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Die Hochzeit

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Die zwei Wochen vergingen ohne Zwischenfälle. Paris empfing Lukas mit herrlichem Wetter, die Bäume blühten, die Boulevards waren voller Menschen, und er genoss es, wieder hier zu sein. Er rannte die Treppen zur Wohnung seines Vaters hinauf und läutete stürmisch. Marie öffnete ihm. Sie umarmte ihn, und ihr kamen die Tränen.

„Mon chou, mon petit chou. Maintenant tu es devenu un homme.“

Auch Lukas bekam feuchte Augen. Diese Frau war seine eigentliche Mutter, sie hatte ihn in seiner Kindheit getröstet, seine aufgeschlagenen Knie versorgt, ihm aus Büchern vorgelesen und ihm Wärme und Geborgenheit gegeben. Die vielen Geschichten, die sie ihm erzählt hatte, hatte er bewahrt und würde sie seinen Kindern weitergeben. Bei aller Wertschätzung und Liebe, die er heute seiner leiblichen Mutter gegenüber hegte, war ihm Marie mehr, sie war ihm näher, vertrauter. Zwischen seiner Mutter und ihm herrschte immer eine kleine, aber unüberbrückbare Distanz. Auch wenn sie sich umarmten. Sie war durchaus keine kaltherzige Frau oder Egoistin, das wusste er jetzt, wo er mit ihr unter einem Dach wohnte. Aber sie lebten beide ein getrenntes Leben, obwohl sie mindesten einmal pro Woche zusammen speisten, wenn sie in Wien war. Sie stellte ihm ihre Freunde vor, und er nahm an ihren, wie er es nannte, intellektuellen Abenden teil. Er hatte ihr viel zu verdanken. Sie hatte dafür gesorgt, dass er die richtigen Bücher in die Hand bekommen hatte, ins Theater ging und Konzerte besuchte. Er verdankte ihr seine österreichische Identität.

Sein Vater kam ihm mit offenen Armen entgegen, sie hatten sich seit mehr als einem Jahr nicht gesehen. Er war kaum älter geworden, sein Haar vielleicht eine Spur grauer, aber sein Gang und seine Bewegungen zeigten, dass er noch immer fit war. Auch in seinen Augen schimmerten Tränen.

Den folgenden Tag verbrachte er mit seinem Vater. Sie gingen am Montmartre spazieren, saßen in kleinen Bistros in St. Germain des Prés. Sie erzählten sich, was in der Zwischenzeit passiert war und was sie in Zukunft machen wollten. Ihr Verhältnis war immer sehr eng gewesen, eher wie zwei Freunde als Vater und Sohn.

Am nächsten Tag fuhren sie in den Westen der Stadt, in den Bois de Boulogne, der mit einer Größe von fast neun Quadratkilometern einer der größten Stadtparks der Welt ist. Sie wollten ein wenig Parkour trainieren. Sie begannen mit Dehnungsübungen. Liefen eine lockere Runde, bis sie ausreichend aufgewärmt waren. Balancierten auf Mauern und Stangen, um ihr Gleichgewichtsgefühl zu trainieren. Übten nach höheren Sprüngen verschiedene Landetechniken und die Roulade, die Rolle über die Schulter, eine der wichtigsten Bewegungen beim Parkour. Dann folgten Passe muraille, die Überwindung einer Mauer, Armsprünge und Tic-Tacs. Sie stießen sich zwischen eng stehenden Mauern abwechselnd links und rechts ab, um an Höhe zu gewinnen, und landeten mit einem Präzisionssprung wieder auf dem Boden.

Lukas war erstaunt, wie beweglich sein Vater noch war. Nur bei Fallübungen hielt er sich zurück, meinte, er wolle seine Kniegelenke schonen. Zum Abschluss liefen sie noch eine Runde und beendeten das Training mit Stretching. Lukas machte seinem Vater über seinen physischen Zustand Komplimente. Dieser gab ihm die Komplimente zurück und ließ sich von ihm detailliert erzählen, wie er bei dem Einsatz in Wien die Hausfassade überwunden hatte.

