als Athleten und beehren sich über alle andern. Früher konnten dies jedoch auch Mägdlein thun …«
»Ferne sei es mir, dem zu widersprechen, daß früher die Leute kräftiger waren,« warf jetzt Powala ein, »doch auch heute findet man noch manch strammen Burschen. Mir verlieh der Herr Jesus kräftige Knochen, doch nicht zu den kräftigsten rechne ich mich in diesem Königreiche. Kennt ihr einen gewissen Zawisza aus Garbow? Dieser würde mich bezwingen.«
»Ich kenne ihn. Seine Schultern sind so breit wie die Schutzwehr des Krakauer Glockenturmes.«
»Und Dobko aus Olesnica? Er streckte einmal auf einem Turniere, das die Kreuzritter in Thorn veranstalteten, zwölf Ritter nieder, zum großen Ruhme für uns und für unser Volk.«
»Aber einer der Unseren, der Masur Staszko Ciolek war stärker als Ihr und Zawisz und Dobek. Man erzählt von ihm, er habe mit der Hand einen frischen Stamm so zusammenzupressen vermocht, daß der Saft daraus gelaufen sei.«
»Das vermag ich auch!« rief Zbyszko. Und ohne daß ihn jemand um die Probe gebeten hätte, sprang er an den Rand des Weges, riß einen dicken Ast von einem Baume und drückte ihn nach und nach so kräftig vor den Augen der Fürstin und Danusias zusammen, daß der Saft thatsächlich tropfenweise auf den Weg träufelte.
»Oho! Jesus, Jesus!« rief bei diesem Anblick Ofka aus Jarzawkow, »laßt ihn nicht in den Krieg ziehen, denn es wäre schade, wenn ein solcher Bursche vor der Hochzeit zu Grunde ginge.«
»Ja, es wäre schade!« wiederholte Macko, plötzlich aufs neue finster dareinblickend.