Читать книгу Parkour - Herbert Lipsky - Страница 8
Die neue Dienststelle
ОглавлениеSeine Arbeit begann er am Montag bereits in seiner neuen Dienststelle. Die Sonderkommission hatte ihren Standort im Landeskriminalamt. Er betrat ein großes Besprechungszimmer, in dem rund um einen langen Tisch ein Dutzend Personen saß. Alle blickten ihn erstaunt an.
Frau Gruppeninspektor Bauer nickte ihm zu und sagte: „Das ist unser neue Kollege, Lukas Bernard, er war es, der Kabakow zur Strecke gebracht hat. Bernard, setzen Sie sich, ich werde Sie nach der Besprechung jedem einzeln vorstellen.“
Er sah sich neugierig um. Im Raum befanden sich drei Frauen und neun Männer. Eine Kollegin war etwas massiv, die andere zart, beide um die dreißig; die Männer waren im Alter zwischen dreißig und fünfzig, alle Größen und Figuren waren vertreten, drei von ihnen wirkten sportlich und schienen gut trainiert zu sein. Das Zimmer war spartanisch und funktionell eingerichtet, an den Seitenwänden standen PCs, auf eine Leinwand wurden gerade Fotos projiziert. An einer Wand hing das Bild des Bundespräsidenten.
Lara Bauer erläuterte den Einsatzplan für die kommende Woche und die Aufgabeneinteilung. Als sie fertig war, stellte sie ihn allen einzeln vor. Die Händedrücke waren fest, bei einem der sportlichen Kollegen spürte er eine Handkante mit harten Schwielen. Ein Judoka, dachte er sich. Einige waren freundlich, zwei ältere mürrisch, alles in allem kein unfreundlicher Empfang. Lara ging mit ihm zu einem der älteren Kollegen.
„Kollege Nowotny wird Sie über unsere Arbeit aufklären, Sie haben eine Woche Zeit, um sich theoretisch einzuarbeiten.“
„Kumm, gemma“, sagte der Mann in breitem Wienerisch.
Lukas folgte ihm in ein kleineres Zimmer.
Der neue Kollege begann: „Zuerst einmal eine kurze Einführung über die Prostitution in Wien. Bei uns kann man in der ganzen Stadt Huren finden. Einen Straßenstrich haben wir am Gürtel und einen im Stuwerviertel, beim Prater. Daneben gibt es entlang des Gürtels und der angrenzenden Gebiete eine Häufung von Puffs. Das Gleiche gilt für das Stuwerviertel. Insgesamt sind es etwa dreihundert. Und dazu in fast jeder größeren Straße irgendeine Art von Sexshop, Laufhaus, Swingerclub oder Animierbar. Die einheimische Bevölkerung nimmt das aber kaum wahr. Wir haben ungefähr dreitausend registrierte Prostituierte, die Abgaben zahlen, ärztlich kontrolliert werden und laut Gesetz für ihre Leistung Recht auf Entlohnung haben. Tatsächlich dürften aber acht- bis zehntausend Frauen und Männer in der Branche arbeiten. Dazu kommt der Sex-Tagestourismus, das heißt junge Mädchen und Frauen, die aus der Slowakei und Tschechien kommen, keine Zuhälter haben und von uns auch nicht kontrolliert werden. Sie verdienen in einer Nacht mehr als in ihrer Heimat als Friseurin oder Krankenschwester in einem Monat. Sie führen ein riskantes Leben, weil sie als unlautere Konkurrenz betrachtet werden. Fünfundneunzig Prozent aller Huren kommen aus dem Ausland, sie sind illegal und legal da, manche haben Arbeitsbewilligungen, zum Beispiel als Tänzerin oder Kellnerin, manche nicht. Die meisten arbeiten für Zuhälter oder, wie es jetzt immer öfter der Fall ist, für Organisationen. Momentan haben wir eine neue Situation, denn im Stuwerviertel, wo es schon seit ewigen Zeiten einen Strich gibt, greift die Polizei plötzlich durch. Und zwar wegen der neuen Wirtschaftsuniversität, weil in der Gegend jetzt Häuser saniert werden, in denen Zwei-Zimmer-Eigentumswohnungen um dreihunderttausend Euro angeboten werden. Die Politik will die Prostitution dort hinausekeln. Das heißt häufige Kontrollen, Einbahnregelungen, die es den Freiern schwerer machen, mit dem Auto auf Aufriss zu gehen. Was dabei herausschauen soll, weiß ich nicht. Das ist aber alles nicht unsere Aufgabe. Vor der Ostöffnung war die Situation einfacher, wir hatten eine gute Kommunikation mit allen Beteiligten. Aber heute ist alles anders. Die einheimische Prostitution wurde fast ganz von mafiösen Organisationen verdrängt, die ihre eigenen Mädchen mitbringen. Zum Beispiel hatten wir auch eine Zeit lang viele Nigerianerinnen im Geschäft.