Die Hochzeit fand in einem kleinen Schloss in Fontainebleau statt. Viele Freunde des Paares waren gekommen. Auch jüngere Leute in Lukas’ Alter waren dabei. Es machte ihm Spaß, wieder in sein französisches Leben einzutauchen, er unterhielt sich blendend und erneuerte halb vergessene Bekanntschaften. Alle waren erstaunt, als sie hörten, dass er ein Flic geworden war.

An der Hochzeitstafel saß Lukas neben Marie, an seiner anderen Seite eine arrogant wirkende, sehr schöne Dame, die die Runde mit überlegen wirkenden Blicken bedachte. Sie wurde ihm als eine entfernte Verwandte von Marie vorgestellt und erinnerte ihn ein wenig an Catherine Deneuve. Höflich wandte er sich ihr zu und versuchte, Konversation zu machen, wurde aber mit einigen glatten Redewendungen abgespeist. So sprach er mit den ihm gegenübersitzenden Gästen, einem gut genährten, lustigen Ehepaar, das ebenfalls mit Marie verwandt zu sein schien. Man trank sich eifrig zu. Lukas war der Alkohol bereits ein wenig in den Kopf gestiegen. Plötzlich ritt ihn der Teufel, er ging auf die Bühne, nahm ein Mikrofon in die Hand und begann mit einer Rede. Er beschrieb das Leben seines Vaters, der als junger Student eine Studentenzeitung herausgegeben hatte, sein Rechtsstudium zwar erfolgreich beendet hatte, aber nie ein reicher Rechtsanwalt geworden war, weil er schon bei seinen ersten Klienten mit den Nöten seiner Mitmenschen in Berührung gekommen war. Der dann für ein Journal arbeitete und am Schreiben so Gefallen fand, dass er die Juristerei sein ließ. Der sich mit dem Chef seiner Zeitung zerstritt und als selbstständiger Journalist weitermachte und sein Leben in den Krisenregionen der Welt verbrachte. Diese Lebensbeschreibung wurde für sehr amüsant befunden, und die ganze Gesellschaft lachte mehrere Male.

„Glücklicherweise kam er dabei auch einmal nach Wien, wo er meine Mutter kennenlernte. Sie war eine junge Frau aus bürgerlichem Hause, die bereits damals mit ihrer akademischen Karriere beschäftigt war und mit meinem Vater ein Verhältnis begann. Da beide von Verhütung offenbar noch nie etwas gehört hatten, geschah das Malheur, ich war plötzlich unterwegs. Quoi faire? Gott sei Dank ist Mutter katholisch, und mein Vater fand an der Vorstellung, ein Ebenbild zu haben, Gefallen, also freute man sich und bekam mich. Sie zeigten schon damals, was für moderne Menschen sie waren, denn sie zogen es vor, nicht zu heirateten. Was aber sollte man mit mir machen? Vater musste dringend immer wieder zu einem neuen Kriegsschauplatz, und Mutter wollte mich nicht in die Vorlesungen mitnehmen, so blieb ich zunächst bei meiner Wiener Großmutter. Vater erschien periodisch und hatte, wie man mir berichtete, große Freude mit mir. Er wollte mich aber unbedingt in Paris haben, und so suchte er eine Kinderfrau für mich, der inzwischen schon sechs Jahre alt geworden war. Er fand Marie, die wie Becassine aus der Bretagne gekommen war und mich wie ein eigenes Kind annahm. Sie war aber nicht so naiv wie Becassine und arrangierte sich bald mit den Lebensverhältnissen in La Capital. So kam es zu dem Arrangement, dass ich im Sommer zu Mutter nach Österreich fuhr, aber die ganze Schulzeit in Paris verbrachte. Marie verdanke ich unendlich viel, ich kann und will es an dieser Stelle nicht aufzählen. Ich freue mich wie keiner hier, dass die beiden mir am nahestehendsten Menschen zusammengefunden haben. Ich wünsche ihnen eine lange und glückliche Lebensgemeinschaft.“

