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Horizontverschmelzung
ОглавлениеWas in jenen Begegnungen geschieht und was sich ereignet, wenn Menschen plötzlich »das Wehen des Geistes spüren« oder das Wort Gottes verstehen, nennt der Theologe Ernst Lange »Horizontverschmelzung« (»Predigen als Beruf«, Kaiser Verlag). Der Horizont des biblischen Geschehens und der meiner Gegenwart verschmelzen miteinander. Es ereignet sich, was gesagt wird. Das Wort Gottes geschieht im Hier und Jetzt.
In meinem Sachbuch »einladend predigen« (2010) habe ich berichtet, wie ich als junger Jugendarbeiter Klaus Eickhoff zugehört habe, als dieser die Zachäus-Geschichte erzählte. Ich war fasziniert. Ja, auch weil der Pastor gut und spannend erzählen konnte (wie das geht, werden wir später bedenken), vor allem jedoch, weil ich spürte, dass das geschah, was er von Jesus erzählte. Jesus schaute nicht nur den Zöllner an, er schaute mich an. »Steig herab« war nicht an Zachäus auf dem Baum gerichtet. Es galt mir. Hier und jetzt geschah, wovon geredet wurde.
Dies meint »Horizontverschmelzung«. Nicht nur biblisches Geschehen und Gegenwart verschmelzen, auch Menschen- und Gotteswort, auch mein Geist und Gottes Geist und seine und meine Existenz. Gott wird greifbar, sichtbar und hörbar. Es ist als stehe der Auferstandene direkt vor mir und spricht mich an. »Maria.« »Hermann ...«.
Während wir mit menschlichen Stimmen und Worten miteinander reden, hört jemand Gottes Stimme. Ich selbst benutze auch gerne die Begriffe »Gleichzeitigkeit« oder »Vergegenwärtigung«.
Uns wird dieses Thema noch an anderen Stellen beschäftigen. Weil Gott sich im Hier und Jetzt zeigen will und zu Wort meldet, macht es Sinn, die Botschaft (auch die alte biblische Botschaft), eher im Präsens als im Perfekt zu beschreiben. So zu reden, dass heute transparent wird, was damals geschah und man uns abspürt, dass wir damit rechnen und davon ausgehen, dass Gott redet. Dies macht aus meiner Sicht eine glaubhafte Kommunikation des Glaubens aus.
✪ Erzählen Sie sich von Menschen, die Ihnen von Gott weitergesagt haben. Was hat Sie beeindruckt? Gibt es so etwas wie »Pfingsterlebnisse« in Ihrer Biografie?
✪Haben auch Sie einmal so etwas wie »Horizontverschiebung« erlebt und plötzlich geschah, wovon geredet wurde?
✪Und ebenfalls spannend: Kann es sein, dass Gott auch Ihre Worte und Ihr Zeugnis vom Glauben bereits benutzt hat? Fallen Ihnen auch dazu Beispiele ein?
Wir fassen zusammen:
1. Worte enthalten Macht. Sie können vernichten und aufbauen. Gottes Wort ist immer schöpferisch, es schafft Leben und Lebensentfaltung. Wie, wann und für wen Gott sein Machtwort einsetzt, entscheidet er souverän und unabhängig. Er hat sich in Jesus Christus eindeutig entschieden, sein Wort als dienendes Lebenswort zu nutzen.
2. Sprache entwickelt sich besonders in der Kindheit, wird aber lebenslang geprägt und auch verändert.
3. Das gegenseitige Verstehen war schon immer schwer. Die »babylonische Sprachverwirrung« beschreibt dies besonders gut. Auch in engste Bezüge hinein herrscht oft Missverstehen. Ein Beispiel davon sind die Szenesprachen und die »Sprache Kanaans« in ihren verschiedenen Versionen.
4. Das Wort Gottes ist immer ein missionarisches Wort. Pfingsten wurde zum Geburtstag der Gemeinde-Mission.
5. Nach Pfingsten und durch Gottes Geist können wir einander und auch Gott verstehen. Wir erhoffen und erwarten, dass der Pfingstgeist Ohren und Herzen öffnet. Der Begriff »Horizontverschmelzung« markiert die Erfahrung des Eingreifens Gottes.