Die SOKO wurde eingesetzt, weil derzeit, um es in der Sprache der Wirtschaft zu sagen, eine unfreundliche Übernahme erfolgt. Ein mächtiger Konzern, der den ganzen Markt übernehmen will. Nicht nur Prostitution, sondern auch Menschen- und Rauschgifthandel. Mit Sitz im Osten, wir vermuten in Moskau. Kleinere Bordelle werden angezündet, Zuhälter und Frauen verprügelt oder sogar erschossen. Die, die übrig bleiben, arbeiten jetzt nur mehr für diese große Organisation, zahlen vermutlich Schutzgeld. Für frische Ware ist immer gesorgt – durch Agenten, die in den russischen und ukrainischen Provinzen und auch in den neuen EU-Ländern ständig auf der Suche nach jungen Mädchen sind, die mit falschen Versprechungen in den Westen gelockt werden. Dabei helfen ihnen nicht selten lokale Polizisten, die von ihnen bestochen werden. Den Mädchen wird Arbeit versprochen – als Model oder als Tänzerin. Aber sie enden in den westlichen Bordellen. Es spielen sich unzählige Dramen ab. Wien ist für viele nur eine Zwischenstation, von hier aus gehen sie weiter, in die Schweiz, nach Frankreich und Deutschland. Die Kundschaft will Abwechslung, und so wandern sie von einem Etablissement zum anderen. Wir arbeiten auch mit den russischen Behörden zusammen, denn auch im Lande Putins will man nicht, dass gerade ihre hübschesten Mädchen bei uns als Prostituierte enden.
Kabakow, den du angeschossen hast, war eine Schlüsselfigur. Wie du vielleicht weißt, suchte er wegen politischer Verfolgung durch Russland um Asyl an, weil er Tschetschene ist. Schon während sein Ansuchen lief, begann er, Wien unsicher zu machen. Er war überaus gefürchtet und verhasst, schlug Zuhälter zusammen und verprügelte Mädchen. Er ist ein Sadist. Irgendjemand muss ihn protegieren, denn sein Asylantrag ist noch immer nicht abgelehnt. Es hat lange gedauert, bis wir ihm endlich etwas nachweisen konnten. Seine DNA wurde an einem erschossenen Zuhälter festgestellt. Aber er hat irgendwie davon erfahren und ist untergetaucht. Mehrere Versuche, ihn zu erwischen, misslangen. Anscheinend wurde er immer vorher gewarnt, bis wir den Tipp mit der Parksauna bekamen. Den Rest der Geschichte kennst du.“
„Haben Sie irgendwelche Unterlagen zu dem Ganzen, ich möchte nicht dauernd blöde Fragen stellen.“
„Hier hast du einen Ordner mit Zeitungsausschnitten und eine Mappe mit den Zielen unseres Kommandos. Und da ist noch das neue Gesetz für Prostitution in Wien. Lies das alles einmal durch.“
Für den Rest des Tages saß Lukas an seinem Schreibtisch und studierte die Dokumente. Da er bis zum Abend nicht fertig wurde, nahm er sie mit nach Hause.
Schon am dritten Arbeitstag hatte Lara Bauer eine Aufgabe für ihn. Sie fuhren mit einem Privatauto nach Hernals.
„Eins musst du noch wissen, bevor du mit deiner Arbeit beginnst. Ein Kriminalpolizist verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, zu beobachten und abzuwarten. Die Aktionen, die folgen, sind meist kurz und oft gewaltsam. Das meiste finden wir heute über die vernetzten Datenbanken der Polizei und über das Internet heraus. Es ist erstaunlich, wie viele Informationen von großen Organisationen im Netz zu finden sind und wie durch den Abgleich der Daten Zusammenhänge sichtbar gemacht werden können. Aber in den nächsten Wochen wird es für dich langweilig werden. Du wirst deine Dienstzeit in einer Wohnung verbringen, durch deren Fenster du ein neues Sauna-Bordell beobachten wirst und die Besucher fotografieren sollst.“
Sie waren in einer Straße angekommen, in der vier- und fünfstöckige Häuser standen, mit schmucklosen Fassaden aus der Nachkriegszeit. In einem der Gebäude stiegen sie in den vierten Stock. Lara läutete dreimal kurz, einmal lang. Die Tür öffnete sich, und ein Kollege, den er vom Sehen kannte, ließ sie hinein. Aus einem der Fenster der Dachwohnung konnte man den ganzen Hof und die Rückseite eines neuen Gebäudes überblicken.