Lauter Applaus folgte, die beiden frischgebackenen Eheleute waren von seiner Ansprache gerührt und dankten ihm. Nach dem Essen wurde getanzt, und die Stimmung begann ausgelassen zu werden. Lukas trat auf die Terrasse und blickte in den Garten des Schlosses.

„Sie sind ein Flic?“

Er drehte sich um. Neben ihm stand eine elegante junge Frau mit aristokratischen Zügen. Sie hatte schwarzes Haar und dunkelblaue Augen.

„Ich bin Charlotte, eine Nichte der Braut, auch eine Becassine. Ihre Ansprache hat mir gut gefallen. Wie lebt es sich in Wien?“

„Wien ist so anders als Paris, es ist im Vergleich dazu eine Kleinstadt, die aber das hat, was vielen heutigen Großstädten fehlt – gewachsene Kultur und Identität. Wien hat sich einigermaßen erfolgreich gegen die gesichtslose Modernisierung gewehrt, die in anderen Met­ropolen erfolgt ist. Auf eine liebenswerte Art ist man borniert, damit meine ich, dass die Wiener glauben, dass alles, was sie brauchen, ohnehin innerhalb ihrer Stadtgrenzen zu finden sei. Damit gibt man sich zufrieden. Deswegen gilt der Wiener im übrigen Österreich als etwas überheblich, aber im Ausland ist er ein wenig unsicher, hat fast Komplexe, denn dort ist er gezwungen, sich mit anderen Umständen abzufinden, und muss feststellen, dass es auch anderswo schön ist und vielleicht sogar mehr los ist. Um sein Selbstbewusstsein zu erhalten, versucht der Wiener unentwegt, die Einrichtungen und Lebensbedingungen des Auslands mit denen in Wien zu vergleichen, und kommt dabei unweigerlich zu dem Schluss, dass in seiner Stadt ohnehin alles besser ist. Man hinkt den raschen Änderungen der Welt etwas hinterher, vermeidet dadurch aber auch Fehler, die andere machen. Aber Wien ist auf alle Fälle eine Stadt, in der man gut leben kann. Ich bin gern dort.“

„Ich will im Sommer nach Wien, können Sie mir einige Sehenswürdigkeiten empfehlen?“

„Sie müssen mich unbedingt vorher anrufen, es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen Wien zu zeigen.“

Er gab ihr seine Karte mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse.

„Sind Sie Tänzer?“

„Ich bin in Wien in die Tanzschule gegangen, beim berühmten Elmayer.“

„Dann kommen Sie und zeigen Sie mir Ihre österreichischen Tanzkünste.“

Die beiden gingen in den Salon, er nahm sie in die Arme, und sie begannen sich zu den Rhythmen zu bewegen, natürlich mit gebührendem Abstand. Lukas hielt ihre warme und trockene Hand mit gleichmäßigem Druck und fühlte mit seiner anderen Hand durch das Seidenkleid ihren Körper. Ein angenehmes, unaufdringliches Parfüm umgab sie wie ein unsichtbarer Schleier. Er widerstand der Versuchung, einen engeren Kontakt herbeizuführen, obwohl er es gern getan hätte. Nach einigen Tänzen wurde sie ihm entrissen, und er ging zum Tisch zurück, um seine Stiefmutter aufzufordern.

Marie flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bin heute unvorstellbar glücklich.“

Er scherzte: „Vielleicht bekomme ich noch einen kleinen Bruder.“

„Du Narr, ich bin schon fast fünfzig.“

Lukas tanzte noch mit anderen Frauen, trank mit Bekannten auf das Wohl des Brautpaars, und dann nahm ihn die Frau eines Freundes seines Vaters, der die Gesellschaft aus geschäftlichen Gründen früher verlassen hatte müssen, in Beschlag. Als er zu seinem Tisch zurückkehrte, saß seine schöne, arrogante Nachbarin immer noch dort, neben ihr ein älterer Herr. Er setzte sich dazu und trank einen Espresso. Als der Fremde aufstand und sich verabschiedete, drehte sich Lukas zu seiner Tischnachbarin und sah ihr in die Augen.

„Ich tanze nicht“, sagte sie unaufgefordert.

„Ich will nicht tanzen“, antwortete er.

Er wendete sich ihr zu, legte seine rechte Hand auf die Lehne ihres Stuhls, und mit seiner linken griff er unter dem Tisch auf ihr Knie. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, aber anstelle der erwarteten Abwehr wurde sie zuerst blass und dann rot. Sie hielt den Atem an, um dann mit kurzen raschen Zügen weiterzuatmen. Niemand schien die beiden zu beachten. Er fuhr mit seiner Hand rasch die Innenseite ihres Oberschenkels hinauf und umfasste ihn fest, sie packte seine Hand, aber nicht, um sie zurückzustoßen, sondern um sie festzuhalten. Er begann, sie sanft zu streicheln. Sie blieb wie erstarrt sitzen, ihr Gesicht zeigte keine Arroganz mehr, sondern schien sich in Leidenschaft aufzulösen. Langsam zog er seine Hand zurück und nahm auch seinen Arm von der Sessellehne. Sie stieß den Sessel zurück, stand abrupt auf, und ohne ihn eines Blickes zu würdigen verließ sie den Saal. Niemand schien dieses Intermezzo bemerkt zu haben. Er wusste nicht, was ihn dazu getrieben hatte, sich so unentschuldbar zu benehmen. Es war wahrscheinlich ihre Überheblichkeit gewesen, die ihn herausgefordert hatte.

Er stand auf, wanderte herum, tanzte zwischendurch mit vielen Damen und musste immer wieder mit irgendwem anstoßen. Nach Mitternacht stieg er einigermaßen betrunken zu seinem Apartment hinauf. Zu seinem Erstaunen war die Zimmertür nicht verschlossen, im Vorraum brannte Licht. Er zog sein Jackett aus, ging in den Schlafraum und merkte an dem ihm unbekannten Duft eines Parfüms, dass er nicht allein war. Eine Frau war im Zimmer.

Seine elegante Tischnachbarin saß mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem Fauteuil und sah ihn wütend an. Er setzte sich ihr gegenüber aufs Bett.

„Sind Sie noch nüchtern genug, um mich zu verstehen?“, fragte sie.

Er nickte.

„Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung für Ihr unmögliches Verhalten.“

„Madame, Sie sind schön, arrogant und begehrenswert. Sie haben mich herausgefordert, es tut mir leid, aber ich konnte nicht anders. Aber ich weiß, mein Benehmen war unmöglich. Ich entschuldige mich dafür.“

Sie stand auf und blickte auf ihn hinunter.

„Sie sind wie ein Tier, das seinen niedrigen Instinkten folgt. Mich in so eine Situation zu bringen! Wenn uns jemand gesehen hätte. Ich bin eine verheiratete Frau.“

Er stand ebenfalls auf. Sie standen sich gegenüber, ihre Augen funkelten ihn voll Empörung an. Er merkte, dass sie sich ihre Lippen nachgezogen hatte, dass ihr Haar sorgfältig frisiert und ihr Parfüm erst vor kurzer Zeit benützt worden war. Er spürte, sie war für ihn bereit. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie in die Arme und küsste sie. Sie ließ es mit herunterhängenden Armen geschehen, ihr Mund war voll und weich, und sie öffnete ihn bereitwillig. Sie sanken auf das Bett, und ihre Körper pressten sich aneinander. Er öffnete die Verschlüsse ihres Seidenkleids am Rücken, und es glitt bis zu ihrer Hüfte. Mit einem Griff öffnete er ihren BH und nahm ihre Brüste in die Hand. Er saugte an ihren Brustwarzen, was sie zum Aufstöhnen brachte.