„Das da unten ist ein Freudenhaus, das von einem Architekten geplant wurde. Perfekter Standort, gleich um die Ecke eine U-Bahn-Station. Bei der Einreichung des Plans wurde es als Sauna bewilligt, aber sofort nach der Fertigstellung wurde eine Umwidmung in ein Bordell beantragt. Alle Vorschriften wurden eingehalten, nichts kann dagegen unternommen werden. Nach außen hin verläuft alles ruhig, keine Schwierigkeiten. Aber du kannst dir vorstellen, dass die Anrainer dagegen protestieren. Wir sind aber nicht deshalb hier, sondern weil wir glauben, dass hinter den Eigentümern, einem Herrn Eisendle und einem Herrn Gruber, unser Syndikat steckt. Es könnten dieselben Leute sein, denen die Parksauna gehört, die übrigens trotz unserer Razzia floriert. Also wollen wir wissen, was hier vor sich geht. Zuerst haben wir eine Zeit lang den Haupteingang vorne überwacht, haben dann aber aufgehört, weil wir bemerkt wurden. Man hat sich über uns an höherer Stelle wegen Geschäftsstörung beschwert. Jetzt beobachten wir die Rückseite, was sicher auch effektiver ist, weil die wichtigen Leute mit ihren Autos im Hof parken und die Hintertür benützen. Diese Wohnung hier stand leer, und wir haben sie gemietet.“
In dem Geviert, das die Häuser bildeten, lagen Höfe und hübsche Gärten. Das Grundstück des Bordells war durch eine hohe Mauer von ihnen abgegrenzt. Lukas nahm ein beim Fenster liegendes Fernglas in die Hand und sah sich das Gebäude genauer an.
„Das Ganze ist videoüberwacht, und es gibt Bewegungsmelder. Es ist unmöglich, unbemerkt über die Mauer zu kommen.“
„Wissen wir, deshalb beobachten und fotografieren wir. Das Okay vom Staatsanwalt haben wir, aber wir müssen die Bilder nach der Auswertung sofort löschen. Nur verdächtige Personen dürfen gespeichert werden. Du fängst gleich jetzt an, der Kollege wird dir alles erklären. Am Abend wirst du abgelöst.“
Lara verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß. Der Kollege erklärte ihm die Funktionen der Kamera, die fix auf einem Stativ montiert war, und zeigte ihm das Protokoll, das er führen musste. Als er ihn verließ, war er sichtlich erleichtert, der Dienst hier schien nicht beliebt zu sein.
Nun war er allein in der Wohnung. Er ging durch die leeren Räume, nur im Aufenthaltsraum standen zwei Sessel und eine durchgelegene Couch. In der Küche ein Kühlschrank, ein Tisch mit zwei Sesseln, auf der Spüle einige Gläser. Er trank ein Glas Wasser, nachdem er es längere Zeit rinnen hatte lassen. Dann setzte er sich zum Fenster und blickte auf das Objekt hinunter. Es war Vormittag, heiß, die Außentemperatur lag um die dreißig Grad, alles war ruhig. Lange Zeit geschah nichts, dann fuhr ein Wagen in den Hof, ein Mann stieg aus, drückte auf eine Klingel und betrat das Bordell. Fast hätte Lukas es versäumt, ein Foto zu machen, er erwischte ihn nur von hinten. Er blickte auf die Uhr, es war eins. Sein Magen rührte sich, in der Früh hatte er nur einen Kaffee getrunken. Durfte er sich eine Pizza bestellen? Er suchte gerade in seinem iPhone nach der Adresse einer Pizzeria, als es dreimal kurz und einmal lang klingelte. Er spähte durch das Guckloch. Es war seine Chefin, sie hatte eine Plastiktragetasche in der Hand.
„Du hast doch nicht geglaubt, dass ich meinen Liebhaber verhungern lasse. Der muss bei Kräften bleiben.“
Sie lächelte ihn an und packte aus, chinesisches Essen.
„Schau nicht so, es ist gut, von meinem Lieblingschinesen.“
Sie setzten sich an den Tisch und begannen, aus den Plastikschalen zu essen. Lara aß mit großem Appetit, er dagegen kaute an jedem Bissen herum.
„Du bist ein elender französischer Snob, das Essen ist wirklich nicht so schlecht, wie du tust. Das nächste Mal lasse ich dich verhungern.“
Lukas war kein Freund von Sojasauce, Glasnudeln und Frühlingsrollen, herausgebacken in altem Öl.
Sie standen auf und gingen zum Fenster.
„Von dort oben müsste man noch mehr sehen können, vielleicht sogar, was drinnen vorgeht“, meinte Lukas. Dabei zeigte er auf das Haus, das der Sauna am nächsten stand.
„Dort ist aber keine Wohnung frei.“
„Hättest du etwas dagegen, wenn ich einmal auf diesen Balkon dort klettere? Ich habe das Gefühl, dass in dieser Wohnung derzeit niemand wohnt.“
„Wie das letzte Mal, über die anderen Balkone?“
„Ja schon, es dürfte kein Problem sein.“
„Das muss ich mir erst überlegen, das wäre Hausfriedensbruch. Wir diskutieren das später einmal. Wie schaut es heute Abend aus? Du musst mir von Paris erzählen.“
„Ich freue mich darauf. Ich hatte schon den Eindruck, dass du das Interesse an mir verloren hast.“
„Treffen wir uns um sechs Uhr an der U-Bahn-Station vorne am Eck? Von unserem Verhältnis muss schließlich niemand etwas wissen.“
Lukas freute sich auf Lara, der Nachmittag wollte nicht vergehen. Er hatte wenig zu tun, fotografierte nur einige Männer und Frauen, die ein und aus gingen, vermutlich Personal. Erst gegen siebzehn Uhr kamen die ersten Besucher, parkten ihre Autos und betraten das Gebäude. Entspannung und Sex nach der Arbeit, hoffentlich bald auch für mich, dachte er sich. Dann läutete es an der Tür, die Ablöse war gekommen. Es war Peter Steiner, der Kollege mit der harten Handkante. Gemeinsam sahen sie sich die Fotos an. Bei den meisten nickte Steiner, er kannte einen Teil der Angestellten und löschte die Aufnahmen. Lukas war froh, endlich das Haus verlassen zu können, und ging zu U-Bahn-Haltestelle, wo ein ihm bekanntes Auto stand.
„Lukas, heute fahren wir zu mir. Du brauchst etwas Gutes zu essen, Irina hat für uns gekocht. Und es ist Zeit, dass du sie kennenlernst.“
Sie parkte vor einem Altbau in Neustift. Als sie eine Tür im zweiten Stock aufsperrte, kam ihnen eine junge blonde Schönheit entgegen. Lukas verschlug es fast den Atem. Er konnte seinen Blick nicht von ihr lösen.
„Hi, Mama! Und du bist Lukas, Mama hat mir schon von dir erzählt.“
Sie gab ihm die Hand, drehte sich um und ging in einen Raum, in dem er die Küche vermutete. Sie betraten ein großes Ess-Wohnzimmer, in dem für drei Personen gedeckt war. Diesmal war er der Neugierige und sah sich um: modernes Mobiliar, ein Maria-Theresien-Schrank, moderne Bilder von Malern, die er nicht kannte, und zwei Ikonen. Am Boden lagen ein großer weißer Wollteppich und zwei kaukasische Brücken, die Vorhänge waren bunt mit einem floralen Muster. Es war ein schöner und freundlicher Raum.
Lara ging hinaus, nachdem sie ihm ein Gläschen eiskalten Wodka eingeschenkt hatte. Er kostete den Wodka, der angenehm wie ein kühler Aperitif schmeckte.
Zu zweit kamen sie zurück, Suppenteller in den Händen.
„Dir bleibt heute nichts erspart, zu Mittag chinesisch und abends russisch. Das ist Borschtsch, eine Rote-Rüben-Suppe mit Tomaten, Paprika und Kohl, oben drauf ist Rahm.“
Die Suppe schmeckte vorzüglich, sie war gerade richtig scharf. Er trank ein Glas Wasser dazu, denn er spürte bereits den Wodka ankommen. Irina erzählte munter von der Universität und ihren Freundinnen. Er konnte gar nicht anders, er musste sie dauernd anschauen. Sie erinnerte ihn an jemanden, nicht an Lara, der sie aber zweifellos auch ähnlich war.
„Du bist Franzose? Ich habe an der Uni auch mit Französisch begonnen.“
„Ich bin nur ein halber Franzose, die zweite Hälfte ist wienerisch. Ich habe auch hier studiert.“
Das nächste Gericht waren Piroschki, mit Sauerkraut, Faschiertem und Kartoffeln gefüllte Germteigtaschen. Dazu trank man Wein aus dem Kamptal. Lara erklärte ihm, dass die russische Küche einfach und ländlich sei. Sie kenne keine aufwendigen oder raffinierten Rezepte. Es schmecke alles nach dem, was drinnen sei. Nur beim Einlegen von Gurken, Auberginen, von Fisch oder süß-sauren Aprikosen zeige man größeren Erfindungsreichtum. Lukas schmeckte es ausgezeichnet, es waren neue Eindrücke für seinen Geschmackssinn.