„Tun Sie das nicht, ich will das nicht, ich bin meinem Mann immer treu gewesen.“

Sie fasste seine Hand und hielt sie, während er mit seinem Daumen zärtlich ihre Nippel rieb.

„Nein, nein, ich darf das alles nicht tun.“

Er ließ von ihrem Busen ab und schälte sie aus dem Kleid. Nur schwach wehrte sie sich, was ihn ungeheuer erregte. Er nahm ihre Hand und führte sie zu seinem Glied, dann öffnete er seinen Gürtel und einige Knöpfe und ließ es von ihr berühren.

„Ich habe so etwas noch nie getan“, stöhnte sie.

Er sprach nicht, küsste sie, griff unter ihrem Slip an ihr Gesäß und fasste sie zwischen den Beinen.

„Bitte tun Sie das nicht, das ist eine Sünde.“

Sie hatte Lukas mit ihrem vorgeblichen Widerstand und ihrer unglaubwürdigen Gegenwehr so erregt, dass er beinahe die Kontrolle verlor. Als er in sie eindrang, tat er es mit einer solchen Heftigkeit, wie er es nie zuvor getan hatte.

„Sie töten mich, Sie sind so brutal“, rief sie.

Sie stöhnte immer lauter.

„Hören Sie auf, Sie tun mir weh“, schrie sie, während sie ihren ersten Orgasmus hatte. Er hielt kurz inne.

„Bitte weiter, weiter, hören Sie nicht auf.“

„Hören Sie auf, bitte weiter“, so ging es dahin. Durch den Alkohol, den er getrunken hatte, brauchte er länger, bis er zur Erfüllung kam. Sie aber hatte noch nicht genug, bewegte sich weiter, und als er von ihr glitt, blieb ihre Hand zwischen ihren Beinen und rieb ihr Geschlecht. Endlich hörte sie damit auf. Der Kampf, es war mehr ein Kampf als ein Liebesakt gewesen, hatte aufgehört, trunken und ermattet fiel er in die Kissen zurück und schlief ein.

Als er am nächsten Tag erwachte, war es zwölf Uhr mittags. Er war allein. Sein Zustand war ziemlich übel, aber er hatte zumindest keine Kopfschmerzen. In seinem Gehirn bestand eine gewisse Leere, die die Mediziner als retrograde Amnesie bezeichnen. Er versuchte, den Verlauf des Abends zu rekonstruieren. Er hatte getanzt und getrunken, aber mit wem? Er hatte doch etwas geträumt? War er allein ins Bett gegangen, oder doch nicht? Und wenn jemand da gewesen war ... Wer?

Er saß am Bettrand und dachte intensiv nach, da sah er neben sich im Bett ein kleines Seidengespinst liegen, einen Slip. Ein unwiderlegbarer Beweis, dass es kein Traum gewesen war. Er hob das zarte Gebilde in die Höhe und dachte nach. Die Gesichter der Frauen, mit denen er getanzt hatte, zogen an ihm vorbei. Die junge Bretonin konnte es nicht gewesen sein, aber da waren noch zwei andere, an die er sich erinnerte. Dann fiel ihm Catherine Deneuve ein. Ihre harten Nippel, die Raserei ...

Nach einer ausgiebigen heißen Dusche betrachtete er sich eingehend im Spiegel. Die Nacht hatte Spuren hinterlassen, die Kratzer auf seinem Rücken sprachen Bände.