„Das ist köstlich, wenn ich dagegen an die Sojasauce von zu Mittag denke“, sagte er.
Er begann, über die Hochzeit in Fontainebleau zu erzählen. Beide hörten interessiert zu, er musste das Schloss genau beschreiben.
Irina seufzte, blickte auf die Uhr, sprang auf und rief: „Ich muss weg, hi, Lukas, hi, Mama, du siehst mich morgen zu Mittag wieder“, und schon war sie verschwunden.
„Was für ein wunderbares Geschöpf“, sagte Lukas. „Sie erinnert mich an jemanden, sie ist mir irgendwie vertraut.“
„Ich habe viel Freude mit ihr. Für sie würde ich mein Leben opfern. Jeden, der sie bedroht, würde ich angreifen. Ich würde sogar bedenkenlos töten.“
„Das glaube ich dir und verstehe dich, obwohl ich noch keine Kinder habe.“
Sie stand auf und kam mit der Nachspeise zurück, Blini, gefüllt mit Marmelade.
Lukas fuhr fort: „Irina erweckt auch in mir einen Beschützerinstinkt. Man möchte sie vor dem Bösen der Welt bewahren. Ich wünsche ihr einmal einen Lebenspartner, der mit ihr harmoniert.“
„Merkwürdig, dass gerade du das sagst. Du bist doch ein Mann, dem die Frauen zufallen, so wie auch ich dir zugefallen bin. Ich habe dich gesehen und wollte sofort mit dir ins Bett und dir durch deine Locken fahren.“
Sie griff über den Tisch und tat es. Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
„Da du kein Auto hast, bleibst du heute bei mir.“
Er widersprach nicht. Gemeinsam räumten sie die Küche auf, denn die junge Nachwuchsköchin hatte ein unglaubliches Chaos hinterlassen. Sie duschten sich, standen wie ein Ehepaar nebeneinander im Badezimmer und putzten sich die Zähne, er mit einer Leihbürste, um sich dann in ein breites Bett zu legen, wo es allerdings mit der ehelichen Gemütlichkeit vorbei war und ein leidenschaftliches Liebesspiel begann, das einige Zeit dauerte. Erschöpft und entspannt schliefen sie ein.
Während sie am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, sagte Lara: „Eigentlich bin ich derzeit glücklich. Beruflich läuft es gut, Kabakow sitzt, unsere Ermittlungen machen kleine Fortschritte, und ich bin sicher, dass wir bei der Beobachtung der neuen Sauna etwas herausfinden werden. Ich habe das Gefühl, dass wir bald zuschlagen können. Vor allem aber bin ich mit dir als Liebhaber zufrieden. Es ist schön mit dir.“
„Wen hast du sonst noch?“
Ihr Gesicht wurde ernst. „Ich wollte es dir schon früher sagen. Eigentlich habe ich nie in meinem Leben ein normales Liebesverhältnis gehabt. Alle meine Männer waren entweder zu alt oder zu jung für mich. Ich habe seit Jahren einen Freund, zehn Jahre älter als ich, mit dem habe ich ein Arrangement.“
„Er ist verheiratet und lässt sich nicht scheiden.“
„Das stimmt, aber es ist nicht das übliche Schema. Seine Frau hat multiple Sklerose, und er pflegt sie. Ich bin auch mit ihr befreundet und habe ihn durch sie kennengelernt. Im Unterschied zu den meisten Männern, deren Frauen an MS erkrankt sind, lässt er sich nicht scheiden. Wenn er beruflich einige Tage weg muss, helfe ich manchmal sogar bei der Pflege aus.“
Lukas beugte sich vor und küsste sie. „Du hast ein reichlich kompliziertes Leben.“
„Mir geht es deshalb so gut, weil ich eine liebe Familie habe. Meine Eltern und mein Kind sind mein Lebensmittelpunkt. Aber manchmal, wenn ich Appetit auf Jünglinge wie dich habe, dann schlage ich zu.“
„Hast du etwas von Kabakow und seinen Rachegelüsten gehört?“
„Nein, aber ich treffe morgen meinen Informanten wieder.“
Sie beendeten das Frühstück, ohne viel zu sprechen, und fuhren in Gedanken versunken zur Arbeit.