Mit einer Sonnenbrille bewaffnet betrat er vorsichtig die sonnenüberflutete Terrasse des Hotels, auf der seine Eltern und etwa zwanzig andere Gäste einen Brunch einnahmen. Marie und seinem Vater gab er einen Kuss. Marie musterte ihn kritisch. Dann begrüßte er vage einige Leute, holte sich Kaffee, nahm sich ein Croissant und setzte sich allein an einen Tisch.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Die bretonische Jungfrau stand vor ihm, und wie er hatte sie einen Kaffee und ein Croissant in der Hand.

„Es ist mir ein Vergnügen, Madame.“ Er rückte ihr den Sessel zurecht.

Schweigend tunkte er sein Croissant in den Kaffee und blickte in den Park hinaus.

Nach einer Weile sagte Charlotte: „Sind Sie am Morgen immer so gesprächig?“

„Meistens bin ich am Morgen allein, und mit mir selbst spreche ich noch nicht.“

„Diese Einsamkeit muss furchtbar sein.“

Er blickte auf, sie saß mit einem unschuldigen Lächeln vor ihm, ihr frischer bretonischer Teint ließ sie heute eher wie einen Teenager denn als eine Aristokratin aussehen.

„Ich bin eben ein einsamer Wolf.“

„Gestern Abend hatte ich diesen Eindruck aber nicht. Sie scheinen Geselligkeit zu lieben, Sie gingen förmlich von einer Hand zur anderen. Sie schienen mir wie ein Fisch im Wasser zu sein. Ist das in Wien auch der Fall?“

Er stand auf, um sich einen zweiten Kaffee zu holen, trank stehend ein Glas Mineralwasser und kam zum Tisch zurück. Diese junge Dame setzte ihm zu.

„Bevor ich Ihnen auf Ihre kritischen Fragen über mein Privatleben eine Antwort geben kann, muss mein Kopf etwas klarer werden. Derzeit bin ich Ihnen noch nicht gewachsen.“

Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn ab.

„Diese Spitzentaschentücher, bekommt man die in Wien zu kaufen?“

Er griff nochmals in die Hosentasche und zog das Taschentuch wieder heraus. Entsetzt betrachtete er es, er hatte in seinem benommenen Zustand den spitzenbesetzten Slip eingesteckt, den er im Bett gefunden hatte. Er wurde rot, brachte kein Wort heraus.

„Also ich kann Sie beruhigen, mir gehört er nicht“, meinte sie begütigend. „Wir Bretoninnen tragen nur weiße Baumwollunterwäsche.“

Verzweifelt sagte er: „Ich habe keine Ahnung, wie er in mein Bett gekommen ist.“

„Dann haben Sie auch keine Erinnerung, was passiert ist und ob es überhaupt ein Vergnügen war?“

„Doch, ich erinnere mich, einen erotischen Traum gehabt zu haben.“

„Das ist doch wenigstens etwas. Also ich tippe auf die Dame, die dort im Schatten sitzt. Die macht ein so zufriedenes Gesicht. Der könnten Sie das Corpus Delicti anbieten.“

„Von der habe ich nicht geträumt.“

„Aber Sie haben mit ihr eng umschlungen getanzt.“

Zu seiner Erleichterung war Catherine Deneuve nicht auf der Terrasse zu sehen. Er hatte keine Ahnung, wie er sich ihr gegenüber verhalten hätte sollen.

„Was machen Sie jetzt mit dem interessanten Taschentuch?“

„Ich behalte es als Souvenir.“

Der Kaffee schien seine Wirkung zu entfalten, sein Verstand begann wieder zu arbeiten.

„Ich wäre noch gern geblieben, vor allem, um Ihnen Rede und Antwort über mein Privatleben zu stehen, aber mein Flug geht heute am Nachmittag, und morgen sitze ich wieder im Streifenwagen und halte Verkehrssünder an.“

„Ich fahre heute noch nach Paris, wenn Sie vom Char­les de Gaulle abfliegen, kann ich Sie vor der Oper absetzen, von dort können Sie den Bus nehmen ...“

„Womit verdiene ich so ein Angebot?“

„Mit gar nichts. Betrachten Sie es als Samariterdienst. Aber wir sind jetzt immerhin verwandt, Cousins, da Marie meine Tante ist. Und ich werde doch meinen Cousin mitnehmen. Abfahrt in zwei Stunden.“

Sie stand auf und verließ den Tisch, er tat desgleichen, setzte sich aber zu seinen Eltern, um noch ein wenig mit ihnen zu plaudern.

„Charlotte ist ein hübsches Mädchen, aber sie hat eine lose Zunge“, meinte Marie.

„Damit habe ich bereits Bekanntschaft gemacht. Hat sie einen Freund?“

„Was höre ich da, bist du an ihr interessiert? Frag sie doch selbst!“ Sie lächelte. „Von mir erfährst du nichts.“

Er verabschiedete sich von allen. Die Dame, die ihn in der Nacht besucht hatte, bekam er nicht zu Gesicht.

Um drei Uhr nachmittags fuhr Charlotte in einem kleinen Peugeot vor dem Hotel vor. Er stellte seinen Koffer auf den Rücksitz und nahm neben ihr Platz. Zu seiner Erleichterung fuhr sie gleichmäßig und angenehm, so blieb er während der Fahrt entspannt, und sie konnten sich unterhalten. Ihre Mutter war die Schwester von Marie und hatte tatsächlich einen Aristokraten geheiratet. Zunächst sprachen sie über die beiden Frischvermählten, dann erzählte er ein wenig von seinem Leben als Polizist.

Dann fragte er sie: „Wohnen Sie in einem richtigen Schloss?“

„Schloss ja, aber es ist nicht Amboise. Es ist eher ein Landhaus, aber es kostet uns mehr als genug.“

„Was studieren Sie?“

„Ich werde nächstes Jahr mit Medizin fertig.“

„Dazu sind Sie noch zu jung.“

„Ich bin vierundzwanzig.“

„Haben Ihre Eltern schon einen standesgemäßen Mann für Sie ausgesucht?“

„Sie sind gerade dabei, es zu tun, aber unter einem Herzog geht gar nichts.“

„Sie haben recht, wenn schon, denn schon. Was würden Ihre Eltern sagen, wenn Sie etwa einen Flic heiraten würden?“

„Ich habe nicht die Absicht, das zu tun. Das war aber jetzt nicht ein Heiratsantrag?“

„Nein, nein, nur ein rhetorische Frage.“

„Also, meine Eltern würden unter der Bedingung zu­stimmen, dass derjenige ein lieber, treuer Ehemann wäre, aufopfernd für mich sorgen und mich nie verlassen würde.“

„Sie Arme. Diesen Mann gibt es nicht mehr, dann werden Sie eine alte Jungfrau bleiben.“

„Alt werde ich sicher, aber Jungfrau bleibe ich nicht. Aber ich merke, Sie haben bereits wieder zu Ihrer Form zurückgefunden, der Kopf ist klar.“

Inzwischen hatten sie die Oper erreicht und sie hielt an. Er blieb kurz sitzen.

„Charlotte, vielen Dank, und wenn Sie nach Wien kommen, werde ich mich für Ihre Freundlichkeit revanchieren. Entschuldigen Sie, wenn ich etwas keck gesprochen habe. Es war für mich eine Freude und ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben. Ganz abgesehen davon, dass Sie mir als Frau gut gefallen.“

Sie hielt ihm ihre Wangen huldvoll zum Kuss hin. Er kam der Aufforderung dreimal nach, stieg aus, holte seinen Koffer vom Rücksitz. Sie fuhr mit quietschenden Reifen los, er winkte ihr etwas traurig nach und bestieg den Roissybus, der ihn zum Flughafen Charles de Gaulle brachte.

Parkour

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